Litauen: Musterschüler führt Euro ein

Litauen: Musterschüler führt Euro ein
Von Euronews
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Wir sind dieses Mal in Litauen. Das Team von Real Economy will wissen, welche wirtschaftlichen Folgen die Einführung des Euro im Januar 2015 für das

Wir sind dieses Mal in Litauen. Das Team von Real Economy will wissen, welche wirtschaftlichen Folgen die Einführung des Euro im Januar 2015 für das baltische Land haben wird.

Wir sprechen mit dem litauischen Ministerpräsidenten über die neuen Chancen sprechen, die sich mit dem Euro bieten.

Wir werden dem Chef der Zentralbank die Fragen stellen, die die Menschen im Zusammenhang mit der Währungsunion beschäftigen.

Und wir fahren nach Polen, um die unterschiedlichen Einstellungen gegenüber der Währungsunion zu verstehen.

Die litauische Wirtschaft wächst nach einigen ernsthaften wirtschaftlichen Problemene seit 2011. Prognosen erwarten das Selbe für das Brutto-Sozialprodukt. Die Inflation ist gestoppt, die Arbeitslosigkeit sinkt und die öffentliche Verschuldung ist niedrig.

Schauen wir uns das 19. Beitrittsland zur Eurozone einmal genauer an: Das Großherzogtum Litauen war im vierzehnten Jahrhundert das größte Land in Europa. Es erstreckte sich über das Territorium des heutigen Litauens und Weißrusslands, zu ihm gehörten auch Teile der heutigen Ukraine, Polens und Russlands.

1990 war Litauen die erste Sowjetrepublik, die sich für unabhängig erklärte. 2004 trat das Land dann der EU bei. Es ist zudem in der NATO.

Litauen grenzt an Polen, Lettland, Weissrussland und die Oblast Kaliningrad. 84 Prozent der Einwohner sind ethnische Litauer, sechs Prozent sind Polen, fünf Prozent Russen.

Litauen führte nach dem Ersten Weltkrieg 1922 den Litas als Währung ein. Die Währung kam dann 1993 wieder, als das Land den Rubel abschaffte.

Der Litas war ab 1994 an den Dollar gekoppelt und ab 2002 an den Euro. Doch wegen der hohe Inflation und der Wirtschaftskrise wurde dem Land 2007 die Aufnahme in die Eurozone verweigert.

Nun erfüllt Litauen die Konvergenzkriterien und wird am 1. Januar 2015 den Euro einführen.

Die Sorgen der Litauer

Wenn es in einem Land zu einer Währungsumstellung kommt, schwingen immer auch gleich Inflationsängste mit.

Doch durch doppelte Preisangaben können die Menschen sehen, ob die Produkte wirklich teurer werden.

Sorgen wegen der Zinssätze sind ein weiteres Thema. Doch die sollten nach der Währungs-Union eigentlich sinken.

Und kommen wir zu den Arbeitsplätzen: Mittelfristig werden es mit dem Euro wohl mehr. Langfristig wächst ihre Zahl allerdings nur durch Strukturreformen.

In Litauen richten sich jetzt alle Augen auf den 1. Januar, dann werden die Leute den Euro in der Hand halten.

Die ersten fünfzehn Tage des Jahres werden die neue und die alte Währung gemeinsam im Umlauf sein.

Banken und Postämter sind auf die Euro-Einführung eingestellt. Händler und einfache Bürger können sich die neuen Münzen bereits an den Schaltern abholen.

Einige Händler haben sich verpflichten, die Euro-Einführung nicht als Vorwand für höhere Preise zu nutzen.

Die Preise von vierzig Waren und Dienstleistungen werden ohnehin überwacht, die Regierung hat zusätzlich weitere einhundert auf die Beobachtungs-Liste gesetzt.

Euronews sprach mit dem Vorstandschef der litauischen Zentralbank, Vitas Vasiliauskas, über die Euro-Einführung und die Folgen für die Preise.

“Die jüngsten Daten haben wir aus Lettland”, so Vasiliauskas. “Dort stiegen die Preise durch die Einführung um 0.1 Prozent. Das erwarten wir auch für Littauen. Und denken sie daran, dass die Löhne und Gehälter um etwa 4 bis 5 Prozent steigen werden.”

Der Verlust einer unabhängigen Währung, das ist ein weiteres sensibles Thema bei den Leuten. Dazu der Vorstandschef: “Wir haben seit 2002 einen festen Wechselkurs gegenüber dem Euro. Das heißt, wir haben keine unabhängige Währungspolitik. Faktisch haben wir schon längst den Euro.”

Soviel zur Geldpolitik aber wie ist der Standpunkt der Regierung? Euronews sprach mit dem litauische Premierminister Algirdas Butkevičius.

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“Herr Ministerpräsident, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Was ändert sich in Litauen mit der Euro-Einführung? In der Vergangenheit floss Kapital ab, es gab Inflationsängste. Was hat sich geändert, wird es so etwas künftig nicht mehr geben?”

Algirdas Butkevičius

“Nach der Wirtschaftskrise, von der wir von 2009 bis 2012 betroffen waren, wurden strike Maßnahmen getroffen, was die Finanzmarktkontrolle angeht und eine Verringerung des Haushaltsdefizits. Wir bauten den Energiesektor um, und konnten so die Energiepreise senken.”

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Denken Sie, sie sind ein wenig zu sehr abhängig von der Währungspolitik?

Algirdas Butkevičius

“Sicherllich. Aber nicht nur von der Währungspolitik. Ein großes Problem für uns ist, dass viele junge Menschen Litauen während der Wirtschaftskrise verlassen haben. Es gab eine große Auswanderung.”

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“Lassen Sie uns über die Frage der Löhne und der Arbeitsmarktreformen sprechen, das dürfte die Auswanderer interessieren.”

Algirdas Butkevičius

“Die Löhne in Litauen waren im EU-Vergleich die niedrigsten. Doch sie beginnen zu steigen, ungefähr um 4 bis 5 Prozent. Ich befürchte nur, dass die Arbeitsproduktivität ein wenig hinterherhängt.

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Hängt das mit einer alternden Gesellschaft zusammen, die nicht arbeiten kann? Wird sich das Sozialsystem also verändern?

Algirdas Butkevičius

“Ja, sie haben ein für uns sehr wichtiges Thema angesprochen, den demokrafischen Wandel. die Entwicklung sieht so aus, dass es jedes Jahr mehr und mehr ältere Menschen gibt, die Anspruch auf eine Rente haben bzw. die nur schwer in den Arbeitsmarkt vermittelt werden können, denn dort werden hohe Qualifikationen verlangt. Das ist ein wichtiger Punkt hinsichtlich unserer künftigen Perspektiven und der strukturellen Reformen.”

Wir werden unser Gespräch mit dem Ministerpräsidenten gleich fortsetzen aber zunächst lassen sie uns über die Grenze fahren, in ein Land, dessen Wirtschaft sich sehr gut entwickelt. Die Rede ist von Polen. Dort überlegt man, ob man den Euro einführen soll. Sarah Cjappell fuhr nach Warschau, für eine weihnachtliche Debatte.

Monika Zochowska führt ein mit Preisen ausgezeichnetes Kosmetik Start-up. Ihre Firma exportiert nach Europa und darüber hinaus. Die Debatte, ob man der Eurozone beitreten soll oder nicht, ist in ihrem Land in vollem Gange. Sie meint, momentan sei es besser nicht dazuzugehören.

“Im Moment ist es besser, wenn wir den polnischen Zloty behalten, wenn wir in Zloty produzieren und in Euros verkaufen”, so Monika Zochowska. “Die Arbeitskosten sind bei uns jetzt niedriger aber wenn wir der Eurozone beitreten, werden die Löhne steigen. Unser Unternehmen wird sich bis dahin weiterentwickelt haben, für uns wird das kein großes Problem. Aber für die Firmen, die noch am Anfang stehen, wird das einen riesen Unterschied machen.”

Umfragen zeigen, dass zwei Drittel der Polen gegen den Euro sind. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Wirtschaft auch ohne die Währung schnell gewachsen ist. Polen war das einzige EU-Mitgliedsland, das nicht von der Finanzkrise getroffen wurde.

Aber das Land kämpft mit seinen eigenen Problemen. Das Brutto-Inlandsprodukt liegt bei etwa einem Drittel des Durchschnitts in der Eurozone. Die Inflationsrate liegt unter null.

Die Weltbank glaubt, dass wenn Polen schließlich der Eurozone beitreten wird, die Vorteile deutlich überwiegen werden. Dazu Marcin Piatkowski von der Weltbank: “Es kann Polen helfen, denn es mehr Investitionen und eine größere wirtschaftliche Stabilität geben. Und es wird mehr Technik eingesetzt werden.”

Polen hat bereits erklärt, dass es dem Euro beitreten will, wenn es bereit dafür ist. Viele Polen wollen aber erst eine vollständige wirtschaftliche erholung in der gesamten Eurozone abwarten. Und das Land hat selbst noch einen langen Weg vor sich.

“Polen muss seine Hausaufgaben machen, bevor es der Eurozone beitreten kann”, so Marcin Piatkowski. “Es muss flexibler werden und wettbewerbsfähiger. Das sind die Lehren aus der Krise.”

Analysten glauben, dass nicht nur die Wirtschaft Polen näher an Brüssel heranbringen wird, sondern auch die Geo-Politik, genauer der Ukraine-Konflikt. Die polnische Regierung erklärte bereits, das Land sehe sich mit der größten Bedrohung seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert.

Fortsetzung Interview mit dem Ministerpräsidenten Algirdas Butkevicus

euronews:

Herr Ministerpräsident, in Polen wird noch darüber debattiert, ob man den Euro einführen soll. Welche Vorteile bringt der Euro für Litauen, wenn es um die Sicherheit und die Wirtschaft geht?

Algirdas Butkevicus

Sicherlich, es war eine große Herausforderung, als wir uns vor einem Jahr für die Euro-Einführung entschieden. Für uns ist es sehr wichtig, dass alle Baltischen Staaten die gleiche Währung haben, den Euro.

Der Euro ist außerdem wichtig, weil die Fremdkapitalkosten ein Posten in den nationalen Haushalten sind. Borgt man sich also Geld zu geringeren Zinsen, verringern sich die Kreditausgaben.

euronews

Bedarf es einer Richtungsänderung in ihren Wirtschaftsbeziehungen zu Russland?

Algirdas Butkevicus

Wenn wir über die wirtschaftliche Entwicklung sprechen, über deren Zukunft und unsere Beziehungen zu Russland, dann möchte ich sagen, dass wir jetzt sehr intensiv mit den westeuropäischen Märkten zusammenarbeiten.

Wir suchen nach Kontakten mit anderen Ländern und unterzeichnen neue Verträge. Der Export nach Russland machte vor den Sanktionen zwanzig Prozent aus. Viele Geschäftsleute verstanden damals , dass der russische Markt zunehmend unsicherer wurde.

euronews

Falls die Russen darauf reagieren, wie wollen sie die Inflation kontrollieren und den Menschen Energie bereitstellen?

Algirdas Butkevicus

Wenn wir über die Preise für Energieträger sprechen, dann muss gesagt werden, dass die Regierung die Gaspreise um 20 Prozent gesenkt hat, in Absprache mit Gazprom.

Litauen importiert Gas über eine Flüssiggas-Anlage, z.B. von dem norwegischen Unternehmen Statoil. Das Risiko war vorher sehr groß, wir waren von Gazprom abhängig. Heute haben wir die Möglichkeit mit Gas von woanders versorgt zu werden.

Und noch etwas zum Energiesektor: In den kommenden Jahren schließen wir zwei sehr ambitionierte Projekte ab, da geht es um den Anschluss an Stromnetze, um eine Verbindung nach Schweden und eine nach Polen.

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