Fuad Masum: "Ich sehe einen demokratischen Irak"

Fuad Masum: "Ich sehe einen demokratischen Irak"
Von Euronews
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euronews: “Die Existenz des Iraks als Staat ist bedroht.

euronews:
“Die Existenz des Iraks als Staat ist bedroht. Eine Gefahr ist die Spaltung, eine andere der Terrorismus und die Kontrolle durch andere Länder. Wir sprechen jetzt mit dem irakischen Staatspräsidenten Fuad Masum hier im Präsidentenpalast in Bagdad. Sie haben in Großbritannien gelebt. Hat das Leben in einem demokratischen Land einen Einfluss auf Sie jetzt und auf die Lage im Irak?”

Fuad Masum:
“Ich lebte in London. Ja, das ist richtig. Es hat mir sehr viel gebracht, in diesem Land zu leben und demokratische Strukturen kennenzulernen. So sehe ich auch die Zukunft des Iraks, ich sehe einen demokratischen Irak, wenn das Land sich gänzlich von der Diktatur befreit hat.

Außerdem lebte ich auch in anderen Ländern, in Ländern, die ähnliche Strukturen hatten wie der Irak. Und ich habe in Ländern gelebt, in denen verschiedene Volksgruppen zusammenlebten. Auch davon habe ich profitiert. Die Diversität in verschiedenen Ländern habe ich kennengelernt. Selbstverständlich hat das einen Einfluss auf mich. Alle, die lange im Ausland gelebt haben, werden das bestätigen. Man kann nicht lange im Ausland leben und nicht davon beeinflusst werden.

Ich habe viel gesehen, wovon der Irak profitieren kann, was sich der Irak als Beispiel nehmen könnte. Ich glaube, das wird auch schon in der Überarbeitung der Verfassung sichtbar.”

euronews:
“Eine der großen Herausforderungen im Moment im Irak ist der Kampf um Mossul, nicht wahr?”

Fuad Masum:
“Ja, das ist richtig. Die Kämpfe um Mossul werden vom Ministerpräsidenten koordiniert. Er arbeitet mit dem Chef der Streitkräfte zusammen. Beide werden von militärischen Experten beraten. Sie leisten alle hervorragende Arbeit. Auch die Basis, also die Soldaten der Streitkräfte, die Peschmerga-Kämpfer und die freiwilligen Kämpfer, alle arbeiten gut zusammen. Daher können sie Erfolge aufweisen.

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren große Landesteile in den Händen der IS-Miliz. Ganze Regionen hatte der IS in seine Macht gebracht. Nun ist das anders. Jetzt ist der IS nur noch in bestimmten Zonen, wie etwa in der Stadt Mossul. Daran sehen Sie, dass die Verantwortlichen innerhalb der Streitkräfte ihre Pflicht tun und zwar gut.”

euronews:
“Es gibt Stimmen, die eine humanitäre Katastrophe in Mossul befürchten. Schließlich sind viele Zivilisten dort. Wie sehen Ihre Pläne konkret aus? Wo sollen die hin, die aus Mossul fliehen, wenn die Kämpfe beginnen?

Fuad Masum:
“Diese Befürchtungen, die Sie ansprechen, gibt es in der Tat. Mehr als eine Million Zivilisten sind in Mossul. Das dürfen wir nicht vergessen. Der IS wird versuchen, sie als menschliches Schutzschild zu benutzen. Darauf müssen wir eingestellt sein.

Was die angeht, die fliehen, wir haben bereits Vorkehrungen getroffen, um Vertriebene aufzunehmen. Wir wollen eine humanitäre Katastrophe selbstverständlich vermeiden, daher dauern die Planungen um die Kämpfe auch entsprechend lang an.”

euronews:
“Kann der IS wirklich besiegt werden?”

“Ich habe Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Streitkräfte, unserer Polizei, der freiwilligen Kämpfer und der Peschmerga-Kämpfer. Sie sind gut ausgerüstet und sie haben Erfahrung im Kampf gegen den IS. Sie zwingen den IS, sich immer weiter zurückzuziehen.”

euronews:
“Es gibt so viele ausländische Truppen im Irak, Amerikaner, Iraner, Türken. Haben die irakischen Streitkräfte denn die notwendige Autorität?”

Fuad Massum:
“Alle ausländischen Truppen, mit Ausnahme der Türken, sind hier, weil der Irak es ihnen erlaubt hat. Ja, wir haben an die Länder appelliert, mit denen wir befreundet sind, uns zu helfen – mit ihren Experten, ihren Waffen und ihren Gütern für die Zivilisten.”

euronews:
“Die türkischen Truppen sind also unerlaubt im Irak. Wie wirkt sich das auf die Beziehungen mit Ankara aus?”

Fuad Masum:
“Wir haben das verurteilt. Wir haben uns sehr darum bemüht, mit Ankara zu reden und im Guten zu erreichen, dass die Türken ihre Truppen zurückziehen. Wir waren sogar bereit, eine Delegation aus Ankara hier im Irak zu empfangen. Wir haben eine Arbeitsgruppe gebildet, um gemeinsam den Rückzug der Truppen zu organisieren. Aber Ankara macht nicht mit.”

euronews:
“Es gibt die Idee einer Volksabstimmung in Bezug auf die Region Kurdistan im Irak.”

Fuad Masum:
“Eine Volksabstimmung bedeutet noch lange kein unabhängiges Kurdistan. Dies kann nur entstehen, wenn die irakische Führung es zulässt. Das gilt im Übrigen genauso für andere Regionen im Irak. Mit einer Volksabstimmung ist gar nichts erreicht.”

euronews:
“Die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran sind groß. Wo steht der Irak?”

Fuad Masum:
“Diese beiden Länder haben Meinungsverschiedenheiten. Der Irak steht weder auf der Seite Saudi-Arabiens noch auf der Seite des Irans. Wir halten uns da raus.”

euronews:
“Und noch ein Wort zu Syrien. Schließlich sind auch irakische Milizen auf syrischem Gebiet und kämpfen gegen Baschar al-Assad.”

Fuad Masum:
“Ja, es gibt Freiwillige, die nach Syrien gehen, aber das ist nicht offiziell. Die irakische Regierung hat damit gar nichts zu tun. Das ist genauso wie in Europa. Da gibt es auch Menschen, die es sich in den Kopf gesetzt haben, nach Syrien zu reisen, um zu kämpfen, für oder gegen die IS-Miliz.”

euronews:
“Wie sieht ein Irak ohne IS aus?”

Fuad Masum:
“Die Versöhnung unter den Volksgruppen ist eine Priorität. Die Streitigkeiten zwischen den einzelnen Volksgruppen im Irak müssen geregelt werden. Das ist keine leichte Aufgabe. Es muss allen wirklich an der Versöhnung gelegen sein, sonst hat das alles keinen Sinn.

Mit Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit muss dieses Unterfangen angegangen werden. Erst wenn wir die Versöhnung zur Priorität machen, erst danach können wir an andere Sachen herangehen wie zum Beispiel den Wiederaufbau, das Beseitigen der Spuren des Krieges im Irak.”

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