Brüssel: Vom Tagungsmekka zur Geisterstadt

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Copyright JOHN THYS/AFP
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Von Andreas Rogal
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Die Konferenzmetropole Europas in der Krise: kurzfristige Mittel sollen Hotels retten, aber langfristig ist Umdenken angesagt.

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Das Brüsseler Europaviertel im November 2020 gleicht fast einer Geisterstadt. Die Stille und Leere ist man hier nicht gewöhnt. Immerhin ist Brüssel einer der wichtigsten Tagungs- und Konferenzorte der Welt, nur in Singapur zählte man vor der Krise mehr Konferenzen pro Jahr.

Jetzt finden sie fast ausschließlich am Bildschirm statt.

Vor allem für einen Wirtschaftszweig hat das fatale Folgen - die Hotelindustrie.

Laut dem Chef des Brüsseler Hotelierverbands, Rodolphe Van Weyenbergh, sind derzeit nur 10 Prozent aller Hotelzimmer belegt. Die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise für seine Branche bezeichnet er als "katastrophal".

Normalerweise bietet die Branche 12,500 Arbeitsplätze und 15,000 Hotelzimmer. Die Brüsseler Regionalverwaltung hat bereits neue Hilfsmaßnahmen angekündigt - darunter Zahlungen von 200,000 bis 800,000 Euro für jedes Hotel.

Kurzfristig sollte das der Branche aus der Patsche helfen, aber langfristig werden Umdenken und Anpassung vonnöten sein, so Jeroen Roppe vom Touristenbüro Visit Brussels:

"Die Hotelbranche hat extrem schwere Zeiten durchzustehen. Die langfristigen Folgen der Krise für die Stadt, und insbesondere für das Europaviertel sind schwer abzusehen. Werden die 50,000 Menschen, die für internationale Institutionen in Brüssel arbeiten, alle auf einen Schlag zurückkommen? Vielleicht nicht. Klar ist nur, wir müssen unsere Strategie an die neue Situation anpassen, undzwar unter Beteiligung aller Betroffenen, also der EU-Institutionen, der Brüsseler Behörden, der kulturellen Anbieter und der wirtschaftlichen Verbände. Und das werden wir auch tun."

Wird es eine Rückkehr der Verhältnisse vor der Krise geben? Stuart Alford von der Brüsseler Verantsaltungsagentur Cecoforma Events & Communication glaubt nicht daran:

"Veranstaltungen werden nicht mehr so laufen wie zuvor, sondern sich in Richtung eines hybriden Modells entwickeln. Das bedeutet kleinere Veranstaltungen, vielleicht nur mit den wichtigsten Teilnehmern physisch präsent, und der großen Mehrheit der anderen Teilnehmern per Videolink verbunden. Das kann durchaus positive Folgen haben, etwa für die Transparenz der Veranstaltungen, aber auch was die Investitionsrückkehr für die EU-Kommission angeht, die diese Veranstaltungen finanziert - mit dem hybriden Modell kann eine viel größeres Publikum erreicht werden."

Nach dem Schock der Terroranschläge von 2016 hatte Brüssel schwer für die Wiederherstellung seines Image arbeiten müssen. Nun scheint selbst das vielleicht wertvollste Image von der inoffiziellen Hauptstdt Europas auf dem Spiel zu stehen.

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