Wer hat Angst vor Schweizer Franken?

Wer hat Angst vor Schweizer Franken?
Von Euronews
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Schnee, Sonne und blauer Himmel… Groß und Klein stehen auf den Brettern und wagen eine Abfahrt. Winterurlauber auf den Pisten, eigentlich ganz

Schnee, Sonne und blauer Himmel… Groß und Klein stehen auf den Brettern und wagen eine Abfahrt. Winterurlauber auf den Pisten, eigentlich ganz normal, aber in der Schweiz ist das seit der Preisexplosion des Schweizer Franken gegenüber dem Euro bemerkenswert.

Mitte Januar kippte die Schweizer Nationalbank den Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro.
Leidtragende der Änderung ist die Schweizer Tourismusindustrie, denn sie ist jetzt doppelt so teuer wie ihre Konkurrenten in der Eurozone.

Die Skistation Grächen hat eine Lösung gefunden. Berno Stoffel, CEO der Grächen AG, erklärt:
“Der Tourismussektor ist stark getroffen, denn wir werden wie ein Exportsektor behandelt. Aber wir produzieren in der Schweiz. Wir können unsere Produktion nicht woandershin verlagern. Wir haben unseren Kunden ein Angebot gemacht, vor allem den Kunden, die aus dem Ausland kommen aus Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Belgien. Wir haben einen stabilen Kurs eingeführt von einem Euro für 1,35 Franken. Wir haben keine Stornierungen, im Gegenteil. Für das Ende der Saison an Ostern haben wir viele Reservierungen. Die Menschen profitieren und kommen weiterhin.”

Mehrere Geschäfte in Grächen nehmen an der Initiative teil. Für die Urlauber bedeutet das interessante Preise, wenn sie in Euro oder Bar zahlen. Die Geschäftsinhaber verfügen über eine Euroreserve, mit der sie einen Teil ihrer Investitionen bezahlen können.

Das Hotel Hannigalp etwa konnte so Material, das für die Renovierung gebraucht wurde, billiger erwerben. Qualität, Service und ein interessanter Wechselkurs, das sei das Geheimrezept, erklärt der Direktor des Hotels, um weiter Kunden aus der Eurozone anzulocken. Die Barzahlung macht zum Teil die Preissenkung wieder wett. “Wenn die Kunden online reservieren, haben wir immer Kosten. Sie betragen auf den Internetseiten zwischen 15 und 20 Prozent. Wenn sie die Euros bar bekommen, dann entfallen die Gebühren für die Kreditkarten. Das Geld kommt direkt ins Haus,” so Olivier Andenmatten, Manager des Hotels Hannigalp.

Der brutale Anstieg des Schweizer Franken nach der Entscheidung der Nationalbank hat die Wirtschaft des Landes dennoch stark getroffen. Vor allem die Exportunternehmen und ihre Zulieferer, die rund die Hälfte des Bruttoinlandproduktes des Landes produzieren, bekommen die Änderung zu spüren. Das Unternehmen Rüeger SA stellt Temperatur- und Druckmessgeräte her. 90 Prozent der Produktion werden exportiert. Geschäftsführer Bernard Rüeger erzählt: “Es hat sich sofort ausgewirkt. Als erstes auf die noch offenen Rechnungen, für die die Zulieferer vor dem 15. Januar bezahlt wurden, und die wir erst jetzt einkassiert haben. Da hatten wir einen sofortigen Verlust in Höhe von 20 Prozent. Auf lange Sicht mussten wir schnell Maßnahmen ergreifen, um weiterhin gegenüber unseren französischen oder deutschen Kollegen konkurrenzfähig zu bleiben. Denn sie sind 20 Prozent billiger als wir. Wir mussten also sofort alle unsere Preise senken. Wir brauchen zwei bis drei Jahre, um einen solchen Schock zu verdauen. Es wird für uns sehr schwierig sein mit dieser Entscheidung der Nationalbank zurechtzukommen.”

Die Schweizer Konjunkturexperten haben ihre Prognosen nach unten korrigiert. Sie erwarten vier Mal weniger Wachstum für das Jahr 2015. Viele Unternehmen fürchten, dass sie ihre Erweiterungsprojekte erst einmal auf Eis legen müssen. Claudine Amstein von der Handelskammer des Kanton Waadt erklärt: “Die Unternehmen haben nur eine Lösung heute, um konkurrenzfähig zu bleiben. Sie müssen eine Gesamtanalyse ihrer Kosten machen. Man muss z.B. herausfinden, ob man einen Zulieferer aus der Eurozone finden kann oder ob der Prozess verbessert werden kann, um die Kosten zu senken. Und dann wird auch noch über die Löhne nachgedacht. Soll man die Lohnerhöhungen auf Eis legen oder soll man die Leistungen, die man den Mitarbeitern anbietet, senken?”

Lohnkürzungen, Streichung der Boni, und Bezahlung in Euro der Arbeiter, die in der Nähe der Grenze arbeiten – all das erwägen die Unternehmen.

UNIA, die größte Gewerkschaft des Landes, beobachtet die Situation mit Sorge: “Immer mehr Unternehmen setzen ihre Angestellten unter Druck. Sie wollen die Löhne kürzen, die Löhne in Euro auszahlen oder die Arbeitszeiten erhöhen. Es ist ungerecht alles auf die Angestellten abzuwälzen. Das ist keine Lösung. Im Gegenteil, das wird die wirtschaftlichen Probleme nur verstärken, denn die Nachfrage im Land wird sinken und so für weitere Probleme sorgen,” so Vania Alleva, Co-Vorsitzende von UNIA.

In den Schweizer Grenzgebieten wird die Nachfrage zudem von Hamsterkäufen in den EU-Ländern bedroht. Die kleinen Geschäfte und die großen Ketten versuchen mit Sonderangeboten weiter attraktiv für ihre Kundschaft zu bleiben. Die Schweizer Händler, die Importprodukte aus der Eurozone anbieten, geben den Preisnachlass an ihre Kunden weiter.

Sergio Protopapa, Autohändler in Fribourg, war Anfang des Jahres mit einem plötzlichen Kundenrückgang konfrontiert. Und mehrere Großbestellungen wurden erst einmal auf Eis gelegt.
Protopapa zufolge wirkt der “Swiss netto” Bonus von 15 Prozent. Er sagt: “Wir hatten ihn aber auch nötig. Wir sind guten Mutes, dass wir da wiederaufholen können. Aber es ist klar, pro Einheit die wir verkaufen, machen wir auch 15 Prozent weniger Umsatz. Und das sollten wir mit Mehrverkäufen kompensieren können.”

Der starke Schweizer Franken gegenüber Euro und Dollar sorgte auch für Panik bei den Privatbanken, die vor allem Kunden aus dem Ausland haben. Die Bank Julius Baer kündigte die Entlassung von 200 Angestellten an. Michel Dérobert, der Direktor des Verbands der Schweizer Privatbanken, scheint es gelassen zu nehmen: “Die Privatbanken sind Exportunternehmen. Es gibt also Auswirkungen, denn ihre Grundkosten befinden sich in der Schweiz und ihre Gewinne werden zum Teil in ausländischen Währungen gemacht. Es ist also für die Wirtschaft sehr hart mit einer starken Währung zurechtzukommen. Aber es ist auch von Vorteil, denn dadurch wird man dazu gezwungen sich in Bereichen zu spezialisieren, die einen starken Mehrwert erzeugen.”

Die Schweiz ist berühmt für ihre wertvollen Uhren von hoher Qualität. Der Luxusuhrenhersteller Hublot hat so gut wie keine Verluste zu verzeichnen. Denn ihre Uhren seien einzigartig und konkurrenzlos. Jean-Claude Biver, der Geschäftsführer der Firma, kommt ins Schwärmen, wenn er über seine Uhren spricht: “Es steckt Ewigkeit in einer Uhr! Das ist kulturelles Erbe und kulturelles Erbe stirbt nie!”

Er ist sich sicher, dass die Schweizer trotz des starken Franken am Ende profitieren werden. “Die Schweizer sind dazu verdammt ihre Produkte immer zu verbessern. Immer innovativ, kreativ zu sein und immer die beste Struktur, die beste Organisation zu finden, um den profitabelsten Preis zu haben. In jeder Niederlage steckt der Keim des nächsten Erfolgs! An ihm muss man dranbleiben, um zum nächsten Erfolg hochzukommen,” so Biver.

Die Schweizer Experten hoffen zudem auf ein baldiges Wachstum in der Eurozone, denn davon würden auch die Exportunternehmen in der Schweiz profitieren.

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