Welche Auswirkungen hatte Taliban-Übernahme auf Europa? 5 Infografiken

Ein evakuierter afghanischer Junge mit einem Kind auf dem Arm, auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein, 24. August 2021
Ein evakuierter afghanischer Junge mit einem Kind auf dem Arm, auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein, 24. August 2021 Copyright Matthias Schrader/The Associated Press
Von Joshua Askew
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Die Machtergreifung Afghanistans durch die Taliban vor einem Jahr löste einen Exodus aus - aber wie viele Afghan:innen haben schließlich Asyl in der EU gesucht? Und wohin sind sie gegangen?

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Vor einem Jahr haben die Taliban wieder die Macht in Afghanistan übernommen. Das hat einen Massenexodus von Afghan:innen ausgelöst, die aus Angst vor den neuen Machthabern und sich verschlechternden Lebensbedingungen geflohen sind.    

Aber wie viele Afghan:innen haben schließlich Asyl in der EU gesucht? Und wohin sind sie gegangen?

Doppelt so viele afghanische Asylanträge wie im Vorjahr

Die Zahl der Afghan:innen, die in der Europäischen Union Asyl beantragt haben, hat sich im Monat nach der Machtübernahme durch die Taliban am 15. August 2021 im Vergleich zu den Zahlen vom Juli mehr als verdoppelt. Das geht aus den Daten von Eurostat hervor. 

Im Juli 2021, einen Monat vor der Machtübernahme, hatten rund 6.500 Afghan:innen Asyl in der EU beantragt. Diese Zahl stieg im September sprunghaft auf rund 14.400 an. 

Trotz eines Rückgangs in den ersten Monaten des Jahres 2022 lag die Zahl der afghanischen Staatsangehörigen, die Asyl beantragten, immer noch deutlich über der Zahl vom Frühjahr letzten Jahres.

Viel weniger afghanische Asylanträge als 2015/2016

Um besser einordnen zu können, wie sich der Abzug der USA und die anschließende Machtergreifung der Taliban auf die afghanische Migration nach Europa ausgewirkt haben, müssen wir die Jahre 2021/22 mit den Vorjahren vergleichen.

Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der afghanischen Staatsangehörigen, die in Europa Asyl beantragt haben, im Vergleich zu den vorangegangenen 12 Monaten mehr als verdoppelt.

Aber es sind immer noch weit weniger Anträge als in den Jahren 2015 und 2016, als Afghan:innen - angesichts der anhaltenden Instabilität im eigenen Land und der wiedererstarkten Taliban - zusammen mit Hunderttausenden Syrer:innen nach Europa kamen. In diesen beiden Jahren hatten mehr als 360.000 Afghan:innen Asyl in der EU beantragt.

Deutschland hat ein Drittel der afghanischen Geflüchteten aufgenommen

Eine größere Anzahl von afghanischen Asylanträgen wurde in den wohlhabenden westlichen EU-Ländern gestellt. Deutschland hat im Zeitraum zwischen August letzten Jahres - als die Taliban Kabul einnahmen - und April, dem letzten Monat, für den Eurostat Daten vorliegen, etwa ein Drittel, das sind 23.940 Geflüchtete, aufgenommen. 

Das zweitbeliebteste Zielland war Frankreich, das im gleichen Zeitraum 13.730 Erstanträge erhielt.

Es gibt jedoch einige bemerkenswerte Ausnahmen. In Ungarn, Malta und Liechtenstein wurde laut Eurostat kein einziger afghanischer Asylantrag registriert.

Welches Land erhält die meisten afghanischen Asylanträge pro Kopf?

Setzt man die oben genannten Zahlen in Relation zur Bevölkerungszahl eines Landes, ergibt sich ein anderes Bild.

Auf dieser Grundlage hat Slowenien die meisten afghanischen Asylanträge erhalten. Seit der Rückkehr der Taliban an die Macht im August vergangenen Jahres wurden 128 Anträge pro 100.000 Einwohner:innen des Landes gestellt.

An zweiter Stelle liegt Österreich mit 107 pro 100.000 Einwohner:innen, dicht gefolgt von Bulgarien - einem der ärmsten Länder der EU - mit 105 Anträgen. 

Und Deutschland und Frankreich? Gemessen an der Bevölkerungszahl liegt Deutschland auf Platz 9,  Frankreich liegt mit Platz 14 in der EU genau in der Mitte.

Zuletzt rund 80% der afghanischen Asylanträge angenommen

Der Anteil der angenommenen afghanischen Asylanträge ist unmittelbar nach der Machtübernahme der Taliban gestiegen.

Zwischen Juli und September wurden 67 % der Anträge positiv beschieden, gegenüber 57 % zwischen Januar und Juni.

Von Oktober bis Dezember stieg die Quote der bewilligten Asylanträge sprunghaft auf 88 %, in den ersten drei Monaten dieses Jahres lag die Zahl bei 81 %.  

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Catherine Woollard, die Direktorin des Europäischen Rates für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen, sagt, dass es für afghanische Asylbewerber:innen in Europa "ernsthafte Bedenken" gibt.

Sie spricht von einer "Asyl-Lotterie", die Schutzquoten innerhalb der EU würden erheblich voneinander abweichen. Außerdem besteht laut Woollard "ein langjähriges Problem" darin, dass Afghanen im Vergleich zu anderen Nationalitäten viel länger auf Asyl warten müssen.

Laut Eurostat-Daten waren im Jahr 2022 im April 97.960 Asylanträge von afghanischen Staatsangehörigen anhängig.

Woollard sagte auch, dass Afghan:innen von "Gewalt an den Grenzen, Pushbacks und anderen Bemühungen, den Zugang zum EU-Territorium zu verweigern", "stark betroffen" seien, was sie davon abhalte, überhaupt einen Asylantrag zu stellen.

"Wie die Reaktion auf die Ereignisse in der Ukraine zeigt, kann Europa Vertreibungskrisen bewältigen und Flüchtlinge unterstützen, wenn die Entscheidung gefallen ist", sagte sie und fügte hinzu, dass die Zahl der Afghan:innen, die nach Europa kommen, "kleiner [als die der Ukrainer] und überschaubar" sei.

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