Globale Unsicherheiten bedrohen das EU-Wirtschaftswachstum

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Globale Unsicherheiten bedrohen das EU-Wirtschaftswachstum
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Von Oleksandra VakulinaFanny Gauret
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Die EU-Handelspolitik im globalen Kontext von Handelsspannungen, Verunsicherung und Multilateralismus.

Der Wohlstand in der der Europäischen Union beruht auf einem freien und offenen Welthandel. Allein in der EU hängen 31 Millionen Arbeitsplätze vom Export ab. Das entspricht fast jedem siebten Arbeitsplatz in Europa. Handelsabkommen legen den Grundstein für klar geregelte, faire Handelsbeziehungen mit anderen Teilen der Welt.

Aber die Weltwirtschaft verlangsamt sich aufgrund steigender Verunsicherung und Spannungen im Handel. In dieser Folge von Real Economy analysieren wir die EU-Handelspolitik im globalen Kontext von Handelsspannungen, Unsicherheit und Multilateralismus.

"In ihrer Frühjahrsprognose ging die Europäische Kommission davon aus, dass das EU-Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr in der EU um 1,4 und im Euroraum um 1,2 Prozent wachsen werde", erklärt euronews-Reporterin Sasha Vakulina. "Im Winter ging man von einem Wachstum von 1,5 in der EU und 1,2 Prozent im Euroraum und im Herbst von 1,9 Prozent für beide aus."

Während einheimische Faktoren die europäische Wirtschaft stützen sollen, stellen globale Unsicherheiten Belastungen dar.

Fakten und Zahlen zur EU-Handelspolitik

Freier Handelsverkehr zwischen den Mitgliedern ist eines der Grundprinzipien der Europäischen Union.

Die EU-Binnenmark tist der größte Wirtschaftsraum der Welt. Zusammen machen die Mitglieder der Europäischen Union 16 Prozent der weltweiten Ein- und Ausfuhren aus.

Ein Drittel des gesamten EU-Handels im vergangenen Jahr entfiel auf die USA (17,1 Prozent) und China (15,4 Prozent). Weit abgeschlagen die Schweiz (6,7 Prozent), die den dritten Platz belegt. Das sind Daten von 2018, als die Handelsspannungen zwischen den USA und China bereits eskalierten.

Die EU ist für 80 Länder der wichtigste Handelspartner.

Der durchschnittliche Zollsatz für in die EU eingeführte Waren ist sehr niedrig. Mehr als 70 Prozent der Einfuhren gelangen ohne oder zu ermäßigten Zöllen in die EU.

Die EU profitiert davon, dass sie eine der offensten Volkswirtschaften der Welt ist, sie setzt sich für freien Handel ein. Sie arbeitet aktiv mit Ländern oder regionalen Gruppen zusammen, um Handelsabkommen auszuhandeln.

Handelsabkommen mit Japan

Eines der jüngsten Handelsabkommen ist das zwischen der EU und Japan. Es ist am 1. Februar in Kraft getreten. Damit werden ein Großteil der Zölle abgeschafft, die sich auf eine Milliarde Euro jährlich summierten.

Wie sich das auf unseren Alltag auswirkt, hat sich Fanny Gauret in Italien angesehen. Die euronews-Reporterin meint: "Unser tägliches Leben dreht sich um Essen. Ich bin nicht hier in Rom, um die italienische Küche zu probieren, sondern köstlich aussehendes Sashimi. Das Interesse an japanischen Lebensmitteln ist in den vergangenen Jahren in Italien stark gestiegen, und das auch dank der Handelserleichterung.

"Ab diesem Jahr bekommen wir so viel mehr Produkte für den Preis, den wir jetzt zahlen, dass wir eine bessere Qualität als vorher bieten können", erklärt Dabrina Bai, die Besitzerin von Shiroya.

Sie kauft die Lebensmittel bei der Importfirma Nipponia, die seit dem 1. Februar für die meisten ihrer Produkte keine Zölle mehr zahlen müssen.

Auch der Einkaufsleiter von Nipponia Bernard Journo ist zufrieden: "Diese Abkommen sind für kleine und mittlere Unternehmen wie das unsere sehr wichtig. Die Preisrückgänge haben sich deutlich auf unseren Absatz japanischer Produkte ausgewirkt. Unsere Importe sind gestiegen und das ist gut für uns."

Wie sich Zölle auf den Alltag auswirken

Japan ist der sechstgrößte Handelspartner für Europa und der viertgrößte Markt für Exporte von Agrarerzeugnissen.

Marta Sanna ist die Geschäftsführerin von Smartexport. Die Firma exportiert Lebensmittel aus Sardinien. Mit ihr besucht die euronews-Reporterin zwei ihrer Produzenten.

Die Zölle auf Agrarerzeugnisse, die nach Japan exportiert wurden, betrugen fast 40 Prozent für Rindfleisch und 15 Prozent für Wein. Sie werden für 97 Prozent der europäischen Produkte verschwinden, sobald das Abkommen vollständig umgesetzt ist. (4)

Italien ist einer der größten Weinexporteure nach Japan. Antonella Corda, Gründerin und Inhaberin der Cantina Antonella Corda erzählt: "Im ersten Jahr haben wir mit einer kleinen Menge angefangen. Das hat sich gesteigert. Aktuell macht das Geschäft mit Japan 16 Prozent unserer Exporte aus."

Laut EU-Prognosen werden auch die Milchausfuhren zunehmen. Die Geschäftsführerin von Smartimport ist davon überzeugt, ihren Käse zu exportieren, auch wenn sie noch kein Geschäft abgeschlossen hat.

"Der japanische Markt ist sehr interessant, weil die Japaner an Qualität interessiert sind", meint Marta Sanna. "Außerdem haben sie Geld zum Ausgeben. Es dauert zwar ein bisschen, ein Geschäft abzuschließen, aber wenn, dann sind das langfristige Handelsbeziehungen."

Die EU erwartet, dass das Abkommen bis 2035 33 Milliarden Euro zu ihrem BIP beitragen wird, und doch steht der Multilateralismus weltweit vor vielen Herausforderungen.

Was gefährdet den Multilateralismus?

Euronews-Reporterin Sasha Vakulina sprach in Genf mit der Geschäftsführerin des Internationalen HandelszentrumsArancha González über die Bedrohungen und Gefahren für den Multilateralismus.

Arancha González:"Multilateralismus wird heute auf zwei verschiedene Weisen bedroht. Erstens, was Multilateralismus bedeutet, es ist ein System der internationalen Zusammenarbeit, es bedeutet miteinander zu verhandeln und Vereinbarungen abzuschließen - ein Instrument zur Steuerung unserer Beziehungen. Aber es gibt auch Angriffe auf spezifische internationale Handelsregeln, die einseitige Impulse einschränken, aber diese Regeln gibt es nicht, weil wir uns schwach fühlen, sondern weil es alle Seiten stärkt. Aber die Wahl liegt heute nicht mehr zwischen Multilateralismus oder Bilateralismus - das ist die falsche Gegenüberstellung. Heute müssen wir uns zwischen Ordnung und Chaos entscheiden. Multilateralismus bedeutet Ordnung, ein System, Regeln, Vorhersehbarkeit, Transparenz. Unilateralismus bedeutet heute Chaos in unseren Volkswirtschaften. Das internationale Handelssystem muss verbessert werden. Es gibt unlautere Handelspraktiken, die angegangen werden müssen, es gibt Regeln, die geändert, die modernisiert werden müssen, aber man muss es auf kooperative Weise tun, denn sonst wird es Chaos geben."

Euronews: "Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptfaktoren der Verunsicherung in Europa?"

Arancha González: "Nummer eins ist die Unsicherheit in der Weltwirtschaft. Letztendlich kommen zwei Drittel des europäischen Wachstums aus dem Ausland, von außerhalb der EU. Es gibt also Unsicherheit in der Weltwirtschaft - sie betrifft die europäische Wirtschaft in großem Umfang. Die zweite Unsicherheit liegt innerhalb der europäischen Grenzen - Brexit. Der unvollendete wirtschaftliche und finanzielle Integrationsprozess, mit dem man sich lieber früher als später befassen sollte, um die Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stärken. Jeder Tag, der ohne eine Einigung über den Umgang mit Brexit vergeht, schafft mehr Unsicherheit, und diese Unsicherheit bedroht das Wachstum insbesondere in Großbritannien, die Zahlen werden Monat für Monat nach unten korrigiert."

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Euronews:** "Wir hatten Sie gebeten, etwas mitzubringen, um die globale Verunsicherung zu veranschaulichen. Was haben Sie dabei?

Arancha González: "Ich habe meine Kristallkugel mitgebracht! So fühlen sich Unternehmen und Regierungen heute: Sie haben das Gefühl, dass ihre Zukunft so unsicher ist, wie in eine Kristallkugel zu schauen. Meiner Meinung nach würden sie lieber in einer berechenbaren Welt leben. Vergessen wir also die Kristallkugel und bauen wir Institutionen und Regeln auf, die Stabilität, Transparenz und Sicherheit garantieren."

Weitere Quellen • Kamera: Christophe Obert, Marc Seeman; Motion Design: NEWIC

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