Darum haben Mütter ein erhöhtes Risiko an Depressionen zu leiden - und wie man das ändern kann

Darum haben Mütter ein erhöhtes Risiko an Depressionen zu leiden - und wie man das ändern kann
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Von Anne Fleischmann mit dpa
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Mütter, die wenig Unterstützung von ihrem Partner bekommen, haben ein höheres Risiko an Depressionen zu erkranken. Das legt eine Studie von Christoph Becker von der Universität Heidelberg und Kollegen im Fachjournal "Plos One" nahe.

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Kinder steigern das allgemeine Wohlbefinden - aber erst, wenn sie ausgezogen sind. Das legt eine Studie von Christoph Becker von der Universität Heidelberg und Kollegen im Fachjournal "Plos One" nahe.

Denn: Schlaf, Geld, Freizeit - Eltern investieren viel in ihre Kinder und sind laut verschiedener Studien durchschnittlich weniger zufrieden als kinderlose Paare.

Wenn Kinder jedoch das Haus verlassen haben, bleiben sie den Eltern als soziales Netzwerk erhalten und steigern deren Lebensqualität.

Zudem fanden die Forscher heraus, dass Mütter, die wenig Unterstützung von ihrem Partner bekommen, ein höheres Risiko haben, an Depressionen zu erkranken.

Doch Hilfe vom Partner, eine gerechte Aufteilung der Kinderbetreuung und Entlastung können das Wohlbefinden steigern, während die Kinder noch bei den Eltern leben.

Die traditionelle Rollenverteilung ist noch immer an der Tagesordnung

"Das wundert mich überhaupt nicht", sagt Alexandra Zykunov, Redakteurin bei der deutschen Zeitschrift Brigitte. Aktuell entwickelt sie ein neues Magazin zur Nachhaltigkeit, Brigitte BE GREEN und macht dadurch viele Überstunden. Sie und ihr Mann leben ein 50/50-Modell und teilen die Kinderbetreuung klar auf. Davon erzählt Alexandra auch auf ihrem Instagramprofil.

In ihrem Freundeskreis war Alexandra die erste, die Kinder bekommen hat. Dementsprechend hatte sie in ihrem direkten Umfeld keinerlei Vorbilder. Über die Aufteilung der Kinderbetreuung hatten sich ihr Mann und sie keine großen Gedanken gemacht. "Ich wusste vorher nicht, dass es so viele Diskussionen geben wird, wenn das Kind da ist", erzählt sie Euronews.

Ganz klassisch nahm sie ein Jahr Elternzeit, ihr Mann zwei Monate. "Das ist statistisch auch so, dass die Mehrzahl aller Männer immer noch nur diese zwei Monate nimmt", sagt Alexandra. Der Grund bei ihr und ihrem Mann war einer, den viele kennen: Er verdiente mehr. Ein weit verbreitetes Argument, so die Redakteurin.

"Erst danach, beim zweiten Kind, und als ich mich mehr damit beschäftigt habe, ist mir aufgefallen, dass diese Denke ganz oft Quatsch ist", erklärt Alexandra. Ihr zufolge stelle die Frau so die Weichen dafür, nie selbst groß aufzusteigen "und den Job rocken zu können".

Durch ständige Pausen, vielleicht sogar mehrere Jahre lang, nehmen sich Frauen die Chance jemals genauso viel oder sogar mehr zu verdienen als ihre Partner. "Es wäre viel logischer, wenn der Mann sagen würde: 'Ich verdiene ja schon mehr, also reduziere ich mal oder nehme länger Elternzeit, damit du nicht so lange raus bist. Damit du aufholen kannst und wir irgendwann gleich viel verdienen'", sagt die Mutter von zwei Kindern.

Auch Klaus Preisner, Privatdozent an der Universität Zürich, weiß: "Das traditionelle Modell gibt es noch, es dominiert sogar deutlich. Die große Mehrheit der Kinder wächst in dieser Konstellation auf."

Auch er ist von dem Fund der Studie nicht besonders überrascht. "Selbstverständlich leiden Menschen eher an Depressionen, wenn sie 'allein' gelassen werden", erklärt er.

Vor allem Frauen, die entgegen ihrer eigenen Überzeugungen und vorangegangen Vorstellungen zuhause blieben, dürften ein umso mehr erhöhtes Depressionsrisiko haben, führt er aus. Vor allem, wenn diese Frauen "obendrein aufgrund höher Bildung nicht nur ein berufliches Interesse haben, sondern von ihnen auch normativ erwartet wird, die öffentlichen Investments in den Bildungsabschluss auch in Form einer umfassenden Beteiligung am Arbeitsmarkt zurückzugeben".

Ein Modell, in dem die Mutter alleinig verantwortlich ist - egal aus welchen Gründen - sei belastend für die Frau.

"Siehst du deine Kinder auch oft genug?"

Als ihr erstes Kind zwei Jahre alt war, arbeitete Alexandra wieder Vollzeit, 40 Stunden die Woche. Damit war sie alleine unter ihren Freundinnen, die auch Kinder haben. Viele wollten wissen, ob sie das hinkriege, ob sie ihre Kinder noch genug sehe und die Kindheit ihrer Kinder nicht verpasse. Aber: "Es ist möglich, dass beide Vollzeit arbeiten und sich das aufteilen." Man müsse viel mit Arbeitgebern sprechen, verhandeln. Auch Home-Office sei Teil der Lösung. "Man muss sich das zwar einfordern, aber es ist nicht unmöglich."

Viele Frauen - und Männer - individualisieren das Problem, sagt Alexandra. Von Freundinnen bekommt sie oft zu hören, wie toll die Lösung von ihr und ihrem Mann sei. Aber bei ihnen selbst gehe das nicht - weil er ja nicht reduzieren könne, er ein wichtiges Projekt hätte oder einen neuen Chef. "Durch diese Individualisierung verschleiert man die Tradierung und dass die klassischen Rollenbilder nach wie vor bestehen."

Ähnlich sieht das auch Preisner. Er sagt jedoch auch, dass Männer sich heute viel mehr als früher im Haushalt beteiligen und als Vater in der Erziehung. "Am egalitären Vorhaben scheitern einige, aber die Veränderung ist sichtbar, insbesondere bei den jüngeren Generationen."

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DIE, DIE MICH KENNEN, WISSEN WAS KOMMT. Wie geht das? Wie geht das, dass mich jede Muddi-Freundin für unseren Deal feiert. Den Deal, den der Mann und ich seit 1,5 Jahren fahren. Dass jeder von uns im Wechsel alle 6 Wochen mit den Kindern zur jeweiligen Oma düst. Und der andere 2 Tage, 2 Nächte und 2 Früh- und Abendschichten frei hat. Regelmäßig. Geplant. Abgesprochen. . Es funktioniert unfassbar gut. Tut uns unfassbar gut. Und war eine unfassbar gute Idee. Und trotz dieses durch die Bank begeisterten Feedbacks von allen Paaren, denen wir davon erzählen, kennen wir niemanden im Bekanntenkreis, der dieses Modell fährt. Wie geht das? . Erst dieses WE wieder als ich meiner allerliebsten Freundin davon erzählte. Und sie sagte: "Ich hab die Woche frei und denke immer an euren Deal. Aber ich kann jetzt nicht weg, dann müsste der Mann den Kleinen ja in die Kita bringen UND abholen. Da müsste er dann so viel absprechen und hat wenig Bock dazu." WIE GEHT DAS? Ich könnte da einfach komplett in die Ecke kotzen. Tue ich auch. Erzähle ich ihr auch. Und sie:" Ich weiß. Schwieriges Thema bei uns." . Wie geht das? Das frage ich euch? Das frage ich mich. Wie tief ist eigentlich dieses fucking Patriarchat in uns verankert, dass wir bei diesem Thema nicht an die Decke gehen? Dass wir nicht so viel wütender werden? Dass wir nicht in jedes erdenkliche Megafon brüllen: ES IST NICHT MEIN, SONDERN UNSER KIND, VERDAMMT!! . Und auf der anderen Seite, wie geht das, dass dieses fucking Patriarchat auch in uns so tief verankert ist, dass wir uns schlecht fühlen dafür, Zeit allein verbringen zu wollen? Wer will schon jeden Tag Weihnachten? Kuchen morgens bis abends hängt uns auch zum Hals raus. Und auch den Liebsten wollen wir nicht jede Minute um uns herum haben. Das ist völlig ok. Warum aber prügelt sofort die innere wie auch äußere Moralpolizei auf uns ein, sobald wir ein Wochenende frei von Kindern wollen? . Habt ihr Partner u einigermaßen fitte Eltern? Und trotzdem keinen Deal? Warum? Möchte es wirklich gern verstehen. - #deepshit #equalparenting #fuckgenderroles #metime #lebenmitkindern #parentlife #vereinbarkeit #honestmotherhood #motherhoodunplugged #fürmehrrealitätaufinstagram

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Zeit für sich selbst ist extrem wichtig

Vor der Geburt ihres zweiten Kindes führten Alexandra und ihr Mann Diskussionen über die Aufteilung der Elternzeit - manchmal wurden diese ziemlich hitzig. "Diese tradierten Bilder, dass eine Mutter sich größtenteils kümmert und länger Elternzeit nimmt, die sind tief in uns verankert und auch in unserem aktuellen Umfeld im Jahr 2019 weit verbreitet", erklärt Alexandra. Ihr eigentlich sehr feministischer Freund Philipp sagte in solchen Debatten: 'Ich habe gar keinen Bock fünf Monate lang mit dem Kind zuhause zu sein', erzählt sie. Am Ende einigten sich die beiden darauf, die Elternzeit gerecht aufzuteilen, sieben Monate für jeden.

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Doch auch beim zweiten Kind tappten Alexandra und ihr Mann wieder in die Finanzfalle, erzählt sie. Sie hatten kurz zuvor in eine Immobilie investiert und dafür einen Kredit aufgenommen. Sie blieb wieder ein Jahr zuhause, er zwei Monate. "Am Ende war auch das Schwachsinn, weil die Raten hätten wir auch aufteilen können, selbst wenn er länger in Elternzeit gegangen wäre", sagt sie zurückblickend.

Dann kam der Wendepunkt. Als sie ihr zweites Kind abgestillt hatte, fuhr Alexandra für ein Wochenende weg - alleine. Der Mann blieb zuhause und kümmerte sich um die Kinder. "Man konnte einfach nur für sich sein, seine Zeit genießen, Gedanken zu Ende denken. Ohne Ablenkung, weil etwas runterfällt oder ein Kind weint.", erzählt sie.

Alexandra war zuvor schon öfters mit den Kindern alleine zu ihren Eltern gefahren. "Und ich habe nur zu meiner Freundin gesagt, und DAS Gefühl der Entspanntheit hatte Philipp das ganze letzte Jahr jeden zweiten Monat und ich nicht?"

Als sie nach Hause kam, schlug sie ihrem Mann den Deal vor. Alle sechs bis acht Wochen fährt einer der beiden mit den Kindern weg, der andere hat Zeit für sich selbst - ein ganzes Wochenende. "Die Vorfreude darauf hilft auch in schwierigen Situationen, wenn es anstrengend wird, man viele Termine hat, es zu Hause nicht rund läuft, die Wünsche der Kinder und der Eltern nicht unbedingt übereinstimmen."

"Frauen müssen loslassen"

Durch ihr Modell fühlt sich Alexandra sehr viel entlasteter. Das Problem sei nur, dass sie und ihr Mann damit immer noch in der Minderheit seien. "Es ist so tief in uns verankert, dass Frauen echt Schwierigkeiten haben, loszulassen. Das nennt sich maternal gate keeping", sagt sie. "Ich mache das ja auch und erwische mich dabei. Abends legt man die Klamotten raus, weil man weiß, morgen ist der Mann dran mit anziehen und ich lege ihm mal lieber den wärmeren Pulli raus, damit er das Kind nicht kurzärmlig bei Minusgraden in die Kita schickt. Würde er eh nie machen, aber man tut es ja trotzdem."

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Aber auch, wenn ihr Mann einige Dinge anders regelt, putzt oder einkauft als sie, weiß Alexandra, dass sie loslassen muss. "Und es ist wichtig, dass andere Frauen das auch tun, sonst geht es nicht voran."

Denn es sei noch lange nicht selbstverständlich, dass der Mann sich genauso viel um die Kinder kümmert wie die Frau. Ihr Mann bekomme sehr viel positives Feedback. Darüber ist Alexandra froh, findet es jedoch auch unfair. "Tatsächlich ist es irgendwie auch verrückt, dass so etwas Selbstverständliches dann so abgefeiert wird", sagt sie.

"Als ob irgendwer zu mir gesagt hätte, als ich die beiden Jahre zuhause war bei den Kindern, 'Oh das ist aber toll, dass du das für deinen Mann machst und mit den Kindern zuhause bist'. Da war es selbstverständlich. Er dagegen steht jetzt ein bisschen wie der Vater des Jahres da."

"Man sieht das auch an den Statistiken. 90 Prozent aller Mütter von unter 3-Jährigen arbeiten gar nicht oder Teilzeit. Das heißt nur 10 Prozent aller Mütter von unter 3-Jährigen arbeiten Vollzeit. Bei den Vätern sind das 75 Prozent. Väter arbeiten im Schnitt 40 Stunden, Frauen 23. Das sind einfach so Sachen. Ich wünschte, es wäre anders."

In skandinavischen Ländern sei eine gerechtere Aufteilung viel üblicher, so Preisner. Für Eltern gebe es sehr zugängliche, gute, kostenlose oder günstige Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Viele Paare hätten zwei Stellen, bei denen sie 60 bis 70 Prozent arbeiten würden. Gerecht aufgeteilte Familienplanung sei so viel besser realisierbar.

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Teenager-Mädchen träumen von Teilzeit

Das Problem sei auch, dass Müttern ihren Töchtern die traditionellen Rollen vorleben. "Ich habe kürzlich eine Studie gelesen, wo Teenager-Mädchen befragt wurden, wie ihre Arbeitsverhältnisse sein werden, wenn sie später mal eine Familie gründen", erzählt Alexandra.

"Da sagten 60 Prozent der Mädchen, dass sie später reduzieren würden und so 20 Stunden arbeiten würden. Nur 12 Prozent sagten, sie würden danach wieder in Vollzeit gehen. Bei den Jungs war es naturgemäß genau umgekehrt. Das ist das Problem. Es tradiert sich weiter. Woher nehmen die Mädchen denn diese Rollenverteilung? Sie sehen es bei ihren Müttern."

Und Alexandra zufolge ist vor allem ein Aspekt nicht außer Acht zu lassen: Finanzielle Absicherung. Indem sie ihren Job aufgeben, immer wieder für die Kinder zuhause bleiben oder nur Teilzeit arbeiten, machen sich Frauen von ihren Partnern finanziell abhängig. "Frauen sind so viel stärker von Altersarmut betroffen als Männer, weil jede zweite Ehe nach wie vor geschieden wird", sagt sie. Im Falle einer Trennung seien Frauen oft nicht mehr finanziell abgesichert. Ein Hauptgrund dafür sei die klassische Rollenaufteilung.

Und sie geht sogar noch weiter: "Ich weiß nicht, ob es noch verantwortlich ist, von einer persönlichen Entscheidung zu sprechen, wenn eine Mutter als Paradebeispiel für eine ganze Generation von Frauen steht, die sich abhängig macht von ihren Hauptverdienern", sagt Alexandra. "Ich weiß nicht, ob man dann noch sagen kann, das ist meine persönliche Entscheidung."

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