"Niemand hat es bereut" - Carla Del Ponte zum Mladic-Urteil

"Niemand hat es bereut" - Carla Del Ponte zum Mladic-Urteil
Von Stefan Grobe
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Das Kriegsverbrecher-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien ist nicht denkbar ohne eine Frau : Carla Del Ponte. Unter der Führung der Tessinerin, die sich zuvor als Mafiajägerin einen Namen gemacht hatte, gelang es der internationalen Justiz, die Täter zur Verantwortung zu ziehen.

Del Ponte geniesst weltweit Respekt und Anerkennung. Das Urteil im Mladic-Prozess war für Euronews Anlass, mit ihr ein Gespräch zu führen

Euronews: Im Studio in Lugano begrüsse ich nun Carla Del Ponte, die frühere Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien, herzlich willkommen. Frau Del Ponte, Sie haben die entscheidende Vorarbeit zur Verhaftung von Ratko Mladic geleistet, auch wenn dieser erst 2011, nach Ihrem Ausscheiden gefasst wurde. Wenn Sie jetzt das Urteil gegen ihn hören, was geht da in Ihnen vor?

Del Ponte: Ich bin sehr zufrieden, ich bin sehr zufrieden für die Opfer, denn Mladic ist der höchst Verantwortliche nachdem Milosevic gestorben ist, für die Verbrechen, die begangen worden sind während des Krieges, dass er doch schlussendlich verurteilt worden ist und dass er lebenslänglich bekommen hat.

Euronews: Sie haben gegen zahlreiche Kriegsverbrecher ermittelt, früher auch gegen Mitglieder der Mafia, wenn diese Täter im Verhör vor Ihnen sassen, wie wirkten sie auf Sie? Gab es da bisweilen Reue, Verbitterung? Was waren das für Menschen?

Del Ponte: Wenn Sie sprechen, aber sie haben wenig gesprochen, dann spürt man diese Ideologie, diese Rassendiskriminierung und natürlich niemand hat es bereut. Ich habe nur einen Täter, der es bereut hat und natürlich eingestanden hat seine Verbrechen, und er hat dann Suizid begangen im Gefängnis. Sonst, alle anderen, niemand hat es bereut. Sie fühlen sich als Helden, und sie opfern sich auf, indem sie diese Strafen absitzen.

Euronews: Das Ex-Jugoslawien-Tribunal war ja ausgesprochen erfolgreich verglichen mit dem Ruanda-Tribunal oder dem Sudan-Tribunal – warum? Lag das an einem grösseren Medieninteresse, waren die Ressourcen grösser, was waren die Gründe?

Del Ponte: Die Hauptgründe waren, dass der politische Wille da war von der Staatengemeinschaft, denn keine internationale Justiz ist möglich, wenn der politische Wille der Staaten nicht da ist. Und wir sehen es jetzt mit Syrien: Der Sicherheitsrat kann nicht entscheiden für den internationalen Gerichtshof, und so ist totale Impunität.

Euronews: Sie selbst haben neben Ihren Ermittlungen was das ehemalige Jugoslawien angeht, bisweilen auch gegen die Staatsräson ankämpfen müssen, bisweilen auch gegen die Medien. Was war denn Ihre frustrierendste Erfahrung als Chefanklägerin?

Del Ponte: Ich glaube, die frustrierendste Erfahrung war der plötzliche Tod von Milosevic. Wir waren am Ende des Prozesses, ich hatte einen Teil meiner Anklageschrift schon vorbereitet, und dann ist er so gestorben wie ein Engel in seinem Bett – also das war frustrierend!

Euronews: Wenn Sie auf die Abrbeit des Jugoslawien-Tribunals zurückblicken, was hätte man besser machen können oder was ist besonders gut gelungen?

Del Ponte: Gut gelungen ist, dass man den Gerichtshof zustande gebracht hat. Das Tribunal ist gut organisiert und funktioniert. Es ist ein gutes Instrument für die internationale Justiz, und wir haben es bewiesen im ICTY. Was man besser machen könnte, ist die Strafverfahrensordnung, damit die Prozesse nicht mehr so lange dauern, denn es ist nicht notwendig, dass die Prozesse so lange dauern. Und das kann man dann in der Zukunft doch besser machen. Aber die Institution als solche ist fantastisch.

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