"Extreme Ungleichheit ist schlecht für's Wachstum"

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Von Euronews
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Eine globale Antwort auf den schlimmsten Ebola-Ausbruch aller Zeiten ist ein zentrales Thema auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Dynamik bleibt gefragt, so die internationalen Hilfsorganisationen.

Das Welternährungsprogramm (World Food Programme) bewahrt mehr als zwei Millionen Menschen in den am stärksten von Ebola betroffenen westafrikanischen Ländern vor dem Hunger – Sierra Leone, Liberia und Guinea.

Die Krankheit hat mehr als 8.000 Menschen das Leben gekostet – und der Ausbruch bedroht weiterhin ernsthaft die Ernährungssicherheit.

Ertharin Cousin, Welternährungsprogramm (WFP):

“In den Ebola-Regionen konnten die Leute im vergangenen Jahr nicht oft nicht ernten. In allen drei Ländern gibt es Dörfer mit weniger Vorräten – was bedeutet, dass zu wenig Essen da ist. Und was es gibt, ist deutlich teurer geworden. Das heißt, die Armen, die am meisten Gefährdeten, bekommen nichts ab. Was es gibt, ist teuer.”

Sarah Chappell, euronews:

“Laut Vereinten Nationen könnte Ebola in diesem Jahr besiegt werden. Aber auch wenn das gelingt, werden die wirtschaftlichen Auswirkungen jahrelang zu spüren sein.”

Der Vertreter der Internationalen Arbeitsorganisation ILO der UNO gibt zu bedenken, dass die Arbeitsmärkte der drei am stärksten betroffenen Länder bereits vor Ebola schwächelten.

Guy Ryder, Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO):

“Wir waren erst letzte Woche als Teil einer UN-Mission in der Region. Nach unsere Schätzungen – vorläufig angesichts der Risikolage – sinkt die Wirtschaftsleistung um 12 Prozent. In den drei Ländern Sierra Leone, Liberia, Guinea kann man bereits davon ausgehen.”

Insgesamt aber läuft die Wirtschaft in Afrika auch im Jahr 2015 weiter gut.

Südlich der Sahara erwartet die Weltbank 4,6 Prozent Wachstum – etwas weniger als die bisher prognostizierten 5 Prozent – wegen Ebola und der fallenden Rohstoffpreise.

Isabelle Kumar, euronews:

“Winnie Byanyima, Oxfam hat vor kurzem einen Bericht veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass nur 1% Wohlhabende bald mehr als die Hälfte des Vermögens der Menschheit angehäuft haben werden. Gibt es eine Möglichkeit, die Entwicklung aufzuhalten?”

Winnie Byanyima, Direktorin der Nichtregierungsorganisation Oxfam International:

“Ja, das ist möglich. Denn die extreme Ungleichheit ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von Entscheidungen. Die richtigen politischen Entscheidungen können die Entwicklung umkehren.”

euronews:

“Glauben Sie, Sie stoßen in Davos auf offene Ohren?”

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Byanyima:

“Ja. Wirtschaftsführern und Politikern ist an einer stabilen Gesellschaft gelegen, wo sie Profite machen oder gut regieren können. Und so langsam kommt bei ihnen die Botschaft an: Wenn das Ruder nicht herumgerissen wird und die extreme Ungleichheit schnell wächst, dann ist das schlecht für das Wachstum. Wir können Armut nicht gänzlich ausrotten. Ungleichheit ist schlecht für Regierungen und für das Wohlergehen der Gesellschaft.”

euronews:

“Werfen wir einen Blick auf die von Ebola getroffenen westafrikanischen Staaten. Es mutet fast tragisch an, dass wenige Menschen so große Gewinne machen, die doch viel besser eingesetzt würden, wenn man Ländern wie Sierra Leone, Liberia und Guinea hilft.”

Byanyima:

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“Stimmt voll und ganz. Ein Weg, extreme Ungleichheit zu verringern, ist ein globales Besteuerungssystem. Solange die Unternehmen, die in Liberia und Sierra Leone Gewinne erwirtschaften, keine angemessenen Steuern zahlen, werden diese Staaten niemals die Ressourcen haben, um Gesundheitssysteme aufzubauen, die Krisen wie Ebola verhindern können.”

euronews:

“Denken Sie denn, dass es hier Leute gibt, die diesen Ländern Geld geben?”

Byanyima:

“Es geht hier nicht um Versprechen. Das Weltwirtschaftsforum in Davos ist keine Geberkonferenz, es geht hier um Netzwerke. Wir können bei bestimmten Themen einen Konsens finden, wenn es zum Beispiel um den globalen Steuer-Gipfel in diesem Jahr geht, wo die internationale Gemeinschaft sich darauf einigen kann, ein globales Steuersystem einzurichten. Oder wo es um eine Einigung geht, mehr Ressourcen in das öffentliche Gesundheitswesen und die Schulbildung zu stecken, die für alle Menschen gratis sein sollen. Das sind Konsensthemen in Wirtschaft und Regierung.”

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euronews:

“Kommen wir zu Afrika. Können Sie einen Bereich nennen, der 2015 Ihrer Meinung nach erfolgversprechend ist, und einen, in dem es weniger gut laufen dürfte?”

Byanyima:

“Optimistisch bin ich angesichts des starken Wachstums. Das ist gut und positiv und es geht hoffentlich so weiter. Aber ich bin nicht sehr optimistisch, wenn ich sehe, dass das Wachstum Politikern und einer Elite zugute kommt, die mit multinationalen Unternehmen zusammenarbeiten. Denn der geschaffene Wohlstand verbessert nicht den Alltag der normalen Menschen, er schafft keine Jobs und nutzt weder der Gesundheit noch der Bildung. Wir müssen mehr unternehmen, damit die Ressourcen den Menschen zugute kommen.”

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