Irlands Regierungschef entschuldigt sich für "Mutter-und-Kind-Heime"

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Von su mit AP, AFP
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Zwischen 1922 und 1998 waren rund 9.000 Kinder alleinstehender Mütter in kirchlichen und staatlichen Pflegeheimen wegen „Vernachlässigung, Unterernährung und Krankheit“ gestorben – das hatte eine Untersuchung nach fünf Jahren Arbeit ergeben.

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Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Schreckens in katholischen „Mutter–und-Kind-Heimen“ hat sich Irland für dieses düstere Kapitel seiner jüngsten Geschichte entschuldigt.

...abgrundtiefes Generations-Unrecht
Micheál Martin
irischer Premierminister

Der Premierminister Micheál Martin im Parlament:

“Ich entschuldige mich für das abgrundtiefe Generations-Unrecht ... gegenüber irischen Müttern und ihren Kindern, die in einem „Mutter–und-Kind-Heim“ oder einem Bezirksheim gelandet sind. Wie die Kommission klar sagt, gehörten sie da nicht hin. Ich entschuldige mich für Schande und Stigmatisierung, denen sie ausgesetzt waren und die einige bis heute belasten. Und ich möchte mich entschuldigen, dass jeder von Ihnen durch das Unrecht anderer in so einer Institution war, jeder von Ihnen kann nichts dafür, jeder von Ihnen hat nichts falsch gemacht und keinen Grund, sich zu schämen.”

Zwischen 1922 und 1998 waren rund 9.000 Kinder in kirchlichen und staatlichen Pflegeheimen wegen „Vernachlässigung, Unterernährung und Krankheit“ gestorben – das hatte eine am Dienstag veröffentlichte Untersuchung nach fünf Jahren Arbeit ergeben.

CARMEL

Carmel Larkin, eine Überlebende aus dem Heim in Tuam, wo demnach 1.000 Kinder zu Tode kamen - hier war der Skandal durch die jahrelange Wühlarbeit der Lokalhistorikerin Catherine Corless ans Licht gekommen:

“Das ist unser Holocaust, oder? Den Holocaust gab es in Deutschland, aber die Mutter-und Kind-Heime, das war unser Holocaust. So sehe ich das.”

Das Mutter-Kind-Heim in Tuam war das erste von 18 Einrichtungen in ganz Irland, das Einwohner in dem kleinen Ort der Grafschaft Galway aufmerksam werden ließ. Von 1925 bis 1961 leitete der Nonnenorden "Bon Secours Sisters" die Institution "St. Mary's", im Ort als "Das Heim" bekannt. 1975, 14 Jahre nachdem die Einrichtung geschlossen worden war, fanden zwei Jungen beim Spielen auf dem Gelände ein Loch "voll mit Kinderskeletten". Laut einem Artikel der irischen Nachrichten-Webseite thejournal.ie hielt der Priester dort eine Messe und schloss das Grab wieder.

Als Corless Wind von den Gräbern bekam, wurde nachgeforscht. Sie gelangte an Dokumente der in "St. Mary's" gestorbenen Kinder und kam auf knapp 800 in 36 Jahren, darunter Säuglinge bis Neunjährige. Der neueste Bericht ermittelte knapp 1.000 Tote.

DOPPELTE KINDERSTERBLICHKEIT

Landesweit wurden demnach 56.000 alleinstehende Mütter, die keine andere Wahl hatten, als dort unterzukommen, wie auch ihre Kinder misshandelt und vernachlässigt – die Kindersterblichkeit war fast doppelt so hoch wie sonst im Land. Den Behörden war das offenbar bekannt, jedoch "wurde keine öffentliche Besorgnis über die Bedingungen geäußert“.

Susan Lohan, Interessensvertreterin für Adoptionrechte (Adoption Rights Alliance):

“Sie verwenden verharmlosende Begriffe, Ausdrücke wie erzwungene Adoption oder illegale Adoption wurden nicht gebraucht. Sie sagen sogar, dass sie keine Beweise dafür finden können, dass die “Mutter- und-Kind-Heime” an illegalen Adoptionen beteiligt waren. Ich habe aber beweiskräftige Dokumente.”

Finanzielle Entschädigungen sind offenbar nicht vorgesehen – trotz der Entschuldigungen des Staates und der Kirche – Papst Franziskus hatte schon 2018 bei einem Besuch in Irland um Verzeihung gebeten für Skandale und Verbrechen von Kirchenleuten in der Vergangenheit. Der Vorsitzende der irischen Bischofskonferenz Eamon Martin entschuldigte sich jetzt nach Erscheinen des belastenden Berichts.

su mit AP, AFP

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