Timoschenko: "Countdown für Ende der Putin-Ära begonnen"

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Julia Timoschenko ist Kandidatin bei der ukrainischen Präsidentschaftswahl am 25. Mai, ihr Rivale Petro Poroschenko liegt aber in den Umfragen vorne. Timoschenko war ein Symbol der Orangenen Revolution und bis 2010 war sie Ministerpräsidentin. Danach saß sie drei Jahre im Gefängnis. Seit dem Fall von Präsident Janukowitsch ist sie frei und im Moment versucht sie, im Wahlkampf die ukrainische Bevölkerung hinter sich zu vereinen. Keine leichte Aufgabe, denn die Ukrainer sind gespaltener denn je.

Euronews:
“Willkommen bei Euronews. Die Lage in der Ukraine ist besonders schwierig, mit Russland gibt es große Spannungen, es besteht die Gefahr eines Kriegs, zumindest eines Bürgerkriegs. Was halten Sie von Russlands Aussagen und Erklärungen, von dem, was Moskau zur Zeit in Bezug auf die Ukraine von sich gibt?”

Timoschenko:
“Einen Bürgerkrieg wird es in der Ukraine nicht geben. Denn auch im Südosten der Ukraine sind die Menschen gegen die von Putin geschürte Aggression. Nur 18 Prozent der Menschen dort wünschen, dass die Städte Donetsk, Luhansk und Charkiw zum Beispiel sich von der Ukraine abspalten und zu Russland gehören sollten. 18 Prozent – das ist eine sehr geringe Prozentzahl, das ist nichts. Es gibt keine Separatisten. Es wird daher niemals zu einem Bürgerkrieg kommen.
Wer einen Krieg gegen uns führt, das ist ein anderer: Putin führt einen Krieg gegen uns, und dieser Krieg muss aufhören und zwar sofort.”

Euronews:
“Glauben Sie, dass alle EU-Länder sich wirklich gegen Russland und auf die Seite der Ukraine stellen werden? Einige EU-Länder haben doch hervorragende Beziehungen zu Moskau. Einige Regierungschefs sind mit Putin befreundet. Glauben Sie, die gesamte EU stellt sich gegen Moskau?

Timoschenko:
“Ich glaube, die ganze Welt hat verstanden, dass Russland von einem autoritären Regime regiert wird, und dass auf dem Gebiet der Russischen Föderation viele dunkle Dinge geschehen. Die Welt hat dies schon mitbekommen und blickt voller Sorge dorthin. Die Welt will das nicht. Putin ist eine Bedrohung für den Weltfrieden. Das, was er mit der Krim gemacht hat, das ist der Anfang vom Ende, der Anfang von seinem Ende. Mit der Krim schaufelte er sich sein eigenes Grab. Der Countdown für ein Ende der Ära Putin hat doch schon längst begonnen.”

Euronews:
“Jetzt zur Präsidentschaftswahl in der Ukraine, die ja am 25. Mai stattfinden soll, wenn sie nicht verschoben wird. Sie schneiden in den Umfragen nicht schlecht ab und haben sich auch in der letzten Zeit immer weiter gesteigert, aber ihr Rivale – Petro Poroschenko – liegt vor Ihnen. Könnte es Ihnen nicht von Nutzen sein, wenn die Wahl wegen der momentanen Krise verschoben würde? Dann könnte ihr Beliebtheitsgrad vielleicht noch ansteigen? Wäre Ihnen das recht, wenn die Wahl verschoben wird?”

Timoschenko:
“Ich bin gegen eine Verschiebung der Wahlen, komplett dagegen. Wir sollten unbedingt am 25. Mai wählen, Krise hin, Krise her, egal, was passiert. Diese Wahl wird einen stabilisierenden Faktor darstellen.
Für die Ukraine ist es wichtig, einen rechtmäßig gewählten Präsidenten zu haben. Dadurch alleine wird das Land wieder stabiler. Das wird auch eine positive Wirkung auf die Wirtschafts- und Finanzkrise haben, in der wir im Moment stecken. Ein neuer Präsident wird vieles zum Besseren wenden – mit fester Hand und Durchsetzungsvermögen. Ich zumindest auf dem Posten würde das tun.”

Euronews:
“Als Ihnen nach Ihrer Freilassung die Menschen auf dem Maidan-Platz zujubelten, – ich erinnere mich daran, wie Sie von der Bühne zu den Massen sprachen – hätten Sie es da für möglich gehalten, dass es zu einer solchen Krise mit Moskau kommen würde?”

Timoschenko:
“Natürlich nicht. Niemand hätte es doch für möglich gehalten, dass Russland einen Krieg gegen die Ukraine anzettelt. In Kiew hat die Revolution gewonnen und sie hat uns die Freiheit gebracht. Das konnte Putin nicht akzeptieren. Das hat er nicht verkraftet. Er ist es gewohnt, dass alles nach seinem Willen läuft und was in der Ukraine geschah, das ging ihm gegen den Strich. Er will ohnehin sein Reich vergrößern, seinen Einflussbereich. Und da gehörte die Ukraine dazu, sollte zumindest seiner Meinung nach dazugehören. Aber die ukrainische Revolution machte ihm einen Strich durch die Rechnung.”

Euronews:
“In der Ukraine ist der Osten – und der Südosten besonders – aber doch eine Problemregion. Hier hatte Ex-Präsident Janukowitsch seine Anhänger und viele von ihnen fühlen sich im Stich gelassen. Janukowitsch hatte sich für sie eingesetzt. Janukowitsch ist weg. Wie ist dieses Problem mit dem Südosten der Ukraine jetzt ohne Janukowitsch zu lösen?”

Timoschenko:
“Das stimmt, dass sich die Ukrainer im Osten und im Süden benachteiligt fühlen. Sie denken, sie haben keine Fürsprecher in Kiew.
Sie denken, sie haben keine Politiker mehr, die sie in Kiew vertreten. Deshalb war ich zum Beispiel während der vergangenen Wochen genau dort, in Donetzsk etwa, in Luhansk. Was mache ich dort? Nun, in erster Linie höre ich den Menschen zu, ich höre mir an, was sie auf dem Herzen haben, was sie sich von Kiew wünschen. Ich höre ihre Probleme und ich zeige ihnen, dass sie nicht alleine sind, dass wir sie nicht alleine lassen. Und wir werden sie unterstützen.

Ich habe schon viel Zeit investiert, um mich genau an diese Menschen zu wenden. Um ihnen das Vertrauen wiederzugeben. Um ihnen zu versichern, dass Kiew sie nicht im Stich gelassen hat und niemals im Stich lassen wird.

Die Wunden der Ukraine müssen jetzt heilen. Es ist an der Zeit. Wir müssen uns einen, zusammenkommen, nicht uns trennen. Wir müssen aufhören, uns gegenseitig zu bekriegen. Wir sollten uns vielmehr bemühen, einander zu verstehen. Wir müssen aufeinander zugehen, – nur dann werden wir Frieden erreichen.”

Euronews:
“Was ist der Unterschied zwischen dieser Revolution jetzt, also der Maidan-Revolution, und der Orangenen Revolution, bei der Sie ja eine maßgebliche Rolle spielten? Wenn Sie das für unsere Zuschauer, die nicht alle Ukrainer sind, einmal erklären könnten.”

Timoschenko:
“Bei der Orangenen Revolution war die Unterstützung für eine Person, nämlich für den Präsidentschaftskandidaten Viktor Juschtschenko, das entscheidende Merkmal. Es war also eine Revolution, die von Politikern unterstützt und vom Volk gewonnen wurde. Diese Revolution ist ganz anders gewesen. Sie fand im Grunde genommen ohne Politiker statt. Mit Führern aus dem Volke, ja. Aber nicht mit Politikern. Sie war auch nicht an eine Person gebunden. Es war eine Revolution der Bevölkerung und aller Ukrainer, die sich nach Freiheit sehnten.”

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