Eurozone: „Architektur instabil“

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Namhafte Ökonomen aus Deutschland und Frankreich fordern grundlegende Reformen der Eurozone

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Führende Ökonomen aus Deutschland und Frankreich haben sich mit gemeinsamen Vorschlägen in die Debatte über eine Reform der Euro-Zone eingeschaltet. «Die Europäische Währungsunion hat nach wie vor erhebliche Schwächen, ihre institutionelle und finanzielle Architektur ist instabil», heißt es in einem Papier, das in Berlin vorgestellt wurde.

Die 14 Wissenschaftler um DIW-Präsident Marcel Fratzscher und Ifo-Chef Clemens Fuest - mit dabei auch die deutsche Wirtschaftsweise Isabel Schnabel - zielten generell auf mehr Eigenverantwortung der einzelnen Länder, sagte Fratzscher. «Gleichzeitig wollen wir eine bessere Koordinierung. Es geht darum, bessere und klügere Regeln zu schaffen, die auch eingehalten werden». Die Ökonomen schlagen konkret sechs Reformen vor.

Die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten der Währungsunion sei besser zu überwachen - dazu solle eine unabhängige Institution geschaffen werden. Der Aufsichtsposten könne innerhalb der Brüsseler EU-Kommission einem speziellen Kommissar übertragen werden, dessen Unabhängigkeit über einen Sonderstatus abzusichern sei. Bei den undurchsichtigen Schuldenregeln des Maastricht-Vertrages gebe es Reformbedarf und ein europäisches Sicherungssystem für Sparguthaben sei gefragt.
Nach den Maastricht-Kriterien darf unter anderem die jährliche Neuverschuldung in den Staaten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten. Stellt die EU-Kommission grundlegende Verstöße fest, kann sie Sanktionen vorschlagen, die von den Staaten verabschiedet werden müssten. In der Praxis ist dies aber noch nie geschehen.

Für die Staatsausgaben schlagen die Autoren folgendes Prinzip vor: Sie sollen auf lange Sicht nicht schneller wachsen dürfen als das nominale Bruttoinlandsprodukt, und langsamer in
Ländern, die ihre Schuldenquote verringern müssen - zu überwachen von «unabhängigen nationalen Fiskalräten.

In ihrem Reformpapier verlangen die Wissenschaftler - mit dabei auch die deutsche Wirtschaftsweise Isabel Schnabel - “angemessene Kontrollstrukturen” bei der Vergabe von Hilfskrediten an Krisenstaaten in einem reformierten Europäische Rettungsschirm ESM, mit politischer Rechenschaftspflicht: “Beispielsweise, indem der ESM-Direktor gegenüber einem Ausschuss des Europäischen Parlaments die Hilfsprogramme erläutern und rechtfertigen muss.” Die finanzielle Kontrolle sollte aber in den Händen der ESM-Anteilseigner bleiben - eine Breitseite gegen Vorschläge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

In GroKo-Vorgesprächen hatten sich Union und SPD auf einen Umbau des Rettungsschirms in einen Europäischen Währungsfondsverständigt - er solle Teil des EU-Vertrags werden.

Skeptische Reaktion aus der Europäischen Zentralbank: “Ich habe noch keine überzeugenden Argumente zugunsten einer Umwandlung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in einen europäischen Währungsfonds gehört”, so Notenbank-Vizepräsident Vitor Constancio (“La Repubblica”). Der Rettungsschirm habe seine Aufgaben, und diese erledige er gut.

Zudem schlagen die Ökonomen die Einführung eines gemeinsamen Krisen-Fonds vor, der sich aus Beiträgen der Mitgliedstaaten speist und nicht durch Kreditaufnahme finanziert wird. Er soll teilnehmenden Staaten dabei helfen, große wirtschaftliche Krisen aufzufangen.

«So, wie die Eurozone im Augenblick aufgestellt ist, ist der Euro nicht nachhaltig», sagte Fratzscher (DIW). "Jetzt ist aber der beste Augenblick, Reformen anzugehen. Es gibt ein Zeitfenster, nächstes Jahr sind Europawahlen.»

Sowohl Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatten jüngst Vorschläge zur Weiterentwicklung der Euro-Zone vorgelegt. Gegen Macrons Vorschlag eines großen neuen Euro-Zonen-Budgets formiert sich aber Widerstand.

Nach Jahren der Krise, in denen die Eurozone etwa wegen einer drohenden Staatspleite in Griechenland kurz vor dem Auseinanderbrechen stand, melden alle Länder
wieder Wachstum. Sorgen bereiten indes die weiter hohen Staatsschulden und das große Volumen an faulen Krediten in den Bankbilanzen - vor allem in Italien.

Sigrid Ulrich mit Reuters

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