Jahrestagung von IWF und Weltbank: Rezept gegen Krise gesucht

Jahrestagung von IWF und Weltbank: Rezept gegen Krise gesucht
Von Euronews
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In Washington hat die Jahrestagung von IWF und Weltbank begonnen. Es geht unter anderem darum, die kriselnde Weltwirtschaft wieder auf Kurs zu bringen und dafür das richtige Rezept zu finden. Ein besonderes Auge haben die Wirtschaftslenker auf die Eurozone, wo ausgerechnet Deutschland zuletzt schwächelte.

IWF-Chefin Christine Lagarde sagte: “Es dauert sehr lange, bis die Weltwirtschaft aus dem Loch geklettert sein wird, das von der großen Rezession ausgehoben wurde. Wir sind mitten in einer schmerzhaften Arbeitsmarktkrise, 200 Millionen weltweit Menschen haben keinen Job und suchen eine Arbeit. Würden alle Arbeitslosen ein Land bilden, wäre es das fünftgrößte Land der Welt.”

Ein weiterer Kernbegriff des Treffens: Infrastruktur. In sie soll nach dem Willen von IWF und Weltbank verstärkt investiert werden. Besonders in Europa und den USA. Dafür hat die Weltbank ein neues Programm namens GIF ins Leben gerufen.

Weltbank-Präsident Jim Yong Kim: “Diese Plattform, die Global Infrastructure Facility (GIF), bringt institutionelle Investoren, Entwicklungsbanken und öffentliche Amtsträger zusammen, um Defizite im Bereich Infrastruktur auf neue und kreative Weise anzugehen. Gemeinsam werden sie stabile Infrastrukturprojekte für Schwellen- und arme Länder schaffen.”

Angesichts von Problemen wie der hohen Arbeitslosigkeit weltweit stimmt der IWF neuerdings also andere Töne an. War früher viel von Sparen und Austerität die Rede, geht es nun um Investitionen, also darum, Geld auszugeben.

IWF-Vize Lipton: “Die Krise in der Ukraine birgt ein hohes Risiko”

Wir haben in Washington mit dem stellvertretenden Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), David Lipton, gesprochen. Der Ausblick des IWF auf die Wirtschaft der EU ist nicht rosig. Außerdem drohen die Krisen im Nahen Osten und in der Ukraine zu einer Gefahr für die Weltwirtschaft zu werden.

Stefan Grobe, euronews
Herr Lipton, die Erholung in Europa ist nicht zu Ende, aber sie ist ziemlich schwach. Nun sagt der IWF, dass es 2015 für das Wachstum in Europa praktisch noch schlechter aussieht – wie auch in Japan. Warum ist das so und wie sieht das Bild für die einzelnen Länder aus?

David Lipton
Europa hat es mit den Folgen einer äußerst schwerwiegenden Krise zu tun. Jetzt muss es sich um die Folgen all der Schulden, der Staatsschulden, der Haushaltsschulden kümmern und darum, die Banken zu stärken. Andere Länder haben ihre Probleme schon seit längerem überwunden. Die USA hatten früher eine Krise, und sie sind damit ehrlich gesagt ziemlich gut umgegangen. Japan unternimmt Schritte, um die Krise daheim zu überwinden, die ja schon vor Jahrzehnten begann und die das Wachstum stark gehemmt hat. Europa muss jetzt einen Weg finden, um nicht in Niedrigwachstum und geringer Inflation gefangen zu bleiben. Wir haben bei all unseren Treffen gesagt, dass die Welt riskiert, wirtschaftlich in die Mittelmäßigkeit abzurutschen, und das gilt auch für Europa. Wir glauben, dass Europa mehr leisten kann, aber wir sorgen uns auch ein wenig, dass sich die Lage in Europa ohne die richtige Politik verschlechtern könnte.

euronews
Der IWF und andere bestehen darauf, dass Strukturreformen von zentraler Bedeutung sind für Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Nun hat Europa insgesamt seine Hausaufgaben nicht gemacht, sonst wären die Zahlen besser. Welche Gegenden Europas müssen sich verbessern?

David Lipton
Zunächst ist es wichtig anzuerkennen, dass eine ganze Reihe an Ländern tiefgreifende Strukturreformen umgesetzt haben. Das sind in der Regel Länder, wo es von der Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF unterstützte Wirtschaftsprogramme gegeben hat. Aber insgesamt besteht noch deutlich mehr Raum, um die Wachstumsrate in Europa zu steigern, indem man nachhaltige Strukturreformen umsetzt. Dies umfasst Schritte auf dem Arbeitsmarkt, um die Erwerbsbeteiligungsquote zu erhöhen, um es den Menschen zu erleichtern, sich innerhalb der Wirtschaft zu bewegen, das umfasst Reformen bei der Produktion und im Dienstleistungsbereich, damit die Märkte besser funktionieren.

euronews
Ein Kernthema beim Jahrestreffen ist die Infrastruktur, oder die fehlenden Investitionen in diesem Bereich. Warum sind öffentliche Investitionen hier so wichtig und worin bestehen die politischen Hürden?

David Lipton
Uns geht es darum zu unterstreichen, dass jetzt der perfekte Zeitpunkt ist, um das Problem anzusprechen, denn die Infrastruktur, die entstehen würde, hätte zwei wichtige Auswirkungen: Langfristig würde sie zu mehr Produktivität und einem höheren Wachstum des Landes führen. Diese Infrastruktur könnte der Bevölkerung dienen, den Haushalten, und sie könnte den Bedürfnissen von Unternehmen entgegenkommen.Und kurzfristig bedeutet der Ausbau der Infrastruktur eine zusätzliche Nachfrage. Dies wäre eine Politik, die sowohl Nachfrage als auch Angebot steigert.

euronews
In den vergangenen Wochen und Monaten haben Angst und Unsicherheit praktisch überall auf der Welt ein neues Niveau erreicht. Der IWF hat drei große Risiken für die Weltwirtschaft ausgemacht: das Ebola-Virus, die Lage im Nahen Osten und die instabile Situation in der Ukraine. In welchem Maße bedrohen diese Krisen die Erholung der Weltwirtschaft?

David Lipton
Es ist bedauerlich, dass wir es zusätzlich zu den wirtschaftlichen Herausforderungen, denen die Länder bei der Stärkung der Wirtschaft gegenüberstehen, nun noch mit geopolitischen Risiken zu tun haben. Bisher ist keines davon zu einem Punkt gelangt, wo wir schwerwiegende Folgen für das weltweite oder das europäische Wachstum befürchten müssten. Aber jede Krise birgt ein bestimmtes Risiko in sich, speziell die Krise in Russland und der Ukraine. Im Moment werden die Wirtschaften Russlands und der Ukraine beschädigt. Es gibt Sanktionen, die die Probleme für Russland weiter verschärfen. Sollten diese Konflikte nicht bald gelöst werden, dann könnte das dazu führen, dass das Vertrauen in den Europäischen Wirtschaftsraum deutlich abnimmt und möglicherweise auch dazu dass Sorgen entstehen, was Energieversorgung Europas durch Russland betrifft.

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