Wie im Krieg: Heimleiterin holte Kollegen von "Ärzte ohne Grenzen"

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Von Laurence AlexandrowiczEuronews
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Für Michèle Beck war es eine der schwierigsten Situationen in ihrer beruflichen Karriere. Sie managte die Krise, als befände sie sich in einem Konfliktgebiet. Und bat Kollegen aus der humanitären Hilfe um Unterstützung.

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Im französischen Département Haute-Savoie am Fuß der Berge blickt das Altenheim "Pierre Paillet" auf eine seiner düstersten Phasen zurück.

Von den 44 Bewohnern starben 12 innerhalb eines Monats an den Folgen von Covid-19. Die gesamte Region war besonders stark von der zweiten Coronawelle betroffen, mit verheerenden Folgen. Im Frühjahr hatte die Einrichtung ihre Senioren wochenlang hermetisch abgeschottet - und so geschützt.

Dann kam der Sommer - und das erneute Aufflammen der Epidemie. Es war wie im Krieg, sagt Heimleiterin Michèle Beck, die 10 Jahre lang für "Ärzte ohne Grenzen" im Irak, im Gazastreifen und Afrika gearbeitet hat. Wegen des akuten Personalmangels bat sie ehemalige Kollegen aus der Humanitärhilfe um Unterstützung.

"In einem Altenheim ist man allein"

"Sehr schnell sah ich, dass wir überfordert sein würden. Ich spürte es, weil das Dinge sind, die ich anderswo erlebt habe. Wenn man auf humanitärer Mission ist und um Hilfe ruft, weiß man, dass viele sofort zur Stelle sind.

In einem Altenheim ist man allein. Wir bekommen zwar Unterstützung aus dem Krankenhaus. Aber ansonsten ist man sehr isoliert. Ich hatte niemanden von außerhalb, mit dem ich mich austauschen konnte. Durch den Kontakt mit 'Ärzte ohne Grenzen' in Frankreich und der Schweiz fühlte ich mich weniger allein."

Für Michèle Beck war es eine der schwierigsten Situationen in ihrer beruflichen Karriere. Sie managte die Krise, als befände sie sich in einem Konfliktgebiet. "Ich habe in der Vergangenheit bereits mit Epidemien zu kämpfen gehabt. Am Schlimmsten ist es im Flüchtlingslager. Und hier war es ähnlich, wir befinden uns in einer geschlossenen Umgebung, und das Virus verbreitet sich sehr schnell von einer Person zur nächsten."

"Wir haben ein Mini-Krankenhaus aufgebaut"

Während der zweiten Welle waren 20 Beschäftigte und fast 70 % der Bewohner mit Covid-19 infiziert. Die meisten Betroffenen - und ihre Familien - entschieden sich gegen eine Krankenhauseinweisung.

So wurde das Altenheim zum Krankenhaus, berichtet Christelle Scaparone, eine ehemalige Krankenschwester bei "Ärzte ohne Grenzen".

"Wir haben ein Mini-Krankenhaus aufgebaut, mit Infusionen und Sauerstoff. Aber wir waren dafür zunächst nicht ausgerüstet, wir mussten den Sauerstoff per Eilauftrag beschaffen. Das ist eher ungewöhnlich."

Die französische Regierung will Bewohner in Alten- und Pflegeheimen zuerst impfen lassen. Fast die Hälfte der bislang 50 Tausend Coronatoten in Frankreich verstarb im Altersheim.

Über die aktuelle Gesundheitskrise hinaus erwarten Frankreichs Altersheime weitere große Herausforderungen. In keinem anderen europäischen Land leben so viele Menschen im Altersheim. Bis 2030 werden mehr als 100.000 Plätze benötigt, um die sogenannte Babyboomer-Generation unterzubringen.

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