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Kindesmissbrauch: Keine Zeit für Gerechtigkeit?

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Euronews Copyright  Europe in Motion: Für manche Opfer von Kindesmissbrauch reicht die Zeit nicht, vor Gericht zu gehen
Copyright Europe in Motion: Für manche Opfer von Kindesmissbrauch reicht die Zeit nicht, vor Gericht zu gehen
Von Alessio Dell'Anna & Mert Can Yilmaz
Zuerst veröffentlicht am
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Wenn das Opfer nicht mehr vor Gericht gehen kann: Ein Bericht von Kinderschutzorganisationen fordert alle EU-Mitgliedstaaten auf, die Verjährungsfristen abzuschaffen oder zumindest zu verlängern.

Eine "Postleitzahlen-Lotterie". So beschreiben Kinderschutzorganisationen den Zugang zur Justiz bei Straftaten gegen Kindesmissbrauch in der EU. Denn die Rechtslage ist hier extrem zersplittert.

Sexueller Missbrauch von Kindern ist in der gesamten EU weit verbreitet, jedes fünfte Kind ist davon betroffen. Viele Überlebende brauchen Jahre oder gar Jahrzehnte, bis sie darüber reden und Gerechtigkeit einfordern können.

Einem neuen gemeinsamen Bericht von Brave Movement und Child Global zufolge erstatten die Opfer im Durchschnitt erst mit 52 Jahren Strafanzeige. Sofern sie sich überhaupt dazu entschließen, vor Gericht zu gehen.

Das bedeutet für viele, dass die Uhr der Justiz möglicherweise schon abgelaufen ist, weil die Verjährungsfrist vorüber ist. Die Opfer können keine Anklage mehr erheben.

Welche Länder haben die längsten Verjährungsfristen?

Die Gesetzgebung in der Europäischen Union ist in der Frage sehr uneinheitlich. Einige Länder haben die Verjährungsfristen für die meisten Sexualstraftaten an Kindern ganz abgeschafft. In anderen Ländern gibt es Fristen, und in einigen beginnen diese schon ab dem Zeitpunkt der Straftat.

In Ländern wie Belgien, Ungarn, Zypern, den Niederlanden, Irland und Dänemark wurden die Verjährungsfristen für die meisten, wenn nicht gar alle Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch abgeschafft. Andere Länder wie Österreich, Kroatien, Estland, Lettland, Luxemburg, Polen, Slowenien, Schweden und Rumänien haben die Verjährung nur für die schwersten Straftaten abgeschafft und für andere Pädophilie-Verbrechen beibehalten.

In Slowenien zum Beispiel beträgt die Verjährungsfrist für Grooming nur sechs Jahre. Auch in Rumänien werden Grooming und sexuelle Belästigung nach einer bestimmten Zeit als verjährt angesehen.

In der übrigen EU gelten die Verjährungsfristen nach wie vor für alle Straftaten. In einigen dieser Länder beginnt die Uhr jedoch erst zu ticken, wenn das Opfer volljährig ist.

In Deutschland können die schwersten Straftaten verfolgt werden, bis das Opfer 60 Jahre alt ist. In Spanien liegt die Grenze bei 55 Jahren, in Frankreich bei 48 Jahren und in Italien bei 46 Jahren.

Wo haben die Opfer am wenigsten Zeit, um Anzeige zu erstatten?

Dem Bericht zufolge sind Länder wie Finnland, Bulgarien, Litauen und die Slowakei am wenigsten opferfreundlich, was die Zeitspanne für das Erstatten einer Anzeige angeht.

In Finnland beispielsweise beträgt die Verjährungsfrist 20 Jahre ab dem Zeitpunkt des mutmaßlichen Verbrechens, obwohl das Recht auf eine Anzeige bei den meisten Straftaten laut Gesetz nicht verjähren darf, bevor das Opfer 28 Jahre alt ist, und sich bis zu einem Höchstalter von 38 Jahren erstrecken kann, wenn der oder die Überlebende den Missbrauch beispielsweise mit 17 Jahren erlitten hat.

In Litauen beträgt die Verjährungsfrist für schwerste Straftaten 25 Jahre, die für weniger schwere Fälle bei 15, 12 und acht, mindestens jedoch bei sieben Jahren. Unabhängig davon kann die Verjährungsfrist in Litauen nicht ablaufen, bevor das Opfer 25 Jahre alt ist.

In Bulgarien beträgt die maximale Verjährungsfrist 20 Jahre, und anders als in Finnland, Litauen und der Slowakei gibt es kein Mindestalter, ab dem das Recht auf Anklageerhebung erlischt.

Wer als Kind also beispielsweise im Alter von drei Jahren missbraucht wurde, verliert spätestens mit 24 Jahren das Recht, Anzeige zu erstatten.

Kinderrechtsorganisationen fordern 35 Jahre Mindestfrist

"Aufgrund der Freizügigkeit stellt die Existenz von sicheren Zufluchtsorten für Straftäter, die sexuellen Kindesmissbrauch begehen, in einigen EU-Ländern ein Sicherheitsrisiko für alle EU-Länder dar", warnt der Bericht.

Vorschläge zur Abschaffung oder deutlichen Ausweitung der Verjährungsfristen fanden bei der Sitzung des Lanzarote-Ausschusses des Europarates im Juni 2024 in Straßburg große Zustimmung unter den Mitgliedstaaten, was sich auch in der Abschlusserklärung widerspiegelt.

"Der Ausschuss war sich einig, dass die Abschaffung der Verjährungsfristen, obwohl sie nicht ausdrücklich von der Lanzarote-Konvention gefordert wird, ein wirksames Mittel ist, um sicherzustellen, dass genügend Zeit für die Einleitung eines Verfahrens zur Verfügung steht", heißt es in der Entschließung.

Brave Movement und Child Global fordern, dass die EU zumindest einer Mindestverjährungsfrist von 35 Jahren für alle Straftaten ab dem Alter der Volljährigkeit zustimmen sollte. Damit würde sich das Recht auf Gerechtigkeit erst mit 53 Jahren nicht mehr einfordern lassen.

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