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Zu brutal für Streaming: Diese kasachische Horrorserie schockiert jetzt die Festivals

Ein Standbild aus „Kazakh Scary Tales“.
Standbild aus „Kazakh Scary Tales“ Copyright  Copyright: Adilkhan Yerzhanov
Copyright Copyright: Adilkhan Yerzhanov
Von Galiya Khassenkhanova
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Streamingdienste hielten sie zunächst für zu verstörend. Jetzt feiert eine kasachische Horrorserie auf Festivals Erfolge: exotische Folklore und das uralte Böse fesseln weltweit.

Eine Neo-Noir- und Folk-Horror-TV-Serie mit dem Titel Kazakh Scary Tales hat auf Festivals ihr Publikum gefunden, nachdem sie für Streaming-Plattformen als zu schaurig und zu blutig galt.

Die Serie des kasachischen Regisseurs Adilkhan Yerzhanov feierte im Sommer ihre Premiere beim Fantasia International Film Festival in Montreal und erschien im November in Kasachstan.

Im Mittelpunkt steht Birzhan, ein Polizist, der in ein abgelegenes Dorf versetzt wird. Dort soll er rätselhafte Todesfälle aufklären und sich zugleich mit korrupten Beamten auseinandersetzen.

Er verbündet sich mit einer örtlichen Hexe, die ihm hilft, das uralte Böse zu verstehen und Wege zu finden, es zu bekämpfen – und dabei vielleicht auch die Wahrheit über sich selbst zu entdecken.

Neben Fantasia lief die Serie beim französischen L'etrange Festival (hier zu sehen), bei Seriesly Berlin und beim österreichischen Slash Filmfestival.
Neben Fantasia lief die Serie beim französischen L'etrange Festival (hier zu sehen), bei Seriesly Berlin und beim österreichischen Slash Filmfestival. Copyright: Adilkhan Yerzhanov

Zu gruselig für Streaming?

Frühe Testvorführungen warfen die Frage auf, ob die Serie überhaupt für ein breites Publikum geeignet ist. Die Produzenten rechneten nicht mit einem kommerziellen Erfolg und hielten das Projekt für zu speziell. Stattdessen entschieden sie sich, die Serie zunächst auf Festivals zu zeigen.

„Zum Beispiel die Szene auf der Entbindungsstation, in der die Figuren plötzlich zu bluten beginnen. Ist das überhaupt familientauglich? Wäre das nicht zu schockierend?“, erklärt Yerzhanov.

Doch die Serie übertraf die Erwartungen, als die ersten vier Folgen schließlich auf YouTube veröffentlicht wurden.

Eine Szene aus Kazakh Scary Tales. Dem Regisseur war wichtig, dass die düstere Gegenwart mit der Folklore koexistiert
Eine Szene aus Kazakh Scary Tales. Dem Regisseur war wichtig, dass die düstere Gegenwart mit der Folklore koexistiert Copyright: Adilkhan Yerzhanov

„Gerade diese Verbindung von Folklore und Moderne hat Aufmerksamkeit geweckt. Unser Publikum war bereit, unseren Volksglauben in einer zeitgenössischen Serie zu sehen“, sagte der Regisseur.

Online lobten Zuschauer die Serie, bezeichneten sie als das „Stranger Things aus Kasachstan“ und teilten unheimliche Volksgeschichten, die über Generationen hinweg weitergegeben wurden.

Internationale Resonanz und Gesellschaftskritik

Um international wahrgenommen zu werden, müssen kasachische Filmemacher laut Yerzhanov etwas Eigenständiges bieten.

„Ein kasachischer Horrorfilm darf sich nicht an Hollywood- oder japanischen Vorbildern orientieren. Wer nur bestehenden Regeln folgt, fällt nicht auf“, erklärt er.

Seiner Ansicht nach trafen bei Kazakh Scary Tales vor allem zwei Elemente den Nerv von Horrorfans: die ungewöhnliche Mischung aus Humor und Schrecken sowie die Eigenart der mythischen Wesen.

„Ich habe gemerkt, dass ein internationales Publikum gerade den Humor in den furchterregendsten Momenten schätzt. Das empfinden sie als besonders reizvoll, eigenständig und anders“, sagte der Filmemacher.

Die Serie scheut blutige Details nicht, ist aber nur in Kasachstan verfügbar. Die Folgen auf YouTube verpixeln verstörende Szenen.
Die Serie scheut blutige Details nicht, ist aber nur in Kasachstan verfügbar. Die Folgen auf YouTube verpixeln verstörende Szenen. Copyright: Adilkhan Yerzhanov

Viele Kritiken hoben Birzhans Schlagabtausch und seine Bromance mit dem örtlichen Pathologen hervor. In völlig unerwarteten Momenten tauschen die beiden beiläufig leicht unangebrachte Witze aus – ein Kontrast, der selbst in düsteren Szenen für Irritation und Humor sorgt.

Auch die in der kasachischen Mythologie verwurzelten Monster empfanden viele Horror-Fans als erfrischend originell.

„Wie man so sagt: Die Monster in Kazakh Scary Tales sind weniger gefährlich als die Menschen, die sie erschaffen haben. Besonders spannend ist, dass alle Wesen der Serie aus Ungerechtigkeit entstanden sind – aus den Taten einzelner Figuren, einzelner Männer“, erklärte Yerzhanov.

Dieses Motiv bildet das Rückgrat der Serie, die zugleich als gesellschaftlicher Kommentar zur Gewalt gegen Frauen gelesen werden kann. In der Handlung verwandeln sich von Männern verletzte Frauen in Monster, die ihre Peiniger verschlingen – und dabei auch andere mit in den Abgrund reißen.

Regisseur Adilkhan Yerzhanov und Schauspielerin Anna Starchenko, die die Hexe Sara spielte, am Set von Kazakh Scary Tales.
Regisseur Adilkhan Yerzhanov und Schauspielerin Anna Starchenko, die die Hexe Sara spielte, am Set von Kazakh Scary Tales. Copyright: Adilkhan Yerzhanov

Die ersten drei Folgen kreisen um die Albasty, einen bösartigen weiblichen Geist aus der Mythologie der Turkvölker, dem nachgesagt wird, schwangere Frauen und Säuglinge zu quälen. Der Regisseur betont, dass – wie in vielen östlichen Mythologien – auch im kasachischen Volksglauben die meisten Dämonen weiblich sind.

„Alles Irrationale, alles, wovor jeder Mann, jeder Krieger Angst hat. Er fürchtet das Irrationale, das er mit Frauen identifiziert“, erklärt Yerzhanov.

Uralte Angst

Prägend für die Produktion war Yerzhanovs bewusste Entscheidung, vollständig auf CGI zu verzichten. Stattdessen wollte er eine möglichst naturalistische Darstellung jener uralten Schrecken schaffen, von denen ihm seine Mutter bereits in der Kindheit erzählt hatte.

Der Kopf des Albasty-Geistes, erschaffen für die Serie von Produktionsdesigner Yermek Utegenov und Maskenbildner Andrei Tsirulnik.
Der Kopf des Albasty-Geistes, erschaffen für die Serie von Produktionsdesigner Yermek Utegenov und Maskenbildner Andrei Tsirulnik. Copyright: Adilkhan Yerzhanov

„In meiner kindlichen Vorstellung wirkten diese Monster nicht computererzeugt oder gezeichnet. Sie erschienen mir sehr realistisch – ich würde sogar sagen: physiologisch. Genau diese Körperlichkeit, diese erdige Natur wollte ich in der Serie sichtbar machen“, sagte der Filmemacher.

Deshalb setzte das Team auf animatronische Albasty-Figuren, die von mehreren Personen gleichzeitig gesteuert wurden. Für Totaleinstellungen trug eine Stuntperson einen künstlichen Kopf.

Für Nahaufnahmen wurde ein mit Silikon überzogener Kopf konstruiert: Eine Person bewegte die Oberlippe, eine zweite die Unterlippe, eine dritte die Zunge, während zwei weitere die Augen öffneten und schlossen.

„Jede Computergrafik hätte die Monster in ein pasteurisiertes Hollywood verwandelt – eine Welt, in der alles künstlich wirkt und zu modern erscheint“, erklärte Yerzhanov.

Plakat zu Kazakh Scary Tales
Plakat zu Kazakh Scary Tales Copyright: Adilkhan Yerzhanov

Yerzhanov selbst ist kein großer Fan von Horrorfilmen. Er ist jedoch überzeugt, dass einige der besten Werke des Genres von Regisseuren stammen, die eigentlich außerhalb des Horrors verortet sind – etwa Der Exorzist von William Friedkin oder Shining von Stanley Kubrick.

Derzeit ist Kazakh Scary Tales außerhalb Kasachstans noch nicht verfügbar. Der Regisseur betont jedoch, dass er intensiv daran arbeite, die Serie künftig auch auf internationalen Streaming-Plattformen zugänglich zu machen.

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