So geht es den Portugiesen nach vier Jahren Sparpolitik

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Von Euronews
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Im Jahr 2011 erhielt Portugal ein 78 Milliarden Euro schweres Hilfspaket von der EU und dem IWF. Vergangenen Mai kam das Land aus dem

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Im Jahr 2011 erhielt Portugal ein 78 Milliarden Euro schweres Hilfspaket von der EU und dem IWF. Vergangenen Mai kam das Land aus dem Rettungsprogramm. Die Zinsen für zehnjährige Anleihen sind auf 2,5 Prozent gefallen, verglichen mit 18 Prozent vor drei Jahren.

Die portugiesische Wirtschaft rechnet für dieses Jahr mit einem Wachstum von 1,6 Prozent. Es wäre der stärkste Anstieg seit 2010. Vergangenes Jahr ging es für die Wirtschaft um 0,9 Prozent nach oben, nach drei Jahren des Rückgangs. Der Vizeregierungschef Paulo Portas geht sogar davon aus, dass das Wachstum in den kommenden Jahren auf mehr als 2 Prozent steigen wird.

Die Parlamentswahlen, die vermutlich im Oktober stattfinden, werden die Politik Portugals wohl nicht derart verändern, wie es bei der Wahl in Griechenland geschah, denn eine ernstzunehmende portugiesische Syriza gibt es nicht.

Portugal, so Portas, sei ein Land der Mitte, das wenig zu Extremen tendiere.

INTERVIEW: “Die Portugiesen sind ärmer”

Dulce Dias, euronews
Nur wenige Länder hatten es mit so vielen Problemen zu tun wie Portugal. Vor vier Jahren begann das Hilfsprogramm der Troika. Portugal unterzog sich harten wirtschaftlichen und finanziellen Anpassungen. Eine Zeit des Sparens und Reformierens. Wir sprechen mit Paulo Almoster, er ist Wirtschaftsredakteur beim portugiesischen Fernsehsender TVI. Lassen Sie uns über die Veränderungen in den vergangenen Jahren sprechen. Was wurde strukturell in der portugiesischen Regierung, im Staat, geändert?

Paulo Almoster
Strukturell hat sich im portugiesischen Staat wenig geändert. Dasselbe gilt für die Wirtschaft. In dieser kurzen Zeit können wir keine Ergebnisse des Troika-Programms oder seine strukturellen Auswirkungen sehen.

Aber es gibt dauerhafte strukturelle Veränderungen im Leben der Menschen und was ihr Verhältnis zum Staat angeht: Die Steuern sind gestiegen. Um die Ziele zu erreichen, auf die man sich 2012 geeinigt hatte, musste die Regierung die Steuern deutlich erhöhen. Zum Beispiel stieg die Einkommenssteuer um 30 Prozent.

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Wird es weitere Erhöhungen geben?

Paulo Almoster
Das Problem ist, dass wir keine sonderlich guten Aussichten haben. Es ist unklar, wie wir diese hohe Steuerlast in den kommenden Jahren absenken wollen. Denn das Land hat Verträge nach europäischen Vorgaben unterzeichnet, die uns verpflichten, die Steuern über die kommenden 20 oder 30 Jahre nur allmählich abzusenken. Ich denke, diese hohen Steuern werden erst einmal bleiben.

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Wie wirkt sich das alles auf das Leben der Menschen aus?

Paulo Almoster
Die Menschen gewöhnen sich daran, weniger Geld zu haben. Die Portugiesen sind heute in der Tat ärmer. Die Gehälter haben sich nicht groß verändert, aber wir sprechen über Gehälter vor Steuern, was bedeutet, dass das Nettoeinkommen gesunken ist. Ich spreche über die Mittelschicht, sie zahlt den Großteil der Steuern.

Was den Konsum angeht, so kaufen die Menschen viel weniger Autos, die Verkäufe sind drastisch zurückgegangen. Jetzt erholen sich die Zahlen langsam, sie sind aber immer noch sehr niedrig.

Im Supermarkt kaufen die Menschen kaum noch Rindfleisch und statt dessen Hühnchen oder Putenfleisch, das ist viel billiger.

Das sind also konkrete Beispiele, wie die Menschen sich an die Lage angepasst haben.

Die Leute nehmen inzwischen ihr Mittagessen mit zur Arbeit. Die Restaurants bekamen das zu spüren, viele stecken in der Krise. In den vergangenen Jahren war Portugal das Land, in dem der Verkauf von Küchengeräten wie Thermomix oder Bimbis enorm zugenommen hat.

Die Menschen machen weniger Urlaub und bleiben in Portugal, statt ins Ausland zu gehen. Das ist natürlich gut für den portugiesischen Tourismus, aber es war nicht ihre Wahl. Es geschah, weil die Leute kein Geld ausgeben müssen.

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Spiegelt dieses veränderte Verhalten auch eine veränderte Mentalität, oder ist das nur kurzfristig?

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Paulo Almoster
Das ist schwer zu sagen, denn es ist nur wenig Zeit vergangen. Die Menschen sind immer noch sauer auf die Troika und die Politiker. Im September oder Oktober sind Parlamentswahlen, dann werden wir sehen, ob und auf welche Weise die Menschen die Parteien abstrafen werden.

Wenn wir die Umfragen anschauen, sehen wir keine solchen Entwicklungen, wie es sie in Griechenland mit Syriza oder in Spanien mit Podemos oder den Ciudadanos gibt, die bei Wahlen ins Gewicht fallen, zumindest laut den Umfragen.

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Die Troika hat Portugal vor rund sechs Monaten verlassen, aber das Land steht bis mindestens 2026 unter Beobachtung. Welche Zukunft sehen Sie für Portugal?

Paulo Almoster
Mit den bestehenden Kompromissen wird das Sparen noch jahrelang weitergehen. Das liegt an der Verpflichtung, das öffentliche Defizit zu senken.

Der Staat hat keine Möglichkeit, die Steuern zu senken oder die Pensionen zu erhöhen. Und das in einem Land, das sehr schnell altert.

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In den vergangenen Jahren sind viele junge Menschen ausgewandert. Sie sind weg. Das war eine qualifizierte Generation, in Portugal ausgebildet, und nun arbeitet sie im Ausland.

Dafür sind die alten, pensionierten Menschen dageblieben. Sie besitzen mehr und mehr und sie leben immer länger. Folglich werden die Pensionen immer niedriger und das Renteneintrittsalter wird steigen.

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