Hohe Ziele in Davos: Weltwirtschaftsforum berät über "Neugestaltung der Welt"

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Von Euronews
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Wieder einmal heißt es für die Weltelite: Auf nach Davos! Mütze, Schal und Winterstiefel sind für das wichtigste Treffen des Jahres bereitgelegt. Wie immer hat sich das Weltwirtschaftsforum hohe Ziele gesetzt, die Veranstaltung findet unter dem ehrgeizigen Vorhaben statt, die Welt neu zu gestalten. Viele verbinden mit dem Jahr 2014 die Hoffnung auf Wirtschaftswachstum.

Die hohen Gipfel, die sich um Davos erheben, sind eine passende Metapher für die hohen Ziele der Europäischen Union und für viele auch dafür, dass der Weg noch weit ist.

Für die Wirtschaft im Euroraum wird in diesem Jahr zwar ein Wachstum vorausgesagt, aber für Lee Howell vom Weltwirtschaftsforum gibt es Zweifel an der Nachhaltigkeit der Erholung:

“Die Krise schweißt für eine Zeit lang zusammen, aber jetzt ist das Jahr gekommen, in dem Europa wirklich zusammenstehen muss, um seine Vision nach vorne zu bringen. Ich hoffe, dass sie daran arbeiten können, auch in Davos”, so Howell.

Eine der größten Sorgen des Euroraumes in diesem Jahr sind die Arbeitslosenzahlen, die in Rekordhöhe gestiegen sind. In Spanien und Griechenland ist jeder Vierte ohne Job. Die Jugendarbeitslosigkeit ist noch viel größer und man befürchtet eine “verlorene Generation”.

euronews-Reporterin Sarah Chappell berichtet aus Davos: “Das diesjährige Weltwirtschaftsforum steht unter dem Motto ‘Die Neugestaltung der Welt’. Obwohl der Euroraum insgesamt zum Wachstum zurückgekehrt ist, rüstet sich Europas Politik- und Wirtschaftselite für ein Jahr voller neuer Herausforderungen.”

OECD-Generalsekretär: “Reformen sind zu einer Art Geisteszustand geworden”

euronews hat mit Angel Gurria, dem Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, gesprochen.

euronews:
“Wie ist Ihre Gefühlslage mit Blick auf das neue Jahr und ein Europa, das allmählich die Krise überwindet?”

Angel Gurria:
“Die Gefühle sind zwiespältig. Zunächst einmal drückt die Last der Krise noch gewaltig und dann ist da das geringe Wachstum, die hohe Arbeitslosigkeit, die wachsende Ungleichheit – ein sehr wichtiges Thema übrigens – und der Vertrauensverlust gegenüber Präsidenten, Ministerpräsidenten, Parlamenten, Konzernen, Banken, politischen Parteien.”

euronews:
“Mit dem europäischen Reformtempo im vergangenen Jahr waren Sie einigermaßen zufrieden?”

Gurria:
“Ich bin zufrieden mit einigen Ländern, die mehr Hausaufgaben als andere hatten und diese auch erledigt haben. Mittlerweile sind Reformen zu einer Art Geisteszustand geworden. Reformen hören nicht auf, sie gehen immer weiter. Aber das ist ein sehr ungleichmäßiges Thema – und das bereitet mir Sorgen. Gewisse Länder haben nicht die strukturellen Dinge umgesetzt, die sie umsetzen sollten, weil sie nicht unter dem Druck des Marktes standen. Anscheinend braucht man immer einen Tritt in den Hintern und Druck, um schwierige Entscheidungen zu treffen. Nun ja…”

euronews:
“An welche Länder denken Sie, wenn Sie das sagen?”

Gurria:
“Ich schließe einige der großen Länder mit ein, einige der – ich zitiere – ‘erfolgreicheren’. Das umfasst Frankreich, aber auch Deutschland. In Frankreich hat der Präsident in den vergangenen Tagen einige interessante Entscheidungen bekannt gegeben. Die zielen auf Kostensenkungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, auf Kostensenkungen für Firmen, die wirklich ihre Arbeit machen. All das gehört zu den Empfehlungen, die wir Frankreich seit Hollandes Amtsantritt immer wieder gemacht haben. Es freut uns, dass man nun diesen Weg einschlägt.”

euronews:
“Noch einmal zurück zum Thema Reformtempo. Wie Sie wissen, stehen in Europa Wahlen an, die wahrscheinlich manche Reformen ausbremsen werden. Das ist sicher auch eine Sorge, denn das Tempo wird nicht beibehalten werden können…”

Gurria:
“Ich glaube nicht, dass man Reformen plötzlich anhalten kann, nur weil gewählt wird. Wenn Sie darauf blicken, welche Politiker diesen Ball aufgenommen haben und die Dinge anpacken… Das sind diejenigen, die die Leute erreichen, das sind diejenigen, die mit Mut vorangehen und sagen: ‘Wir brauchen Reformen’.”

euronews:
“Blicken wir auf die Ungleichheit, die es populistischen Parteien in Europa ermöglicht hat, Zugewinne zu verzeichnen. Wie kann der Prozess der wirtschaftlichen Integration funktionieren, wenn sich die extreme Rechte durchsetzt?”

Gurria:
“Die extreme Rechte und die extreme Linke sind das Ergebnis der Unzufriedenheit der Leute. Ich bin von Europa überzeugt, aus meiner Sicht ist das wie mit Baugerüsten. Es gibt sie immer. Wenn Sie einen Dom oder Notre Dame besichtigen wollen und die in ein Baugerüst gehüllt sind, sind Sie enttäuscht. Aber hinter diesem Gerüst erfindet sich Europa neu und gibt sich ein neues Gesicht. Das umfasst eine Bankenunion, eine Finanzunion. Es gibt immer Diskussionen, die Lärm machen und viel Zeit kosten. Sie können den Europäern alles vorwerfen, aber nicht, dass sie zu schnell sind. Aber sie richten Institutionen ein, und diese sind beständig. Es dauert lange, sie aufzubauen, aber es ist doch so: Wenn Sie das Baugerüst entfernen, staunen Sie und sehen, was Europa ausmacht.”

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Wozu dient das Weltwirtschaftsforum?

Während Angel Gurría nach Davos gekommen ist, um ein Bewusstsein für einige der dringensten Fragen der Welt zu schaffen, sind andere des Tratsches wegen angereist und um lukrative Geschäfte zu machen. euronews hat einige Männer und Frauen in Davos gefragt, warum sie Jahr für Jahr wiederkommen.

Laura Liswood, Vorsitzende des Rates Politischer Führerinnen der Welt (Council of Women World Leaders) erläutert: “Ich bin vor allem hier, um zu verstehen, was den Zeitgeist ausmacht: Worüber werden die Leute in diesem Jahr sprechen? Das Engagement der USA? Oder die Finanzkrise? Natürlich interessiert mich auch die Rolle der Frauen hier.”

“Ich bin als Vorsitzender des Rates für Wohlbefinden und mentale Gesundheit hier, also versuche ich, den Teilnehmern die Bedeutung der richtigen Art der Gesundung nahezubringen”, meint Gus O’Donnell, Mitglied des britischen House of Lords. “Wir haben die Eurokrise noch nicht völlig hinter uns gelassen, aber das Schlimmste ist überstanden. Wir müssen sicherstellen, dass alle profitieren und wir nicht nur das Bruttoinlandsprodukt, sondern auch das Wohlbefinden der Bevölkerung steigern”, so O’Donnell weiter.

Und warum ist Mohd Emir Mavani in Davos? “Man kann nicht bestreiten, dass man hier Kontakte knüpft. Noch wichtiger ist aber der Ideenaustausch. Ich sehe es als Bühne, auf der sich die Mächtigen treffen, um Ideen auszutauschen und zu sehen, wie man die Welt besser machen kann”, sagt der Präsident von Felda Global Ventures Holdings Bhd.

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euronews setzt seine Berichterstattung aus Davos fort, wir blicken dann unter anderem auf die aufstrebenden Märkte und die sozialen Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise.

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