Frankreich braucht Reformen

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Von Euronews
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Der französische Wirtschaftsminister Pierre Moscovici hat ein Buch geschrieben über seine ersten anderthalb Jahre im Amt. Die Franzosen nennen sein Amt das “Superministerium”, weil es Wirtschaft und Finanzen umfasst.

Giovanni Magi , euronews :
Über ihr Ziel schreiben Sie: Es gilt, die europäische Politik neu auszurichten, damit Europa ein Raum des wirtschaftlichen Wachstums wird. Die aktuellen Prognosen zeigen , dass dieses Ziel noch nicht erreicht ist. Ist es eine Frage der Zeit, oder muss man dafür erst die Politik ändern?

Pierre Moscovici
Die Beobachtungen zeigen, dass die Eurozone und ganz Europa langsam aus der Rezession herauskommen. Wir haben also die Zeit der Rezession und übermäßige Sparzwänge hinter uns.
Aber wir müssen weiter gehen, damit Europa wirklich ein Gebiet wird, in dem Wohlstand und sozialer Fortschritt, Wachstum und soziale Gerechtigkeit zusammen gehen.

euronews :
Sie haben auch geschrieben, die europäische Krise sei eher politischer als wirtschaftlicher Art. Ist es dann realistisch, heute auf einer verstärkte politischen Union zu drängen?

Moscovici :
Ich denke ja. Es ist insbesondere notwendig, um die Steuerung des Euroraums zu stärken. Ich mache im Namen von Frankreich mehrere Vorschläge: Der erste: ein Budget für die Euro-Zone schaffen, das antizyklisch wirken kann. Einschließlich eines minimalen Arbeitslosengeldes. Zweitens: Es ist wichtig, dass das im Mai zu wählende nächste Europaparlament ein Gremium schafft, das die Länder der Eurozone repräsentiert, damit sie bei der Gesetzgebung mit einer Stimme sprechen. Und dann schlage ich vor, es sollte einen ständigen Präsidenten dieser Gruppe geben, der aber kein Minister sein sollte. Es könnte aber der EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung sein, der dann eine Art Finanzminister der Euro-Zone wäre, der seine Stimme erheben und dazu beitragen könnte, Positionen zu fixieren. Diesen drei Vorschläge möchte ich einen vierten hinzuzufügen: wir brauchen eine Bankenunion.

euronews :
Für die Bankenunion wurde ein Kontrollmechanismus gefunden. Aber mit einem einheitlichen Funktionsmechanismus bleibt es schwierig.
Halten Sie es für möglich, eine gemeinsame Position mit Deutschland zu finden?

Moscovici :
Wir müssen diese gemeinsamen Positionen finden.
Wir hängen da im Moment etwas in der Luft, weil in Deutschland nach der Wahl die langen und komplizierten Koalitionsverhandlungen immer noch andauern. Was ich mir wünsche, wäre eine Einigung über den Mechanismus für die Eurozone, zu erreichen bis zum Ende dieses Jahres 2013.
Es geht schließlich um den europäische Stabilitätsmechanismus. Rekapitalisierung muss wieder möglich sein, also ohne den Umweg über die Regierungen. Banken sollten die Lage beurteilen und Lösungen finden .

euronews :
Standard & Poors hat die Kreditwürdigkeit von Frankreich herabgestuft . Zur gleichen Zeit mehren sich in Frankreich die Protestbewegungen gegen neue Steuern. Man hat den Eindruck, dass viele Menschen nicht an Ihre politischen Reformen glauben.

Moscovici :
Zuerst ein Wort über Standard & Poors. Die Rating-Agentur meinte Frankreich abwerten zu müssen.
Ich möchte feststellen, dass es ein kreditwürdiges, seriöses Land bleibt. Die Märkte, die Investoren haben gezeigt, dass sie Frankreich in Bezug auf die Zinsen weiterhin vertrauen, der sogenannte Spread lag bei Null oder fast Null. Ich finde, dass Standard & Poors hier mit ihrer Kritik übertrieben haben. Die haben nicht genau genug die Wirkung der in Angriff genommenen Reformen berücksichtigt.
Sie beschreiben in Ihrer Frage das Klima in Frankreich sehr genau. Deshalb müssen wir Steuerreformen durchführen und vor allem Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben durchsetzen. Es gibt eine Steuermüdigkeit angesichts der Ankündigung, die Steuerobergrenze für Einkommenssteuer höher anzusetzen als bisher bei 46 Prozent. Ich bin dafür. Steuern zahlen ist eine Bürgerpflicht. Man muss die Steuern immer im Zusammenhang mit öffentliche Ausgaben und Sozialstaat sehen, wie ihn die Franzosen wünschen. Das ist schwierig zu vereinbaren mit gewissen notwenigen Einsparungen bei öffentlichen Ausgaben.

euronews :
Im letzten Jahr wurden in Frankreich 1000 Sozialpläne aufgestellt, es sind weitere in Sicht. Ist es noch realistisch, weniger Arbeitslosigkeit bis zum Ende des Jahres zu erwarten?

Moscovici :
Ja, weil, wie Sie wissen, um die ersten Sozialpläne gekämpft werden musste. Ein Sozialplan bedeutet nicht zwangsläufig, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Glücklicherweise konnten eine Menge von Arbeitsplätzen gerettet werden, haben Unternehmen Lösungen für Käufer gefunden. Folglich ist Sozialplan nicht mit sozialem Kahlschlag gleichzusetzen. Leider gibt es in Frankreich die schlechte Angewohnheit, über jene Unternehmen, die gut laufen, die investieren, Arbeitsplätze schaffen, kaum zu reden.
Solche Erfolgsgeschichten findet man in unseren Medien höchst selten. Dabei gibt es die auch in Frankreich. Entschuldigen Sie, aber ich möchte Sie daran erinnern, dass Frankreich immer noch die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt ist, die zweitgrößte Volkswirtschaft in Europa , gefolgt von Italien. Deshalb wünschte ich, die Franzosen hätten mehr Vertrauen in die Möglichkeiten ihres Landes, in seine Ausstrahlung in der Welt und in Europa. Wir sind besser, als wir im Moment aussehen.

euronews :
Über die Kabinettsumbildung schreiben Sie, es ist nicht die Frage ob oder ob nicht, es geht um den richtigen Zeitpunkt. Heute mehren sich auch in der Sozialistischen Partei die Stimmen, die eine Kabinettsumbildung verlangen. Ist jetzt also der richtige Zeitpunkt ?

Moscovici :
Hören Sie, ich stehe zu dem, was ich geschrieben habe. Man ist nicht Minister auf Lebenszeit. Ich war es von 1997 bis 2002. Man ist in seinem Leben länger Ex-Minister als amtierender Minister. Man dient seinem Land und steht deshalb dem Staatsoberhaupt zur Verfügung. Das ist jetzt François Hollande, der Präsident der Republik, der zu befinden hat, wann wer was zu tun hat. Es gibt es eine Regierung, die unter einem sehr starken Ministerpräsidenten Jean -Marc Ayrault arbeitet, die auf der Höhe der Aufgaben funktioniert.

euronews :
Sie haben eine Menge Erfahrung in Europa. Wenn Ihnen Jahr 2014 der Posten eines EU-Kommissars angeboten wird, werden Sie annehmen?

Moscovici :
Ich bin Minister für Wirtschaft und Finanzen und ich bin ein überzeugter, leidenschaftlicher Europäer, wie man weiß. Ich habe einen großen Teil meines Lebens dem Bau des europäischen Hauses gewidmet. Und zwar an dem Platz, an dem ich arbeite. Als französischer Minister für Wirtschaft und Finanzen. Als solcher gehöre ich zur Euro-Gruppe, sitze im Ecofin, dem Rat der Wirtschafts- un d Finanzminister.
Ich treibe die europäische Sache von Frankreich aus voran und bin keineswegs meiner Arbeit müde.
Ich kann noch in Funktionen für mein Land nützlich sein und ebenso für Europa, da, wo ich am meisten gebraucht werde.

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