Katalonien: "Eine verarmte arbeitende Bevölkerung kann ihre Licht- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlen"

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Von Euronews
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Die Unabhängigkeitsdiskussion hat soziale Fragen jahrelang in den Hintergrund gedrängt

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Der sogenannte “katalanische Prozess” – in Richtung Unabhängigkeit – hat in den letzten Monaten und Jahren Schlagzeilen, Bildschirme und Debatten im Land beherrscht. Der fehlende Dialog zwischen der Regierung in Madrid und Katalonien hat selbst die drängendsten sozialen Probleme in den Hintergrund gerückt. Flaggen wurden wichtiger als die Bedürfnisse.

Susana Rodríguez, Ärztin in Barcelona:
“Während dieser ganzen Zeit haben sich die Politiker mehr Sorgen um andere Themen gemacht und nicht über Themen gesprochen, die für die Menschen vorrangig sind, wie die Gesundheitsversorgung.”

Ein Beispiel: Im Jahr 2010 hat das katalanische Gesundheitssystem 1,5 Milliarden Euro Haushaltsmittel verloren, 2.400 Fachkräfte und 1.100 Krankenhausbetten. Die Ärztin findet, dass der “katalanische Prozess” diese Probleme verdrängt hat.

Susana Rodríguez, Ärztin:
“Die Wartelisten für für eine Behandlung sind länger geworden. Der “Prozess” ist eine Entschuldigung, das zu übergehen – nicht nur in Katalonien, sondern auch im Rest des Staates.”

Der Unabhängigkeitsprozess, der vom ehemaligen Präsidenten Artur Mas gefördert wurde, fiel in die schwerste Zeit von Sozialabstrichen: Privatisierungen und Entlassungen. Katalonien war am stärksten betroffen. Seither fordern Organisationen und Verbände von der Regierung mehr Sozialmittel.

Anna Vall-Llosera (Sprecherin des katalanischen Forums Erste Hilfe): “Wir fordern, dass die politischen Akteure Gelder beschließen, die zur Rettung des Gesundheitssystems beitragen – es wurde während der Krise schwer mitgenommen.”

Die Sozialgesetze waren offenbar ein wahres Schlachtfeld. Im Juni hat die Regierung die Gesetzliche Krankenversicherung in Katalonien wiederhergestellt – trotz der Verordnung von Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy, die 2012 diesen Dienst eingestellt und beendet hat. Der katalanische “Prozess” hat es geschafft, das Unruhepotential der Krise durch ein “staatliches” Projekt abzubauen:

Joan Manel Bargalló aus Tarragona:

“Ich meine, dieses Land sollte sich ändern (Katalonien). Politiker können viel versprechen, aber sie sollten es auch machen können … sie finden immer nur Hindernisse, Hindernisse und wieder Hindernisse … diese negativen Antworten sollten eines Tages aufhören.”

“Caritas” verteilt Lebensmittel in einem Viertel Barcelonas mit knappen Mitteln. In Katalonien brauchen 190.000 Menschen soziale Organisationen, um zu überleben. Im Jahr 2016 versorgten sie mehr als 1,5 Millionen Menschen, 34.000 mehr als im Vorjahr. Laut nationalem Statistikinstitut INE sind 19,2% der Katalanen von Armut bedroht.

Francina Alsina, Präsidentin der Non-Profit-Organisationen in Catalonien:
“Es gibt immer mehr Arme in der Bevölkerung, wir stellen zum ersten Mal fest, dass es eine “verarmte arbeitende Bevölkerung” gibt, die ihre Licht- oder Gasrechnung nicht bezahlen kann.”

In Katalonien gibt es eine halbe Million arme Arbeiter, 30.000 mehr als im letzten Jahr. Carlos arbeitet für 5 € pro Stunde in Teilzeit. Mit diesem Job kommt er nicht über die Runden. Er braucht die Sozialprojekte. Es hat keine Hoffnung auf die Politik, unter welchem Vorzeichen auch immer.

Carlos Cortés, Barcelona:
“Die leben in Lichtjahre entfernt, in einer anderen Welt von Hotels, Snacks, sie haben welche mit Geld auf den Bahamas erwischt … die sollten hierher kommen, hier sehen sie, was die Leute brauchen: Geld für die Metro, für Strom … aber wer schert sich schon um sowas? Keiner.”

Cristina Giner, Euronews:
“Während der Kampagne sprachen die katalanischen politischen Parteien von der einen oder anderen Seite über soziale Fragen, um ihre Wählerbasis zu vergrößern oder um künftig Vereinbarungen mit nahestehenden Parteien zu erreichen. Aber es scheint, dass das politische Projekt für die endgültige Entscheidung der Wählers mehr Gewicht hat: Unabhängigkeit oder Verfassungstreue.”

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