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"Hüter der Meere": Wie Fischer mit weniger Fang mehr verdienen

Mit Unterstützung von The European Commission
"Hüter der Meere": Wie Fischer mit weniger Fang mehr verdienen
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Von Denis LoctierSabine Sans
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Handwerkliche Fischerei (Small-scale fisheries (SSF) ) spielt im Mittelmeer- und Schwarzmeerraum eine entscheidende Rolle: Sie macht 83 Prozent der Flotte, 57 Prozent der Arbeitsplätze an Bord der Schiffe, 29 Prozent der Einnahmen und 15 Prozent der Fänge aus.

Fischerei im Schatten: Von der Politik übersehen, stehen Kleinfischer vor wachsenden Herausforderungen. Handwerkliche Fischerei (Small-scale fisheries (SSF) ) spielt im Mittelmeer- und Schwarzmeerraum eine entscheidende Rolle: Sie macht 83 Prozent der Flotte, 57 Prozent der Arbeitsplätze an Bord der Schiffe, 29 Prozent der Einnahmen und 15 Prozent der Fänge aus. Dabei haben Kleinfischer oft nur begrenzten Zugang zu Sozialschutzprogrammen und Förderungen, und ihre Fänge werden nicht immer angemessen überwacht.

"Mein ganzes Leben lang, seit ich klein war, habe ich die Boote der Fischer auf dem Meer direkt vor meinem Haus beobachtet - ich habe mir vorgestellt, dass ich eines Tages einer von ihnen bin", erzählt der Scampi-Fischer Šime Barić von Roza fishing. "Das Fischen hat mich immer fasziniert, ich liebe es, auf dem Meer zu sein."

Šime Barić fängt im Velebit-Kanal Langusten - auch als Scampi bekannt. Sie gehören zu den wertvollsten Meeresfrüchten Kroatiens. Trotzdem fängt der Fischer weniger. Aufgrund der Größe seines Boots und seiner Ausrüstung ist er ein "Kleinfischer". In politischen Debatten stehen diese handwerklichen Fischer oft im Schatten der großen Fischereiindustrie. In kleinen Küstengemeinden wie Šimes Dorf Barić Draga spielen sie jedoch eine wichtige Rolle, sowohl kulturell als auch wirtschaftlich. Laut Šime Barić gibt es in der Gegend keine anderen Einkommensquellen als den Fischfang: "Das ist vielleicht die einzige Möglichkeit, hier das ganze Jahr über zu arbeiten und etwas Geld zu verdienen", meint er. 

Bei günstigem Wetter kontrolliert er an jedem zweiten Morgen seine Reusen - das sind die Käfige, mit denen die Langusten am Meeresboden gefangen werden. Šime Barić ist es wichtig, nachhaltig zu fischen: 

"Es ist sehr wichtig, dass in diesem Kanal keine Grundschleppnetze eingesetzt werden - wir ziehen die Netze nicht über den Meeresboden. Alle Scampi aus diesem Gebiet werden mit selektivem Fanggerät gefangen - das heißt, es werden nur größere Exemplare gefangen, die nicht durch die Maschen kommen. Der Meeresboden bleibt intakt, und die Langusten kommen unbeschädigt und mit minimalem Stress aus dem Netz, sodass es sich um ein erstklassiges Produkt handelt."

Neue Methoden für nachhaltigen Fischfang

Marina Mašanović ist Ozeanologin von der Universität Zagreb. Die Tochter eines Fischers hilft Fischern wie Šime Barić im Rahmen ihres Promotionsprojekts, ihre Reusen noch selektiver zu gestalten: Man will vermeiden, kleinere Scampi zu fangen, die zwar legal sind, aber so billig, dass sich der Aufwand nicht lohnt. 

"Ich habe dank einer Analyse die optimale Maschenweite gefunden, die Fischer müssen den Fang nicht mehr sortieren - sie fangen nur größere Exemplare, die sich am besten für den Markt eignen", erklärt die Doktorandin der  Ozeanologie. 

Šime Barić schmeißt auch alle weiblichen Langusten zurück ins Meer - selbst die größeren, die er leicht für 35 € pro Kilo verkaufen könnte. Jedes dieser Weibchen kann tausend Eier tragen - für den Fischer bedeutet das Aussetzen größere Fänge in der Zukunft. 

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Der Fischer schmeißt alle Eier tragende Weibchen zurück ins Meereuronews

"Die derzeitige Verordnung schreibt das zwar nicht vor – aber einige Fischer machen das aus eigener Initiative", erklärt Marina Mašanović. "Es würde viel bedeuten, wenn es gesetzlich verboten wäre, Eier tragende Weibchen zu fangen."

Nachhaltige Fischerei hat ihren Preis

Die Entscheidung, weniger zu fangen, hat ihren Preis - neue selektive Fanggeräte zum Beispiel können teuer sein. EU-Unterstützung nutzend, helfen NGOs wie der WWF Fischern bei dieser Umstellung. Das kommt auf lange Sicht sowohl der Umwelt als auch den Kleinfischern selbst zugute. Nachhaltig gefangene Fische und Meeresfrüchte haben einen höheren Wert und eignen sich besser für teurere Restaurants – Fischer, die einen selektiveren Ansatz wählen, arbeiten weniger und verdienen dabei mehr Geld.

"Wir bringen sie mit dem Markt zusammen. Wir gründen Kooperativen, wir erstellen Geschäftspläne für sie. Wir bauen Marken auf, Marken, die die Kunden erkennen und schätzen", sagt Fabijan-Hrvatin Peronja, Projektleiter, WWF Adria. "Auf diese Weise unterscheiden wir diese nachhaltig arbeitenden Fischer von den anderen Fischern. Die Fischer, die vom Meer leben, sollen die Hüter des Meeres sein, um diese Lebensquelle für zukünftige Generationen zu schützen."

Mit dieser Unterstützung haben die lokalen handwerklichen Fischer eine nachhaltige Fischereigenossenschaft gegründet und sind dabei, einen Fischmarkt in Ražanac zu eröffnen. Für den WWF sind solche Beispiele ein Beweis dafür, dass mit der richtigen Unterstützung mehr Kleinfischer im gesamten Mittelmeerraum es vorziehen könnten, weniger zu fischen und mehr zu verdienen - und damit zur Erholung der Fischpopulationen beizutragen und gleichzeitig ihre Arbeitsplätze und ihr berufliches Erbe zu erhalten. 

Marco Costantini, Projektleiter Fischerei beim WWF-Programmbüro Mittelmeer: "Wir wollen zeigen, dass eine nachhaltige Art des Fischfangs möglich ist, indem man Kleinfischer direkt vor Ort unterstützt oder ihnen beim Aufbau von Kooperativen hilft - so können sie europäische Mittel für die Meeres-, Fischerei- und Aquakulturwirtschaft beantragen, um ihre Schiffe zu modernisieren, ihre Netze zu wechseln und die Selektivität zu erhöhen."

Weitere Lösung: Fischerei-Tourismus

Es gibt auch andere Lösungen. In einigen touristischen Gebieten erfinden sich handwerkliche Fischer als Fremdenführer neu – wie Christos und Lea auf der griechischen Insel Kythnos: Nachdem die Fangmengen in der Region stark zurückgegangen sind, hat dieses Fischer-Ehepaar ein Unternehmen für Fischerei-Tourismus gegründet. 

"Das Problem hier ist die Überfischung. Durch die vielen Boote, die Tag für Tag ihre Netze auswerfen und einholen, wird der Fisch immer knapper", meint der Fischer und Fremdenführer Christos Iliou. "Generell ist der Fischbestand auf der ganzen Insel stark rückläufig. Jedes Jahr wird es schlimmer. Die Fischerei ist der einzige Beruf, den ich persönlich kenne. Aber jetzt können wir dank des Fischerei-Tourismus wieder aufs Meer fahren - das Meer, das ich liebe." 

Während der Bootstour lernen Touristen, wie handwerkliche Fischer arbeiten und sich um das Wohlergehen des Meeres sorgen. Außerdem fangen sie gerade genug Fisch für ein leckeres Mittagessen an Bord. Es ist nicht billig - eine Gruppe von 4 Touristen zahlt 400 € für eine 5-stündige Fahrt - aber viele sind der Meinung, dass das einzigartige Erlebnis den Preis wert ist.

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Der selbstgefangene Fisch wird gleich auf dem Boot zubereitet.euronews

"Das ist eine schöne Sache, aber viele Touristen kennen das nicht", so Evangelia (Lia) Kountouraki, Fischerin und Fremdenführerin auf Kythnos. "Sie besuchen die Insel und wissen nichts von dieser Möglichkeit. Das müssen wir ändern, denn es ist wirklich eine schöne Erfahrung."

Eine weitere Möglichkeit für Kleinfischer, weniger zu fangen und gleichzeitig mehr zu verdienen, ist der Übergang zum Fischerei-Tourismus, der auch von der EU und dem WWF unterstützt wird. 

"Man braucht eine spezielle Erlaubnis, um Fischerei-Tourismus zu betreiben", erklärt Michalis Margaritis, Projektleiter beim WWF Griechenland. "Man muss bestimmte Veränderungen an seinem Boot vornehmen, wofür man etwas Geld braucht. Und die Fischer müssen neue Dinge lernen, denn der Tourismus ist eine Tätigkeit, mit der sie nicht vertraut sind. Deshalb haben wir im Rahmen unseres Programms Seminare für Fischer organisiert, um sie über den Fischerei-Tourismus und die Möglichkeiten, sich in diesem Bereich zu engagieren, zu informieren."

Kleinfischer machen die Hälfte aller Arbeitsplätze im europäischen Fischereisektor aus. Sie brauchen Unterstützung, um die wachsenden wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen zu bewältigen. Marco Costantini, Projektleiter Fischerei beim WWF-Programmbüro Mittelmeer, sagt:

"Ein Großteil der Investitionen und die Aufmerksamkeit der Regierungen sind auf die industrielle Großfischerei gerichtet. Die kleinen Fischer stehen im Schatten. Um sich in nachhaltige Kleinfischer zu verwandeln, brauchen sie Unterstützung. Es gibt einige Dinge, die man tun kann, aber wir brauchen ein abgestimmtes Zusammenspiel zwischen Fischern, Wissenschaftlern, NGOs und Entscheidungsträgern, die alle gemeinsam an der Umgestaltung des Fischereisektors beteiligt sind."

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