Die wichtigsten Fakten zum Wagner-Aufstand: 24 Stunden, die Russland in Atem hielten

Jewgeni Prigoschin, Chef der Wagner Group posiert für ein Selfie mit einem Zivilisten in Rostow am Don, Russland, 24.6.23
Jewgeni Prigoschin, Chef der Wagner Group posiert für ein Selfie mit einem Zivilisten in Rostow am Don, Russland, 24.6.23 Copyright AP/Copyright 2023 The AP. All rights reserved.
Copyright AP/Copyright 2023 The AP. All rights reserved.
Von euronews mit dpa
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
Den Link zum Einbetten des Videos kopierenCopy to clipboardCopied

Ihren Marsch nach Moskau mit Panzern und Tausenden Kämpfern hat die russische Söldnertruppe Wagner gestoppt. Etwa 200 Kilometer vor der Hauptstadt pfiff Jewgeni Prigoschin seine Truppen zurück - ebenso überraschend, wie die Blitzrevolte begonnen hatte.

WERBUNG

Rasches Ende einer Revolte: Nach einem Gewaltmarsch der Privatarmee Wagner auf die russische Hauptstadt hat Söldnerchef Jewgeni Prigoschin am Samstagabend plötzlich den Rückzug befohlen.

  • Entlang der Strecke zwischen Rostow am Don und bis 200 Km vor Moskau habe sich die Wagner Truppen zurückgezogen, sie kehren in ihre Feldlager zurück. 

  • Unter Vermittlung des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko wurde den Wagner-Kämpfern Straffreiheit zugesagt. 

  • Wagner-Gründer und Jewgenij Prigoschin könne nach Belarus ausreisen, so der Kreml.

Was wird aus der Wagner-Gruppe?

Prigoschin und seine Aufständischen bleiben straffrei, obwohl sie während des Aufstands durch den Abschuss mehrerer Hubschrauber und eines Flugzeugs mindestens ein Dutzend Piloten getötet haben sollen.

Die Privatarmee - nach Prigoschins aktuellsten Angaben etwa 25 000 Mann - wird wohl aufgelöst. Aber in der Privatarmee sind hochprofessionelle Söldner mit langer Kampferfahrung im Einsatz. Manche dienten bei den russischen Streitkräften in verschiedenen Konflikten. Andere waren bei früheren Wagner-Einsätzen dabei - etwa in Syrien, in Mali oder auch in Russlands Schattenkrieg im Donbass vor 2022. Gerade von diesen Veteranen dürften viele aus dem Dienst ausscheiden.

Viele Wagner-Offiziere haben sich bewusst gegen den Dienst bei dem durch starre Befehlsketten und Bürokratie gelähmten Verteidigungsministerium entschieden. Zudem war die Befehlsstruktur bei Wagner dezentral. Damit konnten Entscheidungen auf dem Schlachtfeld schneller getroffen werden als auf dem bürokratischen Weg der regulären Armee. Insofern schwächt das Verschwinden Wagners die russischen Streitkräfte im Krieg deutlich.

Das Kapitel der Wagner in der Ukraine dürfte vorerst beendet sein - zur Erleichterung auch in Kiew, für das die gut ausgebildeten Söldner gefährliche Gegner sind.

Was bedeutet der Ausgang für Putin?

Der Kremlchef beklagt "Verrat". Prigoschin, dessen Söldner in Afrika, Syrien und eben auch in der Ukraine wichtige Erfolge für den Kreml verbuchten, ist Putin nun von der Fahne gegangen. 

Prigoschin hat nicht nur öffentlich mit seinem langjährigen Freund gebrochen - ausgerechnet  mit Alexander Lukaschenko handelte er den Rückzug aus. Putin sieht Lukaschenko als Machthaber von seinen Gnaden. Nun kann sich Lukaschenko brüsten, dem Kremlchef die Macht gesichert zu haben. 

Was bleibt, ist aus Sicht der Politologin Tatjana Stanowaja eine weitere Erosion der Macht Putins. "Das ist eine gewaltige Niederlage für ihn."

Warum der Marsch auf Moskau?

Prigoschin hat seit Jahrzehnten gerade vom System Putin profitiert - und Putin zugleich wertvolle Dienste geleistet, in Syrien, dem Sudan oder Mali. Vom Kreml erhielt er Milliardenaufträge, galt stets als der Unantastbare - auch wegen seiner Nähe zu Putin. 

Ziel des Wagner-Chefs war es wohl, sich mit seinem Aufstand vor allem bei Putin Gehör zu verschaffen. Prigoschin habe keinen Zugang zum Präsidenten mehr gehabt, seit Monaten schon prallen die kritischen Tiraden Prigoschins wegen der Niederlagen und verlustreichen Kriegsführung in der Ukraine am Kreml ab.  Putin steht im Ruf, resistent gegen Beratung zu sein und den Kontakt zur Wirklichkeit verloren zu haben.

Der Wagner-Chef macht Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow für Missstände beim Militär verantwortlich, aber auch die schlechte Ausrüstung und vor allem den Tod von mehr als 10 000 Wagner-Söldnern.

Der mit einer vollwertigen Armee samt Panzern und Flugzeugen ausgestattete Prigoschin wollte verhindern, das Schoigu die Privatarmee - wie etwa 40 andere Freiwilligenverbände auch - bis zum 1. Juli in die reguläre Armee eingliedert zu werden.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Putins Antwort auf Aufstand: "Westen will, dass sich Russen gegenseitig umbringen"

US-Wahlen beeinflusst: Wie viel Macht hat "Putins Koch", Chef der Wagner-Söldner Prigoschin?

108 Dollar Entschädigung: Hunderte protestieren nach Flut in Orsk