Mario Centeno: "Die Menschen schätzen den Euro wie nie zuvor"

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Von Oleksandra Vakulina
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Der Präsident der Euro-Gruppe spricht mit euronews über den Brexit, die Europawahl und die Zukunft des Euro.

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Anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Euro hat Euronews den Präsidenten der Euro-Gruppe zu einem Gespräch nach Straßburg eingeladen. Thema waren der aktuelle Stand der Wirtschaft der Eurozone und die Aussichten für 2019 - das Jahr des Brexit und der unvorhersehbaren Europawahlen.

Was ist die Euro-Gruppe?

Die Euro-Gruppe ist ein informelles Gremium, in dem die Finanzminister aus den Mitgliedstaaten des Euro-Gebiets über den Euro betreffende Fragen, die in die gemeinsame Verantwortung ihrer Länder fallen, beraten. Ihre wichtigste Aufgabe besteht darin, eine enge Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten im Euro-Gebiet zu gewährleisten und die Voraussetzungen für ein stärkeres Wirtschaftswachstum zu verbessern. Bei den Beratungen der Euro-Gruppe kommen sowohl konkrete Angelegenheiten also auch allgemeinere Fragen zur Sprache.

Euronews-Wirtschaftsredakteurin Sasha Vakulina:
"Zu Gast bei euronews ist der Präsident der Eurogruppe Mario Centeno. Danke, dass Sie bei uns sind. Herr Centeno, vor einem Jahr haben Sie das Ruder in der Eurogruppe übernommen. Was hat Sie in diesem Jahr am meisten beeindruckt?"

Mario Centeno, Präsident der Euro-Gruppe:

_"Wir hatten in diesem Jahr zwei große Aufgaben: Auf dem Europäischen Gipfel zur Reform des Euro im Dezember eine Einigung zu erzielen - das ist eine sehr beeindruckende Reform jenseits der Krisenzeit. Und das Ende des dritten Hilfsprogramms für Griechenland. Der 20. August war also ein wichtiges Datum für das Euro-Währungsgebiet, denn ab diesem Tag gab es keine Hilfsprogramme mehr im Euroraum. Die Sitzung im September war die erste Sitzung seit Langem ohne einen Rettungsplan."
_

"Griechenland steht endlich auf eigenen Füßen"

Euronews:

"Wie wichtig war es für Griechenland, die Hilfsprogramme nach so vielen Jahren endlich abschließen zu können?"

Mario Centeno, Präsident der Euro-Gruppe:

"Das ist sehr wichtig für uns alle, aber vor allem für das griechische Volk ist es wichtig. Drei Programme, acht Jahre, viele Reformen, sehr harte Maßnahmen, von denen alle erwarten, dass sie das Wachstum und den sozialen Zusammenhalt fördern. Es gibt noch viel zu tun, aber Griechenland kümmert sich endlich allein um alle seine Themen und Probleme. Keine Hilfsprogramme mehr - das ist sehr wichtig".

Euronews:

"Wir haben bereits gesagt, dass Griechenland das letzte Land war, dass offiziell keine Rettungspakete mehr braucht. Wie ist der aktuelle Stand der Dinge? Ist die Eurozone noch in einer Phase der Erholung oder in einer Phase des dynamischen Wachstums?"

Mario Centeno, Präsident der Euro-Gruppe:

"Wir befinden uns in einer Phase nach einem Wachstumshöchststand im Jahr 2017, das für alle Länder ein Jahr mit einer beeindruckenden Wachstumsphase war. Alle Länder verzeichneten ein Wachstum von über 1,5 Prozent. 2018 gab es eine leichte Abschwächung, es gab einige Risiken, einige Unsicherheiten - das ist in einer Volkswirtschaft aber völlig normal, deshalb sollten wir nicht in Panik geraten. Aber das Gute an der Eurozone ist, dass wir heute die besten Indikatoren haben, um mit diesen Schwankungen fertig zu werden. Der nahezu ausgeglichene Haushalt für den gesamten Euroraum, die großen Einsparungen, die wir im Euroraum mit über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den gesamten Euroraum erzielen, die sehr wichtigen Koordinierungsmechanismen, die wir haben - das alles sind gute Nachrichten für uns, um zukünftigen Konjunkturschwankungen zu begegnen. Noch einmal 2018 kam es zwar zu einer gewissen Verlangsamung des beeindruckenden Wachstums von 2017, aber dennoch zeigte die Investitionsrate - die jüngsten Zahlen für 2018 für das Investment-Grade-Rating, dass es zunahm und das Vorkrisenniveau sogar übertraf."

Brexit - kühlen Kopf bewahren

Euronews:
"Mit Blick auf das - für die Eurozone sehr bedeutende - Jahr 2019: Wie wichtig könnten die Brexit-Auswirkungen werden?"

Mario Centeno, Präsident der Euro-Gruppe:
"Das sind strukturelle Anpassungen. Es braucht Zeit, bis sich die Akteure, die Wirtschaftsakteure, Familien, Unternehmen, anpassen. Und diese muss man ihnen geben. Die Auswirkungen werden von Land zu Land unterschiedlich sein. Irland steht natürlich im Mittelpunkt, und die Niederlande. Aber alle Mitgliedstaaten des Euroraums müssen sich anpassen, insbesondere Großbritannien."

Euronews:
"Sprechen wir über die Risiken, die sich aus den Handelsstreitigkeiten ergeben. Welche Auswirkungen haben sie auf die Wirtschaft?"

Mario Centeno, Präsident der Euro-Gruppe:
"Vor einem halben Jahr standen diese Handelsstreitigkeiten noch viel mehr im Fokus der Nachrichten. Glücklicherweise haben sich die politischen Entscheidungsträger an einen Tisch gesetzt, im Sommer fanden wichtige Treffen statt, und diese Handelsstreitigkeiten haben sich deutlich verringert. Deswegen bin ich optimistisch. Wenn wir uns mit den politischen Fragen befassen, wenn wir im Kopf behalten, dass unser Aktionsplan auf unsere Bürger ausgerichtet sein muss - dann erhalten wir die richtigen Antworten auf sehr komplexe Fragen. Wir müssen einfache Antworten auf sehr komplexe Aktionen vermeiden. Denn das unterstützt Bewegungen, die nicht im Rahmen unserer Institutionen liegen, und das müssen wir vermeiden. Aber 2019 ist auch ein Jahr einer neuen politischen Legislaturperiode. Wir sind im Europäischen Parlament, stehen vor den Europawahlen und einer neuen Europäischen Kommission."

Europawahl - Wandel in der Kontinuität

Euronews:
"Wird es Ihrer Meinung nach nach den Wahlen grundsätzliche Änderungen für die Länder der Eurozone geben?"

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Mario Centeno, Präsident der Euro-Gruppe:

"Ich bin kein Freund von großen Maschinen, von großen Veränderungen. Meiner Meinung nach müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Nur so kann der Prozess den Bürgern vermittelt und jeder an diesem Reformprozess beteiligt werden. Um ganz ehrlich zu sein - ich erwarte keine großen Veränderungen durch die Wahlen. Je ausgereifter die Institutionen sind - desto stärker die Gewaltenteilung und der Stabilitätskonsens. Also, ja, das ist ein Jahr des Wandels, aber mit einer gewissen Kontinuität der gerade stattfindenden Prozesse."

Euronews:
"Angesichts der Wahlen im Mai: Ist die wachsende Euroskepsis ein Faktor für das Wirtschaftswachstum?"

Mario Centeno, Präsident der Euro-Gruppe:

"Es ist ziemlich paradox, denn in den Augen der Menschen wird der Euro geschätzt wie nie. Ja, es gibt Bedenken, aber diese Bedenken bedeuten nicht, dass wir das Handtuch werfen. Wie Sie wissen, haben viele Menschen während der Krise gegen die Überlebenschancen des Euro gewettet. Politisches Engagement konnte den Euro und die Eurozone stärken. Also ich sehe diese Art von Risiken nicht wirklich im Anmarsch, aber ich sehe auch keine großen Revolutionen in Bezug auf die Art und Weise, wie wir mit den Institutionen umgehen, und das ist der Weg, den wir meiner Meinung nach gehen müssen."

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