Rekordinflation: Wie geht es weiter in den EU27?

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Von Naomi Lloyd
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Steigende Lebensmittel- und Energiepreise - wie geht es weiter mit der europäischen Wirtschaft? Euronews sprach mit deutschen Unternehmen, die auf Metallteile aus der Ukraine angewiesen sind

Steigende Lebensmittel- und Energiepreise - wie geht es weiter mit der europäischen Wirtschaft? In dieser Folge von Real Ecomony sprechen wir mit deutschen Unternehmen, die auf Metallteile aus der Ukraine angewiesen sind. Und wir sprechen mit einer Wirtschaftswissenschaftlerin über die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die europäische Wirtschaft.

Die wirtschaftlichen Kosten von Russlands Krieg in der Ukraine treffen Europa hart. Nach der Pandemie war die Wirtschaft auf einem starken Erholungs- und Wachstumspfad. Doch nun hat die EU ihre Wachstumsprognose von 4 Prozent auf 2,7 Prozent gesenkt und ihre Inflationsprognose angehoben.

So weitreichend sind die Auswirkungen des russischen Kriegs in der Ukraine

Die Wirtschaft der EU bekommt die Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine zu spüren. Die Energiepreise sind erneut in die Höhe geschnellt und haben die Inflation auf ein Rekordhoch getrieben.

Die Ukraine und Russland produzieren fast ein Drittel des weltweiten Weizens und der Gerste und sind wichtige Exporteure von Metallen. 

Die Unterbrechung dieser Versorgungsketten sowie die steigenden Kosten für viele Rohstoffe haben die Kosten für Lebensmittel und andere grundlegende Waren und Dienstleistungen in die Höhe getrieben. Dies belastet die Unternehmen und führt dazu, dass wir weniger Geld in der Tasche haben.

Die EU hat ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr von 4 auf 2,7 Prozent und für das nächste Jahr von 2,8 auf 2,3 Prozent gesenkt. Die Inflation, die noch vor wenigen Monaten mit 3,9 % prognostiziert wurde, wird nun auf durchschnittlich 6,8 % geschätzt.

Kabel und Metallteile aus der Ukraine

Der Krieg schadet einigen EU-Volkswirtschaften mehr als anderen. Die Wachstumsprognose für Deutschland ist mit 1,6 % eine der niedrigsten in Europa. Deutschland und sein Mittelstand sind stark mit den Nachbarländern einschließlich der Ukraine verflochten.

Fünf Kilometer Kabel stecken durchschnittlich in einem Auto befinden. Und wenn es ein europäisches ist, stammen etwa 7 Prozent dieser Kabel aus der Ukraine. Im Jahr 2021 hat die EU ukrainische Kabel im Wert von 760 Millionen Euro importiert, die vor allem für die Automobilindustrie, aber auch für die Luftfahrt bestimmt waren. 

Jörn Spurmann, CCO von RFA Rocket Factory in Augburg, meint, dass seine Lieferanten Schwierigkeiten hätten, an bestimmte Produkte zu kommen. Die Logistikpreise würden wegen des Mangels an Containern steigen. Man hoffe, das Problem sei vorübergehend, genau wie das mit den Energiepreisen. Insgesamt würden sich die Auswirkungen aber mehr auf die Lieferketten als auf das Unternehmen auswirken. 

Wenn sie ihre erste Rakete wie geplant 2023 ins All schießen wollen, müssen Jörn Spurmann und sein Team kreativ werden. "Es gibt Lieferanten, die jetzt höhere Preisen oder längere Lieferzeiten haben. Wir müssen dann Alternativen finden. Es gibt immer andere Lösungen, wir haben nicht nur eine Bezugsquelle. Aber das erfordert mehr Zeit und mehr Aufwand für das Lieferkettenmanagement auf unserer Seite", so Jörn Spurmann.

Inflation in Deutschland: 6,5 % - Rekordwert seit Wiedervereinigung 1990

Hat der Krieg in der Ukraine die wirtschaftlichen Aussichten für Europa grundlegend verändert, oder hat er die wirtschaftlichen Probleme, die es ohnehin schon gab, noch verschärft?

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Maria Demertzis meint, dass wahrscheinlich bestehende Probleme angeheizt wurden. Der Krieg habe sicher die Inflation verschärft. Der Grund für die Inflation sei die Energie, die aus Russland kommt.

(Nach der Pandemie) kam es zu enormen Wachstumssteigerungen. Das hat sich jetzt ein wenig abgeschwächt, aber wir sehen keine grundlegende Veränderung.
Maria

Maria Demertzis ist stellvertretende Direktorin bei Bruegel, einer auf Wirtschaftsfragen spezialisierten Denkfabrik in Brüssel. Sie sagt: 

"Europa ist davon viel stärker betroffen als die USA, weil wir viel stärker von Russland abhängig sind als andere. Es hängt natürlich vom Ausgang des Kriegs ab und davon, wie schnell wir in Europa Alternativen finden werden. Natürlich können wir das nicht über Nacht tun. Was die Wachstumsaussichten betrifft, hat zumindest die Wirtschaft die Pandemie – sie dauert ja eigentlich noch an - hinter sich gelassen. Danach kam es zu enormen Wachstumssteigerungen. Das hat sich jetzt ein wenig abgeschwächt, aber wir sehen keine grundlegende Veränderung."

Euronews: Die Menschen sehen, wie ihre Energierechnungen steigen. Die Lebenshaltungskosten, die Kosten für Lebensmittel. Wird das noch mehr werden?

Maria Demertzis: 

"Wir werden sicher ein weiteres Jahr mit einer abnormalen Inflation erleben. Wir haben hier in Belgien eine Verdoppelung des Mehlpreises, natürlich mit Auswirkungen auf den Brotpreis. Wir werden es spüren, wenn wir unsere Autos betanken und Lebensmittel kaufen. Und ich wage zu behaupten, dass die Dinge wahrscheinlich erst noch ein bisschen schlechter werden müssen, bevor sie besser werden. Ich denke, dass wir uns wirklich auf ein bisschen mehr davon einstellen müssen."

Euronews: Ist die höhere Inflation wirklich Grund zur Sorge oder sind wir nach einer so langen Zeit mit niedriger Inflation einfach nur nervös?

Maria Demertzis: 

"Das kommt auf den Vergleich an. In den letzten zehn Jahren - ja, da haben wir uns an sehr niedrige Inflationsraten gewöhnt. Aber wir haben kein Problem, wenn man es mit den 1970er Jahren vergleicht, als wir eine echte Stagflation mit 15% Inflation und negativem Wachstum hatten. Ich rechne selbst im schlimmsten Fall nicht mit solchen Zahlen. Aber man sollte sich mit Prognosen dieser Art zurückhalten, es ist sehr schwer vorherzusagen."

Euronews: Brauchen wir einen Anstieg der Zinssätze?

Maria Demertzis: 

"Ich denke, dass es für die EZB oder andere Zentralbank sehr schwierig sein wird, die Zinssätze nicht zu erhöhen, wenn wir eine Inflation in der Größenordnung erleben, die wir gerade sehen."

Euronews: Wie besorgt sind Sie über die derzeitige Wirtschaftslage in Europa?

Maria Demertzis: 

"Die europäische Wirtschaft hat die Pandemiekrise recht gut überstanden. Die neue Krise ist natürlich von ganz anderer Art. Sie beeinflusst, wie wir weltweit zusammenarbeiten, mit wirtschaftlichen Auswirkungen. Ich denke, die europäische Wirtschaft ist in einer guten Position, um die Krise zu überstehen. Ob wir es schaffen, hängt auch davon ab, wie sich der Krieg entwickelt."

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Cutter • Jean-Christophe Marcaud

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