Besser geschützt? Drogenabhängige haben selten schwere Covid-19-Verläufe - Studie

Schwer Drogenanhängige Menschen haben oft viele gesundheitliche Probleme. Die Covid-Pandemie aber überstanden viele wie durch ein Wunder sehr gut,
Schwer Drogenanhängige Menschen haben oft viele gesundheitliche Probleme. Die Covid-Pandemie aber überstanden viele wie durch ein Wunder sehr gut, Copyright MART PRODUCTION von Pexels
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Von Alexandra Leistner
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Als die Pandemie ausbrach, sorgte man sich zuerst um die immunschwachen Menschen, darunter auch Drogenkonsumenten. Jetzt hat man in Zürich festgestellt: Diese Menschen erkranken nur sehr selten schwer an der Lungenkrankheit. Jetzt sucht man nach einer möglichen Erklärung.

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Die Annahme macht eigentlich sofort Sinn: Ein "gut trainiertes Immunsystem" kommt besser mit Viren zurecht und schützt vor schweren Krankheitsverläufen - auch von Covid-19. Dass sich diese Theorie womöglich auch auf Menschen anwenden lässt, die eine Drogenabhängigkeit haben, hat Schweizer Forscher dennoch erstaunt.

Man habe "überrascht und erleichtert" festgestellt, dass Menschen, die eine Opioid-Agonisten-Therapie (OAT) machen, also an einem medizinisch überwachten Drogen-Ersatzprogramm teilnehmen, kaum schwere Verläufe von Covid-19 aufweisen.

Die Erkenntnisse wurden als Teil der in der gesamten Schweiz ausgeführten Corona-Immunitas-Studie veröffentlicht und basieren auf Beobachtungen bei Patientinnen und Patienten der Arud, einem Zentrum für Suchtmedizin mit Standorten in Zürich und Horgen.

Beim Ausbruch der weltweiten Pandemie war man zunächst davon ausgegangen, dass OAT-Menschen ein erhöhtes Risiko für eine schwere Erkrankung mit dem Coronavirus haben. Zum einen bringen die Lebensumstände, oft auf engem Raum in Einrichtungen mit anderen Menschen und ein gemeinsame Substanzkonsum ein erhöhtes Infektionsrisiko mit sich. Zum anderen haben Menschen mit einer langen Geschichte von Drogenkonsum oft Herz-Kreislauf- sowie Atemwegs-Erkrankungen, wie die Non-Profit-Organisation Arud erklärte.

Die erste Annahme, dass OAT-Menschen sich leichter mit dem Virus infizieren, wurde schnell bestätigt. In einer Analyse nach der ersten Corona-Welle, im Herbst 2020, hatten bereits 10 Prozent der Menschen, die in der Arud betreut wurden, Antikörper gegen Sars-CoV-2 im Blut. In der Schweizer Gesamtbevölkerung waren es zu diesem Zeitpunkt nur 3,5 Prozent.

Was das Risiko für eine schwere Erkrankung anging, wurden die Forschenden allerdings überrascht: Keine der beobachteten OAT-Personen erkrankte schwer an Covid-19 - trotz Vorerkrankungen.

Warum das so ist, müsste laut Studienpapier in einer größer angelegten Studie erforscht werden, Hypothesen gibt es aber. In der Literatur kontrovers diskutiert ist eine schützende Wirkung von Opioiden auf das Immunsystem. Wahrscheinlicher sei aber folgende Theorie: "Da Menschen, die an einer OAT teilnehmen, aufgrund ihrer Lebenssituation möglicherweise häufiger Virusinfektionen ausgesetzt sind, könnte auch eine Kreuzimmunität eine schützende Rolle spielen." So könnten die untersuchten Personen mit anderen Coronaviren bereits in Kontakt gewesen sein und deswegen besser gegen Covid-19 geschützt sein.

Wie der Leiter der Corona-Immunitas-Studie, Infektiologe Jan Fehr, dem SRF sagte, machen andere Zentren für Suchtmedizin in Europa ähnliche Beobachtungen. Die Studienmacher weisen in ihrer im Swiss Medical Weekly veröffentlichten Studie allerdings auch darauf hin, dass Forscher:innen in den USA in einer Studie das Gegenteil herausfanden. Dort hatten Drogensüchtige ein höheres Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken.

In der Schweiz erhalten rund 18 400 Personen mit Opioidabhängigkeit eine opioidagonistische Therapie (OAT) mit Morphin, Methadon, Codein, Buprenorphin oder Diacetylmorphin.

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