Kiew: Wer befahl die Gewalt gegen Journalisten?

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Von Euronews
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Am 28. November demonstrierten in der Ukraine die Verfechter einer Annäherung an die EU ebenso friedlich wie vergeblich. Kurz vor dem entscheidenden EU-Gipfel hatte der Regierungschef erklärt, man könne das Assoziierungsabkommen nicht unterzeichnen.
Dem vorausgegangen waren mehrere Reisen des Präsidenten nach Moskau. In Kiew wurde weiter demonstriert, auch wenn wohl niemand weiß, wo das Geld für die russischen Gaslieferungen herkommen soll, wenn sich Kiew gegen Moskau stellt. Eine verunsicherte Regierung reagierte mit Gewalt auf die Forderungen der Demonstranten, die nunmehr für die Absetzung der Regierung verlangen. Das brutale Vorgehen der Polizei auch gegen die Medien machte alles noch schlimmer. Auch ein euronews-Kameramann wurde verletzt.
Gestern entschuldigte sich der Ministerpräsident dafür vor dem Parlament. Das lehnte denn auch seine Absetzung per Misstrauenvotum ab. Am Tag danach antwortete sein Stellvertreter auf die Fragen von euronews.

euronews: Können Sie uns eine Zahl nennen: Wie viel Geld soll Brüssel auf den Tisch legen?

Serhij Arbusow: “Das ist schwierig, die exakte Summe zu nennen, aber es sind deutlich mehr als die 600 Millionen Euro, die wir besprochen hatten. Die Situation hat sich erheblich verschlechtert. Wir erleben dramatische Veränderungen auf dem Konsumgütermarkt, inklusive der Märkte unser traditionellen Partner. Mit Russland ist unserer Handelsumsatz um 25 Prozent gefallen.”

euronews: Glauben Sie, dass das Verhalten von “Berkut”, der Spezialeinheit der Polizei, die Verhandlungen mit der EU erschweren wird? Denn das Vorgehen der Einsatzkräfte war sehr hart.

Serhij Arbusow: “Das ist wirklich ein großes Problem. Denn durch dieses Vorgehen haben die Demonstranten, die zuerst auf die Straße gegangen sind, ihren eigentlichen Wunsch vergessen, nämlich engere Beziehungen zur EU einzugehen. Jetzt haben sie ein neues Thema gefunden: Die ganze Situation, die Schmerz und Leid für die Menschen gebracht hat. Natürlich akzeptieren wir nicht, was passiert ist. Wir haben eine Untersuchung eingeleitet und ich habe es bereits in vielen Interviews betont: Wir verurteilen, was passiert ist.”

euronews: Welche Maßnahmen wird die Regierung ergreifen?

Serhij Arbusow: “Die Untersuchung wird diese Frage beantworten. Die Ermittlungen werden sorgfältig und professionell durchgeführt. Deshalb ist es schwierig für mich zum jetzigen Zeitpunkt zu sagen, welche Strafen auf die Schuldigen zukommen werden und was das Ergebnis dieser Untersuchung sein wird. Alle Videobeweise werden von den Ermittlern genau unter die Lupe genommen. Was einige Journalisten betrifft, schätze ich, dass als die Zusammenstöße begannen, es ein Missverständnis gab. Wir nehmen auch an, dass provokatives Auftreten daran Schuld war.”

euronews: Wer gab den Befehl einzuschreiten?

Serhij Arbusow: “Ich möchte darauf hinweisen, dass es unwahrscheinlich ist, dass es einen speziellen Einsatzbefehl für die Spezialeinheit gegeben hat. Die Situation hat sich verschlechtert und die Entscheidung wurde vor Ort am Platz der Unabhängigkeit getroffen. Es ist unwahrscheinlich, dass bei dieser großen Zahl von Demonstranten es von Interesse gewesen wäre, einzuschreiten.”

euronews: Die Entscheidungen, die der Innenminister getroffen hatte, waren offenbar nicht die richtigen, wenn Sie sich das Ergebnis ansehen. Gibt es also ein Problem innerhalb der Regierung?

Serhij Arbusow: “Ich kann Ihnen versichern, dass alles im Einklang mit dem Gesetz passiert. Seit dem Vorfall sind erst wenige Tage vergangen. Wir sind sehr besorgt und es könnte einem so vorkommen, als seien die Ausschreitungen vor langer Zeit passiert. Aber in Wirklichkeit ist noch nicht genug Zeit vergangen, um eine Entscheidung zu treffen.”

euronews: Was denken Sie persönlich als Politiker, als Mitglied dieser Regierung, als Ukrainer: Wäre es besser für das Land, Seite an Seite mit Russland zu stehen, oder den Weg zur Europäischen Union einzuschlagen?

Serhij Arbusow: “Meiner Meinung nach können wir die Frage so nicht formulieren. Die Ukraine ist ein unabhängiges, souveränes Land. Ihr Ziel ist es, ihr volles Potential zu erreichen. Deshalb arbeiten wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Märkten zusammen. Märkten, deren Produkte wir brauchen und Märkten, die wiederum unsere Produkte benötigen. Die Ukraine hatte immer vielfältige Handelsbeziehungen und das wird unabhängig von dem Ausgang der Situation so bleiben. Wir streben ein Gleichgewicht an, um unsere Interessen zu fördern. Unser Geschäft bestimmt, welchen Weg wir gehen sollen.”

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