Parlamentswahl in Serbien: Vucic will seine Macht festigen

Staatspräsident Aleksandar Vucic bei der Stimmabgabe
Staatspräsident Aleksandar Vucic bei der Stimmabgabe Copyright Darko Vojinovic/Copyright 2023 The AP. All rights reserved
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Von Christoph DebetsAP, dpa
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Serbiens populistischer Präsident versucht mit vorgezogenen Parlamentswahlen seine Macht weiter zu festigen. Die liberale Opposition hofft darauf, bei den gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen die Hauptstadt Belgrad zu erobern.

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Rund 1,6 Millionen Serben sind heute aufgerufen bei einer vorgezogenen Parlamentswahl, die 250 Abgeordneten der Volksversammlung (Skupstina) zu wählen. Die rechts-nationale Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Präsident Aleksandar Vucic gilt als klare Favoritin. Letzten Meinungsumfragen zufolge dürfte sie auf etwas mehr als 40 Prozent der Stimmen kommen. Zusammen mit ihrem langjährigen Koalitionspartner, der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) von Außenminister Ivica Dacic, dürfte sie weiterhin die bestimmende Kraft im Land bleiben.

Der Hauptwettbewerb bei den Parlaments- und Kommunalwahlen wird voraussichtlich zwischen Vucics regierender SNS und einer zentristischen Koalition ausgetragen, die versucht, die Populisten zu untergraben, die den unruhigen Balkanstaat seit 2012 regieren.

Es wird erwartet, dass die Oppositionsliste „Serbien gegen Gewalt“ die größte Herausforderung bei der Kommunalwahl in Belgrad darstellen wird. Ein Sieg der Opposition in der Hauptstadt würde Vucics Hardliner-Herrschaft im Land ernsthaft schwächen, sagen Analysten.

„In Serbien haben Veränderungen begonnen, und es gibt keine Kraft, die das stoppen kann“, sagte Dragan Djilas, der Führer der Oppositionskoalition, nach seiner Stimmabgabe in Belgrad. „Wir werden als stärkste Oppositionsliste den Willen des Volkes mit allen demokratischen Mitteln verteidigen.“

Vucic sagte, er erwarte „einen überzeugenden Sieg“ bei dem Urnengang und dass seine Regierungspartei bei der Parlamentswahl „nahe an der absoluten Mehrheit“ sein werde.

„Dies ist eine sehr wichtige Voraussetzung dafür, dass Serbien den Weg des Wohlstands und Erfolgs fortsetzen kann“, sagte Vucic nach seiner Stimmabgabe.

Außerdem geht es um die Kontrolle über die Gemeinderäte in rund 60 Städten und Gemeinden sowie über Regionalbehörden in der nordserbischen Provinz Vojvodina.

Zwar geht es bei dem Urnengang nicht um die Präsidentschaft, aber regierungsnahe Medien unterstützt werden, haben den Wahlkampf zum Referendum über Vucic hochstilisiert.

Obwohl er selbst nicht kandidiert, hat der serbische Präsident unermüdlich für die SNS geworben, die auf den Stimmzetteln unter dem Namen „Aleksandar Vucic – Serbien darf nicht aufhören!“ erscheint.

Der serbische Präsident reiste durch das Land und nahm an Kundgebungen seiner Partei teil, bei denen er neue Straßen, Krankenhäuser und einmalige Geldprämien versprach. Vucics Bild ist auf Wahlplakaten im ganzen Land zu sehen, obwohl er als SNS-Parteivorsitzender zurückgetreten ist.

Schon vor Beginn der Abstimmung am Sonntag berichteten Wahlkampfbeobachter von Druck auf die Wähler, Panikmache und Missbrauch öffentlicher Ämter und von den Behörden geförderter Institutionen. Es gab auch Berichte über Stimmenkauf und Wählerbestechung.

Serbien, ein Balkanland, das gute Beziehungen zu Wladimir Putins Russland pflegt, ist seit 2014 Kandidat für die EU-Mitgliedschaft, sieht sich jedoch mit Vorwürfen konfrontiert, dass es in den letzten Jahren immer wieder demokratische Freiheiten und Regeln ausgehöhlt hat.

Sowohl Vucic als auch die SNS haben Vorwürfe des Wahlkampfmissbrauchs und der versuchten Wahlfälschung zurückgewiesen, sowie Vorwürfe, dass Vucic als Präsident gegen die Verfassung verstoße, indem er für eine Partei Wahlkampf mache.

Kaum eine der Beschwerden oder Empfehlungen einheimischer und ausländischer Beobachter hat zu Änderungen im Abstimmungsprozess geführt.

Vucic hatte das Parlament nicht einmal zwei Jahre nach der letzten Wahl aufgelöst. Der Präsident, der seit 2012 in wechselnden Funktionen die Politik des Landes bestimmt, nutzt vorgezogene Wahlen immer wieder, um sich der Loyalität seiner Funktionäre und Anhänger zu versichern. Auslöser dieser vorgezogenen Wahl waren vor allem zwei Amokläufe im Mai mit 18 Toten sowie Konflikte in dem seit 2008 unabhängigen Kosovo. Serbien beansprucht seine einstige, heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Provinz weiterhin für sich.

Analysten sagen, dass Vucic versucht, seine Macht zu konsolidieren, nachdem zwei aufeinanderfolgende Schießereien und hohe Inflation und grassierende Korruption die öffentliche Unzufriedenheit schürten. Seine Anhänger betrachten Vucic als den einzigen Führer, der die Stabilität aufrechterhalten und das Land in eine bessere Zukunft führen kann.

„Ich denke, es ist an der Zeit, dass Serbien mit voller Kraft voranschreitet“, sagte Lazar Mitrovic, ein Rentner, nach seiner Stimmabgabe. „Das bedeutet, dass es sich auf seine Jugend konzentrieren sollte, auf junge Menschen, auf Bildung und natürlich auf Disziplin.“

Große Meinungsforschungsinstitute haben auf die Veröffentlichung von Vorwahlbefragungen verzichtet und begründeten dies mit der Angst der 6,5 Millionen Wahlberechtigten Serbiens und der starken Polarisierung.

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