Frankreich - der wahrscheinlichste Kandidat für den nächsten EU-Austritt?

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Nach dem Brexit könnte Frankreich der nächste Kandidat für einen Austritt aus der Europäischen Union sein.

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Nach dem Brexit könnte Frankreich der nächste Kandidat für einen Austritt aus der Europäischen Union sein. Zwei Monate nach dem Großbritannien entschieden hat, die EU zu verlassen, hat Frankreich keine Ideen, wie es die Euroskeptiker im eigenen Land bekämpfen soll, meinen Experten.

Eine Wirtschaftskrise, Terrorangriffe und die Rückkehr von Nicolas Sarkozy auf die politische Bühne, all das könnte Marine Le Pen bei der Wahl im kommenden Jahr in Frankreich den Rücken stärken und zu einem ähnlichen Referendum wie in Großbritannien führen, meint Dr. Simon Usherwood, der zum Thema Euroskeptizismus forscht.

Weitere Austrittskandidaten könnten die Niederlande, Dänemark, Italien und Österreich sein. Allerdings wird auch auf Großbritanniens spezielle Umstände hingewiesen. Einiges müsste passieren, bevor ein Referendum in einem anderen Land wahrscheinlich würde.

EU: Beziehungsende in Sicht?

Direkt nach der Entscheidung für einen Brexit riefen einige andere Euroskeptiker nach einem ähnlichen Referendum, darunter Marine Le Pen, die Frontfrau des rechtspopulistischen Front National (FN). Damit traf sie die Stimmung im Land, schien es. Eine TNS Sofres Umfrage in Frankreich nur kurz nach dem britischen Referendum zeigte, dass 45 % der Befragten für eine Volksbefragung zum EU-Austritt waren, 44 % waren dagegen. Le Pens Plan ist einfach: Erst will sie in den Präsidentschaftswahlen im April und Mai 2017 triumphieren, und dann das Referendum abhalten.

“Das Land, in dem wir den stärksten Druck spüren werden, ist Frankreich”, schlussfolgert Usherwood. “Dort ist Le Pen sehr gut aufgestellt für die Präsidentschaftswahl. Wenn man sich die beiden großen Parteien anschaut, sieht es bei keiner von beiden gut aus. Hollande ist eine große Enttäuschung für die Linke. Wenn der einzige ernst zu nehmende Gegenkandidat für Le Pen Sarkozy ist, dann ist das nicht gerade neue Politik.”

Auch die Geschichte ist eventuell auf der Seite von Le Pen, denn die Franzosen haben in der Vergangenheit bereits einen gewissen Widerstand gegen die Europäische Union gezeigt. 1992 stimmten sie nur knapp für den Vertrag von Maastricht, und 2005 stimmten sie gegen die Europäische Verfassung.

Die Annahme vieler Experten ist zwar, dass der FN letztlich nicht in der Präsidentschaftswahl gewinnen wird, aber Usherwood, der an der Universität von Surrey forscht und lehrt, glaubt nicht, dass damit ein Endpunkt erreicht wäre. “Selbst falls es kein Referendum nach den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr gibt, in den nächsten fünf oder zehn Jahren wird der Druck weiter ansteigen, vor allem, wenn Großbritannien von seinem Austritt profitieren wird.”

Die Gruppe der Austrittswilligen

Dänemark führt die Gruppe der Austrittswilligen außer Frankreich an. Zu dieser Gruppe gehören Italien, die Niederlande und Österreich, sagt Usherwood. Die Gründe für diese Stellung sind Dänemarks Position am Rande der EU, seine wirtschaftlichen Beziehungen zu Großbritannien und die Stärke der euroskeptischen Kräfte dort. Die Dänen haben ebenfalls in drei Referenden gegen die EU gestimmt: 1992, 2000 und 2015.

Trotzdem ist es unklar, ob die dänische DPP ein Referendum abhalten will.

Italien, Das Land ist berüchtigt für seine instabilen Regierungen. Es könnte ebenfalls erleben, dass die Euroskeptiker an die Macht kommen und anschließend ein Referendum abhalten.

Regierungschef Matteo Renzi gab zu, dass es ein Fehler war, sein politisches Schicksal mit dem Referendum über die italienische Verfassung zu verknüpfen. Er hatte seinen Rücktritt angekündigt falls er die Volksabstimmung über die Verfassung zwischen Oktober und Dezember verliert. Sollte das passieren, könnte die euroskeptische Bewegung “Fünf Sterne” an die Macht kommen. “Die politische Unzufriedenheit, die negativen Gefühle gegenüber Immigranten und Muslimen und die feindschaftlichen Gefühle gegenüber der EU – all das ist sehr, sehr hoch in Italien”, meint Dr Seán Hanley, vom University College London.

Wie in Italien, könnte der kommende Herbst auch entscheidend sein in Österreich. Dort führt der rechte Politiker Norbert Hofer die Umfragen an, bevor im Oktober die Stichwahl für das österreichische Bundespräsidentenamt wiederholt wird.

Usherwood meint, dass auch nach einem möglichen Sieg Hofers dieser nicht die Befugnis hat, ein Referendum anzusetzen. Trotzdem würde sein Sieg sicherlich zu mehr Verhandlungen darüber vor den Parlamentswahlen führen.

Die Niederlande sind ein Gründungsmitglied der EU. Auch dort gibt es eine starke euroskeptische Partei. Im März 2017 werden die Niederländer an die Urnen gerufen, und die rechte Freiheitspartei von Geert Wilders führte im letzten Juni in den Umfragen. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass das Verhältniswahlrecht, das zwar kleineren Parteien beim Sprung ins Parlament hilft, gleichzeitig Wilders auch aufhalten könnte. Ein System, das auf Verhältniswahlrecht basiert, hat nur sehr selten eine Partei an der Macht, der Regelfall sind Regierungskoalitionen. es erscheint zweifelhaft, dass die anderen Parteien Wilders in dem Punkt eines EU-Referendums nachgeben würden.

Das ungarische Modell

Ein Referendum und der Austritt aus der Europäischen Union – das ist das, was die meisten Euroskeptiker wollen. Das allerdings ist nicht unbedingt wahrscheinlich oder möglich, sagt Hanley. Seiner Ansicht nach ist die Furcht vor der “Brexit Ansteckung” übertrieben. Statt eines Austritts, meint er, könnten die Euroskeptiker sich auf das ungarische Modell von Regierungschef Viktor Orbán einlassen. Orbán kämpft mit der EU um Regeln und Politik.

Was passiert als nächstes?

  • Italien – Volksabstimmung über Verfassung: Oktober – Dezember 2016
  • Frankreich – Präsidentschaftswahlen: April/May 2017
  • Niederlande – Parlamentswahl: März 2017
  • Österreich – Bundespräsidentschaftswahl, Wiederholung der Stichwahl: 2.Oktober 2016

das Interview mit Dr Simon Usherwood

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