Ein Test für beide Seiten: Merkels Besuch in Brüssel

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Der Besuch Angela Merkels in Brüssel war ein Test für beide Seiten – für die deutsche Bundeskanzlerin wie für die Europäische Kommission. Zur Sprache

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Der Besuch Angela Merkels in Brüssel war ein Test für beide Seiten – für die deutsche Bundeskanzlerin wie für die Europäische Kommission. Zur Sprache kam eine ganze Reihe von Themen: das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA, die Ukraine und nicht zuletzt Griechenland. Über ein drittes Hilfspaket für Athen wollte Merkel nicht spekulieren: “Jetzt geht es darum, das vereinbarte Papier, das in der Eurogruppe vereinbart wurde, auch umzusetzen. Die drei Institutionen – die Troika – wird das dann bewerten und ich glaube, wir haben alle Hände voll zu tun im Augenblick, dieses wirklich erfolgreich voranzubringen.” Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dementierte Berichte deutscher Medien, wonach es große Meinungsunterschiede zwischen ihm und Merkel geben soll: “Ich bewundere den Starrsinn einiger Journalisten der überregionalen deutschen Medien, die dauernd schwerste Konflikte zwischen der Bundeskanzlerin und dem Kommissionspräsidenten ausmachen. Mir sind die inzwischen nicht aufgefallen.”

Über die Machtbalance zwischen Brüssel und Berlin, die neue Regierung in Athen und die Friedensinitiative der Bundeskanzlerin für die Ukraine sprachen wir mit Jan Techau von der Brüsseler Denkfabrik Carnegie Europe.

euronews:
“Welches ist das wichtigste Anliegen Angela Merkels?”

Jan Techau:
“Also das Thema, um das es immer gehen wird, ist der Euro in den verschiedensten Ausformungen. Da gibt es sozusagen an der Oberfläche einen Streit um die Frage, wie tough soll man sein mit den Defizitländern, mit den Ländern die Hilfe brauchen. Und dann gibt es noch ein darunter liegendes Thema, das eigentlich verhandelt wird: Nämlich die Frage der Machtbalance zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedsstaaten. Die Kommission hat in den vergangenen Jahren, in der Krisenzeit sehr stark an Boden verloren und Jean-Claude Juncker versucht hier ein gehöriges Stück Macht für die Kommission zurückzugewinnen. Das gefällt der Kanzlerin nicht.”

euronews:
“Wie groß sind die Meinungsunterschiede zwischen Berlin und Brüssel, was den Stabilitätspakt anbelangt?”

Jan Techau:
“Es ist kein Geheimnis, dass Jean-Claude Juncker sozusagen milder gestimmt ist. Er hat immer das Argument, dass es ein Misstrauen gibt in den Mitgliedsstaaten gegenüber der Europäischen Union, gegenüber den Institutionen. Man müsse da einen anderen Ton anschlagen, man müsse da etwas entgegenkommender sein. Und Frau Merkel, wenn sie das hört von ihm, hört sie eigentlich nur: ‘Wir müssen sozusagen die Kriterien aufweichen, wir müssen diesen Ländern stärker entgegenkommen’. Ich glaube nicht, dass sie grundsätzlich anderer Auffassung sind über das, was Europa sein soll, aber über die Frage, wie man den Euro wieder flott macht und die Eurozone konsolidiert, da gibt es doch Meinungsunterschiede.”

euronews:
“Der deutsche Anteil an den Hilfsprogrammen für Griechenland beläuft sich auf rund 65 Milliarden Euro. Trotzdem gibt es Stimmen in Athen, denenzufolge Deutschland an der Krise mitschuldig ist.”

Jan Techau:
“Viele der Versuche der Griechen, das alte System auszuhebeln und in der Eurogruppe für einen milderen Kurs zu stimmen, sind eigentlich gescheitert. Die verschiedenen Versuche haben nicht gefruchtet und am Ende musste man doch wieder ein Hilfsprogramm in Anspruch nehmen. Und jetzt kommt der nächste große Showdown: Es ist absehbar, dass Griechenland wieder Geld brauchen wird, im Sommer spätestens. Die griechische Regierung kann sich eigentlich nicht leisten, nochmals betteln zu gehen, so wie sie das selber wahrnimmt. Gleichzeitig kann sie aber auch nicht riskieren, am Ende in Griechenland einen failed state zu schaffen.”

euronews:
“Auf der Suche nach einer Lösung, nach einer friedlichen Lösung für die Ukraine hat Angela Merkel die Initiative übernommen. Welches sind die Gründe dafür?”

Jan Techau:
“Der Grund dafür, dass Frau Merkel hier sozusagen in einer führenden Position in Europa ist, hat mit zwei Dingen zu tun: Erstens mit der starken deutschen Position im Verhältnis zu Russland. Es geht da nicht nur um ihren persönlichen Draht sondern vor allen Dingen um die Rolle, die Deutschland für Russland spielt, es ist der größte Wirtschaftspartner, das Handelsvolumen ist sehr sehr groß. Kein anderes europäisches Land hat so viel Einfluss auf Russland, wenn man so will. Das ist der eine Grund. Und der andere Grund ist die Schwäche der anderen, der klassischen außenpolitischen Mächte in Europa: Großbritannien und Frankreich fallen beide in der Russland-Frage mehr oder weniger aus.”

euronews:
“Ist es nicht auch eine Chance für Europa, erneut auf der internationalen Bühne ein wichtiger Akteur zu werden?”

Jan Techau:
“Ganz klar: Das ist der größte außenpolitische Test für die Europäische Union, im Grunde seit ihres Bestehens. Hier stellt sich jetzt die Frage: Kann sie das? Kann sie dieses Spiel durchhalten? Nicht nur im aktuellen Krisen-Bewältigungsgeschäft – das tägliche Reagieren auf die neueste Volte -, sondern auch die Frage: Kann die EU hier eine Position einnehmen, die über zehn, fünfzehn Jahre trägt, um ein strategisches Ziel zu erreichen?”

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