EU-Kommissar Johannes Hahn: “Europa ist bunt“

EU-Kommissar Johannes Hahn: “Europa ist bunt“
Von Darren McCaffrey, su
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Johannes Hahn ist Österreichs langjähriger EU-Kommissar in Brüssel, er steht kurz vor seiner dritten Amtszeit. Unter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird er die Verantwortung für den Haushalt der Union übernehmen

Johannes Hahn ist Österreichs langjähriger EU-Kommissar in Brüssel, er steht kurz vor seiner dritten Amtszeit. Er war in den vergangenen fünf Jahren für Erweiterung zuständig. Unter Ursula von der Leyen wird er die Verantwortung für den Haushalt der Union übernehmen, gerade wenn der durch den „Brexit“ stark unter Druck geraten könnte.

Darren McCaffrey, Euronews:

In Anbetracht der Tatsache, dass wir es möglicherweise mit einem „No-Deal-Brexit“ zu tun kriegen – welche Sorgen machen Sie sich und was bedeutet das für den Geldbetrag, den Europa in den nächsten Jahren ausgeben kann?“

Johannes Hahn: “Wenn es ein „No-Deal-Brexit“ wird, hätte das einen sehr starken Einfluss auf das Budget 2020, da wir hier noch mit Großbritannien gerechnet haben oder zumindest mit einer Phase des Übergangs. Wenn es nicht so kommt, müssen wir uns dran machen und uns an die neuen Herausforderungen anpassen. Aber ich bin wie wir alle immer noch zuversichtlich, dass wir schließlich ....”

Euronews: „Haben Sie schon mal geschaut, wo man kürzen könnte?“

Johannes Hahn: „Mein Kollege und Freund Günther Oettinger ist ja immer noch zuständig und beschäftigt sich mit diesem Thema. Aber es ist zu früh und ich meine, wir sollten zuerst alles tun, um einen harten „Brexit“ abzuwenden, da dies nicht im Interesse von uns Europäern ist und noch weniger im Interesse der Briten.“

Euronews: „Aber stehen wir nicht in den nächsten Jahren vor der Entscheidung, dass entweder Europa weniger Geld ausgibt oder die reicheren Länder mehr beisteuern?“

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Johannes Hahn: „Nun, das ist Sache von Verhandlungen. Die Mitgliedstaaten und das Parlament entscheiden. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende einen guten Kompromiss finden werden, wie immer.“

Dunkelblau: EU-Mitglieder, hellblau: Beitrittskandidaten © Wikipedia

Euronews: „Kommen wir nun zu dem Thema, das Sie in den letzten fünf Jahren am meisten beschäftigt hat, nämlich die Erweiterung der Europäischen Union. Tatsächlich ist da nicht viel passiert, seit Juni liegt zum Beispiel die Entscheidung über Beitrittsgespräche mit Albanien auf Eis. Hat Sie das enttäuscht? Ist das ein persönlicher Misserfolg?”

Johannes Hahn: „Erstens meine ich, gab es diese berühmte Erklärung von Präsident Jean-Claude Juncker zu Beginn unserer Amtszeit, dass es in dieser Amtszeit keine Erweiterung geben wird. Aber wir haben in letzter Zeit große Fortschritte erzielt, was die Vorbereitung von Ländern auf eine Mitgliedschaft angeht. Nordmazedonien und Albanien stehen vor einem grünen Licht für die Aufnahme von Verhandlungen. Ich bin zuversichtlich, dass es jetzt im Oktober dazu kommt.“

Euronews: „Können Sie bestätigen, dass Sie in nicht allzu ferner Zukunft irgendwann wissen werden, ob sie der Europäischen Union beitreten?“

Johannes Hahn: „Nun geht es darum, die Verhandlungen aufzunehmen. Das müssen wir als Prozess sehen. Es ist nicht einfach zu verhandeln, dass sie unser EU-Recht nicht nur übernehmen, sondern es auch umsetzen.“

Euronews: „Reden wir über fünf Jahre, 10 Jahre?“

Johannes Hahn: „Das liegt am Partnerland. Es geht auch darum, dass zum Beispiel Serbien sich in die europäische Außenpolitik einreiht. Es geht um wirtschaftliche Entwicklungen.“

Euronews: „Sie haben das Thema Korruption angesprochen. Für ihre Jobbeschreibung heißt das: Ein Teil der Verantwortung des Kommissars für Erweiterung besteht darin, Beitrittskandidaten zu unterstützen bei demokratischen und wirtschaftlichen Reformen und der Aufrechterhaltung des Rechtsstaats. Jetzt wurde ihr Nachfolge-Kandidat von Viktor Orbán und der ungarischen Regierung nominiert*. Trauen Sie ihnen zu, für die Rechtsstaatlichkeit einzustehen?“

*(Die ungarische Regierung nominierte Anfang des Monats den ehemaligen Justizminister László Trócsányi für das Amt eines EU-Kommissars für EU-Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik - er gilt als uneingeschränkt loyal gegenüber Orbán)

Johannes Hahn: „Erst mal zum Kandidaten selbst, ich meine, er war Mitglied der Venedig-Kommission (Europäische Kommission für Demokratie durch Recht, eine Einrichtung des Europarates, der Staaten verfassungsrechtlich berät) der angesehensten Institution in Europa und wahrscheinlich weltweit, die sich mit Fragen des Rechtsstaats befasst. Zweitens muss jeder von uns, ich meine jeder Kommissar der Europäischen Union, einen Eid auf ihre Werte und den Vertrag (Der EU-Vertrag wurde am 7. Februar 1992 in Maastricht abgeschlossen) leisten und ein europäischer Amtsträger werden.“

Euronews: „Nun, Sie können sicher verstehen, warum viele Abgeordnete und andere etwas besorgt sind. Gegen Ungarn wird wegen seiner eigenen Rechtsstaatlichkeit ermittelt und nun soll es Beitrittsländer beurteilen. Verstehen Sie die Bedenken?“

Johannes Hahn: „Ich kann die Bedenken nachvollziehen, aber es geht um eine Person. Dieser Einzelne muss sich im Europäischen Parlament präsentieren. Es wird auf jeden Fall eine harte Anhörung geben, und danach sollten die Europaabgeordneten in sich gehen und die notwendigen Entscheidungen treffen. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich mein Kollege sehr überzeugend präsentieren wird.“

Euronews: „Der EU-Migrationskommissar soll unter Ursula von der Leyen auch für den „Schutz der europäischen Lebensweise“ zuständig sein. Sagt Ihnen das etwas?“

Johannes Hahn: „Als aktueller Kommissar nicht nur für Erweiterung, sondern auch für Nachbarschaft, habe ich gelernt, wie attraktiv Europa ist, wie attraktiv die europäische Lebensweise ist. In Europa kann jeder seine Interessen verfolgen, mit Meinungs- und Versammlungsfreiheit usw...“

Euronews: „Aber der aktuelle Kommissionspräsident, Ihr Chef Jean-Claude Juncker, sagte auf Euronews, er halte das für eine schlechte Idee. Finden Sie, dass Ursula von der Leyen Ihre Meinung ändern sollte?“

Johannes Hahn: „Ich meine, sie hat ihr Programm Anfang Juli vorgestellt und genau dieser Schutz der europäischen Lebensweise war eines ihrer Hauptanliegen und keiner diskutierte darüber. Erst vor wenigen Tagen wurde es ein Thema und auf die Frage der Migration reduziert. Die Migration und der Umgang damit ist eines der vielen, vielen Elemente, die in diesem Paket behandelt werden. Und um ehrlich zu sein, Asyl anzubieten, ein ordnungsgemäßes und rechtsstaatliches Bewertungsverfahren zu haben, gehört auch zu unserer europäischen Lebensweise. Wir haben den Rechtsstaat. Wir haben Standards, auf die sich die Menschen verlassen können.“

Euronews: „Klingt so, als sollte sie bei diesem Anliegen bleiben.“

Johannes Hahn: „Ganz klar und ich meine, wir müssen die europäische Lebensweise nach vorne bringen. Gestern in einer Debatte mit neuen Kollegen habe ich gesagt, ich erinnere mich, als ich ein Kind war, ein Teenager, da haben wir den „American Way of Life“ wirklich bewundert. Seit 20 Jahren spricht keiner mehr über die amerikanische Lebensweise, den amerikanischen Traum. Die Dinge dort haben sich verändert. Und ich meine, wir können stolz sein. Wir sollten stolz sein und selbstbewusster, was die europäische Lebensweise angeht.“

Euronews: „Das Bild der Kommission zeigt die Gleichstellung der Geschlechter, da sind Sie dafür, nehm' ich mal an. Aber jeder dieser Kommissare hat nach wie vor ein weißes Gesicht. Ist es nicht ein bisschen peinlich, für die Europäische Union fast beschämend, dass es keinen nicht-weißen Kommissar gibt und auch noch nie einen gegeben hat?“

Johannes Hahn: „Nun, vielleicht nicht heute, nicht in dieser Kommission, aber es ist in Zukunft nicht ausgeschlossen. Kommt drauf an. Wir schreiben 2019.

Das hängt auch von der politischen Struktur ab, nicht von den Mitgliedstaaten. Das Wichtigste ist eine gute Expertise der Kandidaten, egal wie sie aussehen. Ist es jemand aus dieser oder jener ethnischen Gruppe? Ich meine in der Tat, Europa ist bunt. Nochmal: Wir sollten das aktiv betreiben. Es ist Teil unserer europäischen Lebensweise. Und deshalb bin ich ziemlich zuversichtlich, dass das Bild in absehbarer Zeit viel bunter ausfällt als heute.“

Darren McCaffrey, su

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