Mehr Schutz vorm Terror durch einen einzigen, europäischen Geheimdienst?

Mehr Schutz vorm Terror durch einen einzigen, europäischen Geheimdienst?
Von Euronews
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Louis Caprioli, früher für die Terrorabwehr in Frankreich verantwortlich, über Radikalisierung in den Gefängnissen und die Arbeit der Geheimdienste

Wie kann man die Radikalisierung in den Gefängnissen in Europa stoppen und effizienter bei der Terrorabwehr arbeiten? Wir fragten Louis Caprioli, einen französischen Geheimdienst-Experten und Spezialisten für Islamistennetze in Europa und Nordafrika. Er war von 1998 bis 2004 einer der Verantwortlichen für Frankreichs Terrorismusabwehr.

Sophie Claudet, euronews:
“Herr Caprioli, haben Sie auch eine Radikalisierung in den Gefängnissen bemerkt, und wenn ja, was kann man dagegen tun?”

Louis Caprioli:
“Die Radikalisierung ist leider ein geschichtliches Phänomen, das bis auf die Festnahmen islamistischer Terroristen in den neunziger Jahren zurückgeht. Damals war man sich dieses Phänomens nicht bewusst, denn man hat verurteilte Terroristen mit anderen Häftlingen in dieselbe Zelle gesteckt. Und von den neunziger Jahren an hat sich das unaufhörlich ausgebreitet – wir hatten eine Radikalisierung von Häftlingen, die wegen anderer Straftaten verurteilt worden waren, durch Mithäftlinge, verurteilte Islamisten, die, sagen wir mal, Prestige hatten, eine Aura, weil sie gekämpft oder einen Anschlag verübt hatten.

Um diesem Phänomen ein Ende zu setzen, bräuchte man erhebliche Geldmittel, um Terroristen und andere Strafttäter völlig voneinander zu trennen. Man bräuchte viel Geld, man bräuchte geeignetes Personal, aber ich glaube nicht, dass man mit der Deradikalisierung im Gefängnis anfangen kann, denn die Leute werden dorthin ja oft wegen schwerer terroristischer Verbrechen hingeschickt. Man muss also überlegen, was man dagegen tun kann, nicht nur auf französischer Ebene, sondern auf internationaler – mindestens auf europäischer Ebene.”

euronews:
“Sprechen wir über diese neue terroristische Bedrohung, die man seit einigen Jahren auf europäischem Boden sieht. Sie hat viele Formen, es gibt weder ein Täterprofil hinsichtlich des Alters, noch des sozialen Milieus.”

Louis Caprioli:
“Die Personen, die niemals auf dem Radar der Aufklärungsdienste auftauchten, sind eine kolossale Herausforderung. Denn jeder Beliebige kann sich in einem bestimmten Moment radikalisieren, weil er im Internet ein Video anschaut, und dann mit seinem Laster oder Auto zur Tat schreiten. Das ist unabwendbar.

Daneben haben wir diese kolossale Aufgabe, die sozialen Netzwerke zu kontrollieren. Und damit kommen wir auf die Auswertung der Meta-Daten. Und sei es nur in Frankreich: Wir müssten so etwas aufbauen wie in Großbritannien, einen einzigen Nachrichtendient, der diese Informationen auswertet, ein bisschen wie die amerikanische NSA, in Großbritannien sind es die Government Communications Headquarters. In Frankreich haben wir schon zwei Dienste – den Inlandsgeheimdienst “DGSI:“https://de.wikipedia.org/wiki/Direction_g%C3%A9n%C3%A9rale_de_la_s%C3%A9curit%C3%A9_int%C3%A9rieure und den Auslandsgeheimdienst DGSE, die diese Daten auswerten. Meiner Ansicht nach müssten alle zusammenarbeiten, es sollte nur einen einzigen Dienst geben. Vielleicht wäre es nötig, auf europäischer Ebene einen Dienst zur Datenauswertung einzurichten. Aber da greift man dann wieder in die nationale Souveränität ein. Deshalb bezweifele ich, dass wir so einen einzigen Organismus schaffen können, der wenigstens die Meta-Daten auf europäischer Ebene auswertet. Und er wäre auch nur eine Antwort, nicht die einzige Antwort.”

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