"Kein EU-Mitgliedstaat würde Katalonien anerkennen"

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Von Stefan Grobe
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Ana Lazaro, Euronews: Bei mir ist nun Bruno Coppieters, Leiter der Politischen Wissenschaften an der Freien Universität Brüssel und dort Spezialist für Sezessionskonflikte.

Unser Thema ist natürlich die Situation in Katalonien und das für den 1. Oktober geplante Referendum, das die Madrider Zentralreigierung für illegal erklärt hat.

Die katalanische Regionalregierung hat mehrfach die EU gebeten, als Vermittler aufzutreten. Ist das eine reale Möglichkeit?

Bruno Coppieters: Nein, um es ganz klar zu sagen. Die EU ist dafür nicht geeignet. Die europäischen Institutionen, denen Spanien ja angehört, können keine Vermittlerrolle übernehmen, weil sie nicht unabhängig genug sind, sondern zu sehr von Spanien abhängen.

Euronews: Häufig wird das Risiko eine Ansteckungsgefahr in anderen Regionen Europas genannt, etwa Flandern oder Norditalien. Ist das eine reelle Gefahr? Könnte man nach dem 1. Oktober mit einem Dominoeffekt rechnen?

Coppieters: Ich glaube nicht. Es könnte einen Dominoeffekt geben, wenn die Strategie der katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter einen gewissen Erfolg hätten. Aber das ist wenig wahrscheinlich. Vergleichbare Parteien in Europa denken eher über eine langfristige Strategie nach, die nicht einseitig voranprescht. Da ist die Angst vor einer Isolierung zu gross.

Euronews: Nehmen wir mal an, die katalanische Regierung ruft die Unabhängigkeit aus. Besteht das Risiko einer internationalen Isolierung?

Coppieters: Eine solche Regierung würde nicht anerkannt. Kein EU-Mitgliedstaat würde sie anerkennen. Diese Regierung wäre nicht existent.

Sie würde aber einen realen Konflikt heraufbeschwören, weil sie für einen grossen Teil der katalanischen Bevölkerung legitim wäre.

Es gäbe dann einen Konflikt, und die Isolierung wäre ein Teil davon.

Euronews: Die Katalanen sprechen vom Selbstbestimmungsrecht der Völker. Wie wird das international aufgenommen?

Coppieters: Viele Regierungen ziehen den Dialog einer Konfrontation vor. Aber Tatsache ist, dass sie alle den spanischen Staat anerkennen und damit auch dessen konstitutionellen Rahmen.

Das ist also eine andere Perspektive als die der katalanischen Regierung, die diesen Rahmen ablehnt.

Euronews: Sie glauben also, dass alle EU-Mitgliedstaaten Spanien unterstützen, auch wenn die spanische Regierung bisweilen brüske Methoden angewandt hat?

Coppieters: Die EU-Staaten werden versuchen, sich aus alldem herauszuhalten, aber sie könnten gezwungen werden, offen Stellung zu beziehen, wenn Katalonien etwa durch eine finanzielle Krise instabil würde.

Wenn dann beide Parteien, die spanische und katalanische Regierung, den Konflikt nicht allein lösen können, dann brauchen sie einen Vermittler.

Euronews: Die EU muss mit einer Reihe von Krisen umgehen, allen voran Brexit. Glauben Sie, dass das Referendum in Katalonien die EU destabilisieren könnte?

Coppieters: Nein, nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Das wäre vielleicht ein weiteres Element, mit dem die EU fertig werden müsste. Es ist eine Krise, aber eine Krise in Katalonien, in Spanien. Bis jetzt ist es keine europäische Krise.

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