Strukturelles Versagen: Griechische Eisenbahner warnten seit Jahren vor Sicherheitsmängeln

Im ganzen Land fanden Kundgebungen statt, um gegen das schwerste Zugunglück in Griechenland zu protestieren
Im ganzen Land fanden Kundgebungen statt, um gegen das schwerste Zugunglück in Griechenland zu protestieren Copyright Giannis Papanikos/Copyright 2023 The AP.
Von Joao Vitor Da Silva Marques
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Der griechische Verkehrsminister ist zurückgetreten, der Chef der Betreibergesellschaft Hellenic Train wurde festgenommen. Der angeklagte Bahnhofsvorsteher der Stadt Larisa erscheint vielen Griechen als Bauernopfer.

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Bahngewerkschaften haben nach dem Zugunglück mit mindestens 57 Toten vor der Zentrale der nationalen Eisenbahngesellschaft protestiert. In Athen als auch in Thessaloniki gab es Streiks und zum Teil gewalttätige Proteste vor Büros der Betreibergesellschaft der Bahn, Hellenic Trains. Die ist allerdings gar nicht verantwortlich - die Infrastruktur des Netzes liegt in der Hand der staatlichen Gesellschaft OSE. Der Protest richtet sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen und den technischen Zustand des Bahnnetzes. Der Verkehrsminister ist zurückgetreten, der Chef der Betreibergesellschaft Hellenic Train wurde festgenommen. 

Kritik am Katastrophenmanagement

Angehörige der Opfer kritisierten das Katastrophenmanagement nach dem Unglück. Von den 370 Passagieren werden noch 56 vermisst, die Rettungsarbeiten werden absehbar beendet. Die Opfer sind zum Teil völlig verbrannt und können nur per DNA-Analyse identifiziert werden, was dauert. Deshalb wird auch damit gerechnet, dass die Zahl der Toten noch weiter steigt.

Gleichzeitig häufen sich die Vorwürfe an den Staat und die staatliche Bahngesellschaft. Das elektronische Leitsystem soll seit 20 Jahren kaum mehr funktioniert haben.

Vorwürfe gegen Staat und staatliche Bahngesellschaft

2013 wurde die griechische Bahn in Folge der Finanzkrise privatisiert, Gewerkschaften warnten immer wieder vor Sicherheitsmängeln, sie appellierten sowohl an das Bahnunternehmen als auch an die Regierung. Ohne Erfolg. Erst vor drei Wochen hatten Bahngewerkschafter an die staatliche Bahngesellschaft geschrieben und vor dem technischen Zustandund des Bahnnetzes gewarnt - nicht zu ersten Mal. 

Angeblich funktionierten die Lichtsignale auf der rund 500 Kilometer langen Strecke Athen-Thessaloniki bereits seit Jahren nicht mehr. Auch sei das ETCS (European Train Control System) - das System, das den Zug stoppt, wenn Gefahr droht, und das so vor menschlichem Versagen schützt - außer Betrieb. Im April 2022 warf der Chef des European Traffic Control System (ETCS) in Griechenland, Christos Katsioulis, wegen gravierender Mängel seinen Job hin. In seinem Rücktrittsschreiben warnte Katsioulis vor hohen Sicherheitsrisiken.

"Bauernopfer" Bahnhofsvorsteher

Das Geständnis des Bahnhofsvorstehers in der Stadt Larisa, der letztlich durch falsche Entscheidungen und Aktionen das Unglück herbeigeführt haben soll, erscheint vielen Griechen als Bauernopfer. Der 59-Jährige war nach dem Unglück festgenommen und unter anderem wegen fahrlässigen Totschlags und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt worden. Er gestand Fehler ein und dadurch den Personenzug aufs falsche Gleis geschickt zu haben, so dass dieser auf offener Strecke frontal mit einem Güterzug zusammenstieß.

 Beobachter rechnen damit, dass es weitere Rücktritte und Rausschmisse geben wird - auch wenn das schwere Unglück damit noch längst nicht vollständig aufgeklärt sein wird.

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