Welche Themen sind EU-Bürgern bei der Europawahl wichtig?

Mit Unterstützung von The European Commission
Welche Themen sind EU-Bürgern bei der Europawahl wichtig?
Von Oleksandra VakulinaGuillaume Desjardins
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Das Real-Economy-Team hat sich in Griechenland und den Niederlanden umgesehen.

Selten erregten die Europawahlen so viel Aufmerksamkeit. Es sind schwierige Zeiten für Europa: Großbritannien verlässt die EU und die Zahl der antieuropäischen Parteien steigt. Welche Sorgen treiben die Wähler um? Welche Themen sind ihnen wichtig und wie werden sie im Wahlkampf aufgenommen. Das Real-Economy-Team hat einen genaueren Blick auf die Anliegen der EU-Bürger geworfen. Menschen auf der Straße haben ihre Meinung gesagt und Wirtschaftsexperten die Situation analysiert.

Doch zunächst ein Stimmungsbarometer mit Zahlen und Fakten:

Laut Umfragen sind 51 Prozent der EU-Bürger an den Europa-Wahlen interessiert. Europaweit sind ihnen folgende Themen wichtig: Einwanderung steht mit 50 Prozent an erster Stelle, gefolgt von Wirtschaft (47 Prozent) und Jugendarbeitslosigkeit (47Prozent)

Die Themen Wirtschaft und Wachstum stoßen in elf Mitgliedstaaten auf das größte Interesse: Portugal, Polen, Slowakei, Schweden, Irland, Österreich, Belgien, Deutschland, Litauen, Ungarn und Italien.

Auf nationaler Ebene zeigt sich eine andere Situation: Auf die Frage, was ihre derzeit größte Sorge ist, antwortet ein Viertel der EU-Bürger: die Arbeitslosigkeit .

Gesundheit und soziale Sicherheit stehen an zweiter, Einwanderung an dritter Stelle. Auf Platz sechs steht die wirtschaftliche Situation, sie wird von 15% der Befragten genannt. Das Thema fällt auf den niedrigsten Stand seit Frühjahr 2007.

Die Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten sind nach wie vor sehr ausgeprägt: 91 Prozentpunkte trennen die Niederlande und Luxemburg, - wo 93 prozent der jeweiligen Bevölkerung der Meinung sind, die Situation ihrer Volkswirtschaft sei gut - von Griechenland, wo nur 2 Prozent dieser Meinung sind.

Griechen schauen skeptisch in die Zukunft

Am Tiefpunkt der Krise im Jahr 2011 schrumpfte die griechische Wirtschaft um 9,1 Prozent. Euronews-Reporterin Sasha Vakulina hat sich vor Ort umgesehen: _"Nach Jahren der Krise, des Sparpolitik und der Rettungsaktionen ist das Hilfsprogramm für Griechenland im August 2018 endgültig ausgelaufen. Dennoch scheinen die Griechen nicht glücklich über ihre wirtschaftliche Situation zu sein, nur 2 Prozent sind der Meinung, dass es der Wirtschaft gut geht."

Fragt man Menschen auf der Straße, ist die Stimmung eher skeptisch: "Weil alles immer noch schlimmer wird. Es macht keinen Unterschied", sagt ein älterer Mann. Ein anderer meint: "Der Mittelstand befand sich in einer sehr schwierigen Lage, er ist geschrumpft. Die Europawahlen werden keinen Einfluss auf unseren Alltag haben." Ein dritter Mann ist vorsichtig optimistisch: "Ich bin nicht zu 100 Prozent zufrieden. Aber offensichtlich wurden schon wichtige Schritte unternommen." Und eine Frau sagt: "Es ist die Art und Weise, wie die Dinge in meinem Alltag laufen. Aber ich bleibe optimistisch und warte auf bessere Zeiten."_

Die Äußerungen der Menschen auf der Straße kommentiert der Wirtschaftsexperte Panos Tsakloglou, Professor am Institut für Internationale und Europäische Wirtschaftsstudien der Athener Wirtschaftsuniversität:

"Es ist nicht ganz überraschend, dass die Menschen die Wirtschaftslage in diesem Sinne beurteilen. Sehen Sie, die Haushaltskonsolidierung wurde zu einem sehr erheblichen Teil durch Steuererhöhungen erreicht. Infolgedessen sank das verfügbare Einkommen um mehr als 40 Prozent. Das sind wirklich erstaunliche Zahlen. Man muss auch berücksichtigen, dass - obwohl die Wirtschaft wieder in Fahrt kam - die Arbeitslosigkeit immer noch über 18 Prozent liegt und der Lebensstandard immer noch deutlich niedriger ist als vor der Krise."

Griechenland: Wird politischer Wandel den Wirtschafsaufschwung beschleunigen_?

Im Januar lag die Arbeitslosenquote in Griechenland bei 18,5 Prozent - das ist fast dreimal so hoch als die der gesamten EU (6,5 Prozent). Doch die Wirtschaft erholt sich: Laut Prognosen soll das Bruttoinlandsprodukt 2019 um rund 2,2 Prozent wachsen. Was wird sich nach den Europawahlen ändern?

"Erstmals während all dieser Programme und der zehnjährigen Rezession gibt es keine Opposition, die die wirtschaftliche Stabilität zu gefährden droht", meint Nikos Vettas, Generaldirektor der Stiftung für Wirtschafts- und Industrieforschung . "Es besteht die Hoffnung, dass - wenn es einen politischen Wandel gibt - die Wachstumsraten der Wirtschaft beschleunigt werden - aufgrund der marktfreundlicheren Reformen, die es dann geben wird."

Glückliche Niederländer

Die Niederländer sind in Europa zusammen mit den Luxemburgern am zufriedensten mit dem aktuellen Stand der Wirtschaft ihres Landes. Und sie können eine ganze Menge Gründe dafür nennen:

"Gute Dienstleistungen, eine gute Infrastruktur, fast niemand fällt durch das soziale Netz", sagt eine Frau auf der Straße ohne zu Zögern. Ein anderer Passant: "Ich habe eine gute Rente, bin drei oder vier Mal im Jahr mit meiner Freundin im Urlaub, und ja, ich bin sehr glücklich". Glücklich ist auch eine junge Frau: "Ich habe einen Job, und verdiene gutes Geld für das, was ich tue - ich bin wirklich glücklich." Auch ein Ausländer kann nicht klagen: "Hier gibt es eine Menge Arbeit. Nicht nur für die Niederländer, sondern auch für Expats."

In den Niederlanden ist die Arbeitslosigkeit niedrig, die Handelsbilanz positiv", weiß euronews-Reporter Guillaume Desjardins. "Das verfügbare Haushaltseinkommen steigt aufgrund einer kürzlich gesenkten Einkommenssteuer, aber auch aufgrund effizienter Tarifverhandlungen und einer günstigen globalen Konjunktur. Aber reicht das aus, um ein nachhaltiges Wachstum zu gewährleisten?

Zufrieden mit der Wirtschaft, aber die Zukunft ist unsicher

Das Unternehmen von Pieter van der Marel ist eines von fast 1,1 Millionen niederländischen Kleinen und Mittleren Unternehmen, die etwa ein Drittel des Gesamtumsatzes und der Arbeitsplätze des Landes ausmachen. Vor sechs Jahren begann er mit einem Freund, Fahrräder nach Maß herzustellen. Heute beschäftigt er fünf Mitarbeiter. Aber er musste sich auf das Aufkommen neuer Zölle auf chinesische Produkte einstellen:

"Wir arbeiten mit einer chinesischen Fabrik zusammen, in der nichts anderes als Titanrahmen herstellt werden. Das Wissen ist also vorhanden, die Fähigkeiten sind da. Es sind wirklich qualifizierte Leute", erzählt der Unternehmer. "Es ist schwer, welche in Europa zu finden, vor allem technisch versierte Leute gibt es selten. Und weil es so wenig sind, steigt ihr Gehalt."

Auch das hohe Niveau der niederländischen Selbständigen mit wenig sozialer Sicherheit macht niederländischen Ökonomen Sorgen. Für das kommende Jahr sagen Prognosen einen Anstieg sowohl der Inflation als auch der Arbeitslosigkeit voraus.

Aber trotzdem sind die Niederländer immer noch zufriedener mit ihrer Wirtschaft als die Deutschen, die Schweden, die Polen und fast alle anderen Mitgliedsstaaten. Philip Bokeloh, ein Ökonom von ABN Amro weiß die Gründe dafür:

"Der Lebensstandard ist ziemlich hoch und wenn wir die Anzahl der Stunden, die wir arbeiten, mit denen der Griechen vergleichen, sind es viel weniger. Deshalb haben wir viel mehr Freizeit, was natürlich dem Wohl der Menschen zugute kommt."

Auf die Frage, ob diese Zufriedenheit auch in Zukunft anhalten wird, ist seine Prognose zurückhaltender: "Ich sehe bereits einen Stimmungseinbruch, der könnte größer werden, wenn es keine gute Lösung für den Brexit gibt. Wenn internationale Konflikte weiter zunehmen, werden die Niederländer so glücklich bleiben wie heute? Schwer zu sagen, aber es ist wahrscheinlicher, dass die Stimmung eher schlechter wird als besser."

Das war nur ein Ausschnitt der Sorgen und Bedenken von EU-Bürgern aus verschiedenen Mitgliedsstaaten, die vom Europäischen Parlament und der neuen Europäischen Kommission nach den Wahlen berücksichtigt werden müssen.

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