Die Vega-C-Rakete: Dank Kohlefaser leichter ins All

Mit Unterstützung von ESA - The European Space Agency
Die Vega-C-Rakete: Dank Kohlefaser leichter ins All
Von Jeremy Wilks
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Mit neuen Entwicklungen wollen die Europäer die Konkurrenz in der Raketenwissenschaft in Schach halten.

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In wenigen Monaten wird die neue Vega-Rakete ins All geschossen. Sie besteht aus Kohlefaser. In diesem Bericht erfahren Sie mehr über diese Technologie.

In der Avio-Raketenfabrik südlich von Rom stellen Ingenieure die nächste Generation von europäischen Trägerraketen aus Kohlefaser her. Man darf selten in Unternehmen wie diesen filmen. Avio ist eine der wenigen Fabriken für Weltraumraketen in Europa.

Ettore Scardecchia, Leiter Produktentwicklung bei Avio: "Das ist die Vega-Raketenfabrik. Insbesondere werden hier die Motorengehäuse der ersten, zweiten und dritten Stufe der Trägerrakete gefertigt. Hier in diesem Gebäude fangen wir mit den Rohstoffen an: Der Gummi und die Kohlefaser werden eingebaut, danach sind die Raketengehäuse bereit, um mit Treibstoff gefüllt zu werden."

Leichte und schnelle Raketen

Die Körper der meisten großen Weltraumraketen sind aus Metall, aber Avio verwendet für die Vega Kohlefaser - hergestellt wird das Gehäuse mit einer patentierten Wickeltechnik:

"Der Schlüsselparameter bei diesem Design ist das geringe Gewicht, denn um in den Orbit zu gelangen, muss eine Rakete viel Schubkraft haben, aber auch so leicht wie möglich sein", so Ettore Scardecchia.

Bei einem Teststart kann man sehen, welches Leistungspotential die Vega hat. Festtreibstoff-Raketen wie diese können nicht mehr gedrosselt werden, sie starten mit einem enormen Schub:

"Die Vega ist eine extrem schnelle Rakete, weil sie sehr leicht ist, relativ leicht in Bezug auf den Schub, den sie beim Start bekommt. Das ist wirklich beeindruckend", meint Giorgio Tumino, Leiter des Vega-Entwicklungsprogramms bei der ESA.

Im Gegensatz zu dem schnellen Start ist der Bau einer Vega-Rakete ein langsamer und sorgfältiger Prozess. Der Herstellungsablauf von den Rohstoffen bis zur Markteinführung dauert ein Jahr. Im ersten Schritt wird eine riesige rohrförmige Form, die 'Mandrino' - eine Art Spindel - verwendet:

"Um einen Raketenmotor aus Kohlefaser herzustellen, beginnt man mit einem solchen Gerät, wir nennen es 'Mandrino'. Es besteht aus vielen zusammengesetzten Metallteilen, und auf diesen rotierenden Teil der Maschine wickeln wir die Kohlefaser auf", erklärt Massimo Epifani von Avio." "Während des Betriebs erreicht ein Raketenmotor über dreitausend Grad Celsius. Um die Struktur vor diesen hohen Temperaturen zu schützen, entwickelten wir eine Wärmedämmung, die aus diesem sehr dünnen Gummi besteht. Das ist das erste, was auf das Mandrino-Gerät aufgebracht wird. Dann geht es mit solchen Spulen weiter: Das ist eine mit Epoxidharz vorimprägnierte Kohlefaser - ein Avio-Patent - und dieses Material, eine etwa 5000 Kilometer lange Kohlefaser, wickeln wir dann auf unsere Mandrino-Spindel."

Wettbewerbsfähig bleiben

Avio hat die Technik der Kohlefaseraufwicklung genutzt, um den P120C zu entwickeln, den größten Raketenmotor seiner Art, der je gebaut wurde. Es ist der größte einteilige Kohlefaser-Festtreibstoffmotor aller Zeiten. Das Gehäuse wiegt acht Tonnen und fasst 142 Tonnen Treibstoff.

Der P120C-Motor ist Teil einer neuen, leistungsfähigeren Version der Vega-Rakete, der Vega C. Er bildet die erste Stufe. Der Motor hat gerade einen statischen Brandtest im europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana bestanden.

Das gleiche Triebwerk wird in der neuen Ariane 6 eingesetzt, um die Konkurrenz aus Indien, China und den USA in Schach zu halten:

"Auf diese offensive Art und Weise versuchen wir, wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein Beispiel dafür ist der Feststoffraketen-Triebwerk, den wir im Rahmen der beiden Programme Vega C und Ariane 6 entwickeln: Mit dem P120C-Motor können wir Ressourcen bündeln und den gleichen Motor als erste Stufe sowohl für die Vega C als auch für die Ariane 6 in beiden Konfigurationen als Start-Hilfsraketen (Booster) verwenden", so Giorgio Tumino.

Für den geplanten Vega C-Start 2019 wird auch die Oberstufe der Rakete weiterentwickelt. Das ist der Teil der Rakete, der tatsächlich durch den Weltraum fliegt und Satelliten in die von den Kunden gewünschten Umlaufbahnen bringt. Diese Stufe wird mit flüssigem Kraftstoff betrieben, d.h. sie kann im Gegensatz zu den Festtreibstoffmotoren aus- und wieder eingeschaltet werden.

Irene Cruciani, Leiterin der Systemtechnik bei Avio sagt: "Insbesondere die vierte Stufe der Vega C haben wir so entwickelt, dass sie Satelliten mit einer viel größeren Masse als die aktuelle Vega tragen kann. Außerdem ist sie in der Lage, mehrmals neu zu starten. Damit wird die neue Trägerrakete extrem flexibel, sie kann mit sehr kleinen, leichten würfelförmigen bis hin zu den 2500 Kilo schweren Satelliten starten. Das sind für unsere Trägerraketen sehr große Satelliten."

Raketen können jede Umlaufbahn erreichen

Mit der leichten Vega, der mittelgroßen Sojus und der schweren Ariane 5 können die Trägerraketen der ESA jetzt von Französisch-Guayana aus jede Umlaufbahn erreichen. Besonders stolz sind die Ingenieure auf ihre jüngste Entwicklung, die Vega C:

"Insbesondere der Erstflug war ein unerwarteter Erfolg, weil wir keine Erfahrungen damit hatten. Für uns war es sehr überraschend und schön, dass die Leistungen vom ersten Flug an hervorragend waren", so Irene Cruciani. "Es war einfach wunderbar, das zu sehen."

Und Ettore Scardecchia ergänzt: "Die Kraft, die dieser Motor ausstrahlt, sowohl die Flammen, die aus der Düse kommen, als auch das ohrenbetäubende Geräusch, das die Trägerrakete und den Motor umgibt, sind wirklich außergewöhnlich. Und das erste Mal ist wie die erste Liebe, das wird man nie vergessen!"

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