Miteinander statt übereinander reden

Miteinander statt übereinander reden
Von Hans von der Brelie
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Das Projekt "Meet2respect" will religiöse Toleranz fördern.

Rabbi und Imam, Seite an Seite, gemeinsam in der Klasse vor den Kindern, das ist das Erfolgsrezept von "meet2respect", einem Berliner Verein, der beschlossen hat, Hass und Vorurteilen einen Riegel vorzuschieben - und zwar schon im Schulalter. Euronews-Reporter Hans von der Brelie bat Joelle Spinner und Ender Çetin nach der "meet2respect"-Stunde in einer Spandauer 5b, noch einen Moment Pause zu machen (im Pausenhof der Schule versteht sich) - für ein Doppelinterview. Joelle Spinner ist Frau eines Berliner Rabbiners, stammt aus der Schweiz und macht das erste Mal mit bei "meet2respect". Ender Çetin - er leitete jahrelang die große Moschee am Columbiadamm - ist gewissermaßen ein alter Hase, hat schon zahlreiche "meet2respect"-Projekte in Berliner Schulen erlebt. Beide sind gut gelaunt und entspannt, denn die soeben zu Ende gegangene "meet2respect"-Doppelstunde mit den elfjährigen Kindern hat richtig gut geklappt. Hier, an dieser Schule wird religiöses Mobbing keine Chance haben, zumindest nicht in dieser Klasse. Die Kinder waren neugierig, haben mitgemacht, von sich erzählt, Fragen gestellt, begriffen: Toleranz und Respekt sind tragenden Pfeiler, sowohl im Judentum wie auch im Islam. Doch nicht überall ist die Situation so gut wie hier in Spandau. Hier das muslimisch-jüdische Doppelinterview in Ausschnitten:

Joelle Spinner:

"Es gibt heute leider sehr viele Vorurteile gegenüber Juden. Ich finde es sehr wichtig, dass man schon in der Jugend Aufklärungsarbeit leistet und zeigt: Juden sind normal, wir haben Gemeinsamkeiten mit Moslems, es gibt Ähnlichkeiten zwischen Judentum und Islam. Wir wollen den Jugendlichen und Kindern das Gefühl vermitteln: Ihr könnt mit uns reden, ihr könnt uns alle Fragen stellen, ihr braucht keine Angst haben."

Ender Çetin:

"Wir sind ja als religiöse Vertreter hier in der Schule. Als Muslime leben wir ebenfalls in einer schwierigen Zeit. Auch wir werden angefeindet, es geht sowohl um Islamfeindlichkeit wie auch um Antisemitismus. Wir erfüllen eine Vorbildfunktion für die Jugendlichen und Kids. Ich denke, wir müssen zeigen, dass unsere Religionen gegen jegliche Art von Feindschaft, gegen jegliche Art von Hass sind. Unsere Religionen stehen für Respekt, für Liebe, für Nächstenliebe. Und genau das als (Religions-) Vertreter in einer Schulklasse zu sagen, ist uns wichtig, weil gerade jetzt viele Menschen Religionen in den Dreck ziehen, durch ihr Verhalten.

Joelle Spinner:

"Gewalt ist keine Option, weder im Judentum noch im Islam."

Ender Çetin:

"Jegliche Art der Gewalt, des Hasses ist falsch, bösartig. Wir stehen ein für Respekt."

Joelle Spinner:

"Manche Kinder haben Voruteile gegenüber Juden. Nun, und wir wollen denen zeigen, dass diese Vorurteile total falsch sind. Wir müssen bei der Jugend beginnen, denn bei den Erwachsenen ist das leider fast immer schon zu spät. Aber wenn man es schafft, bei Jugendlichen das Positive in den Kopf zu legen, dann nehmen die das auch mit nach Hause."

Ender Çetin:

"Der Ansatz ist, miteinander statt übereinander zu reden. Bei Erwachsenen ist das teilweise sogar schwieriger als bei Kindern, denn Kinder sind unvoreingenommen und sehr offen. Wir zeigen einfach auf, dass es eben sehr viele Gemeinsamkeiten gibt zwischen den Religionen, zwischen Islam und Judentum - und auch mit dem Christentum. Es gibt natürlich auch Unterschiede - und diese Unterschiede sind schön. Zur Vielfalt gehört das mit dazu. Wir zeigen auf, dass jeder bei seiner (religiösen) Meinung bleiben kann, ohne dass er den anderen dadurch diskriminiert oder respektlos behandelt."

Joelle Spinner:

"Ich würde mich dem anschließen. Für mich kommt noch hinzu, dass man ein Vorbild sein sollte. Wir wollen zeigen: Juden haben keine Hörner (LÄCHELT). Wir sind nicht nur schwarz-weiß angezogen, ihr könnt uns alles fragen, nichts ist tabu, wir sind offen und wir sind da für euch, eure Fragen zu beantworten, die ihr schon immer hattet und die ihr euch nie getraut habt, zu fragen. Von mir aus gesehen ist der Antisemitismus das Problem, auch muslimischer Antisemitismus. Aber gleichzeitig - jetzt wird es kompliziert - besteht das Problem auch darin, dass die Muslime wegen des Antisemitismus angegriffen werden. Das wird alles in einen Topf geworfen und deswegen muss man das erklären. Man muss erklären, dass weder Antisemitismus ok ist, noch muslimischer Antisemitismus, noch Islamfeindlichkeit. Und das muss man - vorallem auch als Juden - den Kindern offen sagen."

Ender Çetin:

"Ja, wir haben an manchen Berliner Schulen tatsächlich das Problem, dass im Namen der Religion viel Mist gebaut wird, dass andere diskriminiert werden. Da sehe ich mich dann eben in der Verantwortung, dass wir als Vertreter der Religionen in den Klassen sagen: So geht das nicht. Wir sind, wie man im Englischen sagt, gewissermaßen 'role models', wir haben eine Vorbildfunktion. Wir müssen deshalb auch klar sagen, was falsch läuft, was so nicht laufen darf. Wir müssen sagen, dass wir jeden respektieren müssen, egal welcher Farbe. Das ist uns wichtig. Es gehört auch dazu, den Kindern zu sagen, dass der Islam und das Judentum, beide, eigentlich sehr friedvolle Religionen sind, die beide Frieden wollen."

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