"Arbeitnehmerfreizügigkeit bringt Vorteile für alle"

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"Arbeitnehmerfreizügigkeit bringt Vorteile für alle"
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Von Oleksandra VakulinaFanny Gauret
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Real Economy recherchiert, wie die Sozialversicherung bei EU-Umsiedlern funktioniert.

17 Millionen Unionsbürger leben in einem anderen EU-Land als ihrem Herkunftsland. Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein Kernbestandteil des Unionsrechts. Die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme in der EU ist das Thema dieser Folge von Real Economy.

Euronews-Reporterin Sasha Vakulina: "In der EU herrscht nicht nur Freizügigkeit, Unionsbürger haben auch das Recht, in jedem anderen Land zu wohnen und zu arbeiten. Was passiert in diesem Fall mit meinen Sozialleistungen? Bin ich in einem anderen EU-Mitgliedsstaat genauso abgesichert und geschützt? Antworten gibt der folgende Crashkurs."

Crashkurs Arbeitnehmerfreizügigkeit

17 Millionen EU-Bürger leben oder arbeiten derzeit im Ausland. Davon sind 12,4 Millionen im erwerbsfähigen Alter, d.h. vier Prozent der Unionsbürger im erwerbsfähigen Alter leben in einem anderen EU-Land als ihrem Herkunftsland.

Dank der Koordinierung der Sozialversicherungssysteme in der EU sind sie genauso geschützt wie diejenigen, die in ihrem Herkunftsland arbeiten.

Es gibt vier Hauptbereiche der Sozialversicherungsleistungen: Gesundheitswesen, Mutterschafts-bzw. Vaterschaftsgeld, Arbeitslosigkeit und Rentenansprüche.

Es gelten vier Grundprinzipien:

  1. Sie unterliegen zu jedem Zeitpunkt immer nur den Rechtsvorschriften eines einzigen Landes und zahlen daher auch nur in einem Land Beiträge.
  2. Sie haben dieselben Rechte und Pflichten wie die Angehörigen des Landes, in dem Sie versichert sind.
  3. Wenn Sie eine Leistung beanspruchen, werden Ihre früheren Versicherungs‑, Beschäftigungs- oder Aufenthaltszeiten in anderen Ländern gegebenenfalls angerechnet.
  4. Wenn Sie in einem Land Anspruch auf Geldleistungen haben, können Sie diese grundsätzlich auch dann erhalten, wenn Sie in einem anderen Land leben.

Ein Beispiel aus Belgien

Die Hälfte der EU-Umsiedler kam vor über zehn Jahren in ihr derzeitiges Wohnsitzland. Aber was ist mit den Grenzgängern, die für die Arbeit über eine Staatsgrenze pendeln? Fanny Gauret recherchierte in Belgien.

Frühmorgens trifft die Euronews-Reporterin Vincianne Thomas  und ihre Tochter in ihrem Haus auf dem belgischen Land. Seit 18 Jahren pendelt die Ergotherapeutin 65 Kilometer über die Grenze nach Luxemburg zu ihrer Arbeit:

"Viele Menschen in der Region sind Pendler, aufgrund der unterschiedlichen Besteuerung, es gibt Vorteile jenseits der Grenze. Ich habe Rahmenbedingungen, die mir erlauben, zu tun, was mir gefällt und ein Gehalt, mit dem ich meiner Familie und mir eine gute Lebensqualität ermöglichen kann."

Luxemburg ist das Land mit den meisten Europäern im Verhältnis zur Bevölkerung. 44 Prozent, gefolgt von der Schweiz, Zypern und Irland. Es ist auch das europäische Land mit dem höchsten Anteil an Grenzgängern (42% der Luxemburger Arbeitnehmer), hauptsächlich Franzosen (50%), Deutsche (26%) und Belgier (24%)

180.000 Menschen in Luxemburg, leben und arbeiten wie Vincianne in zwei Ländern. Wie funktioniert die Sozialversicherung in diesem Fall?

"Es gibt ein Abkommen zwischen Belgien und Luxemburg, das die Dinge sehr vereinfacht: Wenn ich zu meinem Arzt gehe, bekomme ich von ihm eine Behandlungsbescheinigung, die ich bei meiner Zusatzversicherung einreiche, und diese belgische Zusatzversicherung leitet sie dann an die luxemburgische Krankenkasse weiter. Da ich Mitglied einer Gewerkschaft bin, erhalte ich alle Informationen über Steuern, Krankenversicherung, mögliche Gesetzesänderungen, die uns betreffen. So habe ich keine Probleme", sagt Vincianne Thomas.

Arbeit ist ein Hauptgrund für den Landeswechsel

Arbeit ist einer der Hauptgründe für Europäer, in ein anderes Land zu ziehen. Aufgrund des Arbeitskräftemangels in allen Sektoren hat Luxemburg die größte Anzahl von EU-Umsiedlern. Aber was passiert, wenn sie ihre Arbeit verlieren?

"Wenn man innerhalb von zwei Jahren mehr als 52 Wochen krank ist, kann man entlassen werden. Wird man in Luxemburg entlassen, muss man sich in seinem Herkunftsland arbeitslos melden. Dort gelten nicht die gleichen Bedingungen, es kann schwieriger sein", so die Ergotherapeutin.

Trotz dieser Bedenken muss Vinciane Thomas  nicht zwischen ihrer Karriere und dem Wohlergehen ihrer Familie wählen. Aber ist das bei allen EU-Umsiedlern so?

Grenzüberschreitende Arbeitsmobilität

Darüber sprach die euronews-Reporterin in Metz nahe der französisch-luxemburgischen Grenze mit Julien Dauer. Er ist juristischer Experte für grenzüberschreitende Arbeitsmobilität:

"Wenn man in einem anderen Land wohnt und arbeitet, stellt man sich viele Fragen. Man weiß, dass sich die Gesetzgebung ändert, das macht einem vielleicht Angst. Aber von den drei Bereichen Arbeitsrecht, Sozialversicherung und Steuern ist der Bereich, der am wenigsten Probleme bereitet und am stärksten harmonisiert ist, die Sozialversicherung. Man muss nur sehr wenig tun, und von dem Moment an, in dem man sich in einem Land bewegt - sei es bei der Arbeitssuche oder bei der Rückkehr in sein Heimatland - ist die europäische Gesetzgebung sehr klar, die Verwaltungen tauschen sich untereinander aus, deshalb fließen Informationen leicht und die Menschen haben, - sobald sie wissen, an wen sie sich wenden müssen -, die wenigsten Probleme."

Unkompliziert in Rente gehen

Das Grundrecht der Freizügigkeit ermöglicht es Unionsbürgern nicht nur frei in der EU zu reisen und zu arbeiten, sondern auch in einem anderen Land als dem Herkunftsland in den Ruhestand zu gehen. So wie Daniel French, der in der Luftfahrtbranche auf der ganzen Welt gearbeitet hat, hauptsächlich für Unternehmen in Belgien, Frankreich und Luxemburg.

_"Ich gehe in ein paar Monaten in Rente. Das ist sehr einfach: Da mein letzter Arbeitgeber in Luxemburg ist, ist das luxemburgische Rentenamt dafür zuständig, alle Daten aus den verschiedenen europäischen Ländern zu besorgen, in denen ich gearbeitet habe, um meine Rente zu berechnen."

_Euronews-Reporterin Fanny Gauret: "Wenn ich in Rente gehe, möchte ich neue europäische Horizonte erkunden. Mittlerweile hat sich aber die Zahl der über 50-Jährigen in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Welche Auswirkungen hat das auf europäische Länder wie Luxemburg?"

Eine Antwort erhalten wir von Dr. Franz Clément vom Luxemburger Institut für Sozioökonomieforschung in Belval:

"Das könnte sich zu einem sehr großen Problem nicht nur für Luxemburg oder andere europäische Länder, sondern für die gesamte Europäische Union entwickeln. Da es ein Problem ist, das alle europäischen Länder betrifft, werden sich alle darüber Gedanken machen müssen. Was die Koordinierungsverordnungen betrifft, so werden sie alle Länder der Europäischen Union betreffen. Es gibt kein einziges Land, das in Zukunft in diesem Rahmen eine eigene Politik betreiben könnte."

Euronews-Reporterin Sasha Vakulina: "Welche Vorteile hat die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Unionsbürger und Unternehmen in der Europäischen Union?"

Dr. Franz Clément: "Es gibt nur Vorteile. Man muss sich bewusst machen, dass wir in Europa seit 70 Jahren in Frieden leben. Das ist einzigartig in der Welt. Und das wir von einem Land in ein anderes wechseln können, um zu studieren, zu arbeiten, Geschäfte zu machen machen oder zu reisen - das ist wirklich das Herzstück der gesamten Europäischen Union - es ist ein großes Projekt."

Ob sie zweimal täglich 50 Kilometer pendeln, um in einem anderen Land zu arbeiten, nach 20 Jahren für den Ruhestand in Ihre Heimat zurückkehren, oder Grenzen überschreiten, um nach neuen Möglichkeiten zu suchen: Für all diese Fälle gilt, dass die Freizügigkeit ohne den Schutz der Sozialversicherungsrechte der EU-Umsiedler und ihrer Familien nicht möglich wäre.

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