#SayTheirNames - Was wir zum Anschlag von Hanau wissen

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Ein Update zum Stand der Ermittlungen nach den Anschlägen des rechtsextremen 43-Jährigen am 19. Februar in Hanau.

Wer sind die Opfer von Hanau?

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Der mutmaßlich rechtsextreme Angreifer Tobias R. hat am späten Mittwochabend - am 19. Februar - in Hanau neun Menschen mit Migrationshintergrund vor einer Shisha-Bar und einem Kiosk erschossen. Nach Medienangaben waren sie zwischen 21 und 44 Jahre alt. Es handelt sich offenbar um neun Männer und eine Frau.

Viele von ihnen waren in Deutschland geboren. Nach Angaben des Landeskriminalamts hatten drei der Todesopfer eine deutsche Staatsangehörigkeit und zwei eine türkische. Anderen Quellen zufolge sind fünf Opfer Türken. Je ein Opfer hatte eine bulgarische, eine rumänische und eine bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit, ein weiteres sowohl eine deutsche als auch eine afghanische. Unter den Opfern sind mehrere Kurden und offenbar mindestens eine Angehörige der Sinti und Roma.

Im Internet gibt es unter dem Hashtag #SayTheirNames eine Kampagne, die dafür plädiert, die Namen der Opfer zu teilen, auch um mehr über die Opfer als über den Täter zu sprechen. Am Samstag nach dem Angriff haben 6.000 Angehörige, Freunde und Bekannte sowie Bewohner in Hanau gegen Hass und Hetze protestiert. Auf der Abschlusskundgebung wurden auch die Namen der Opfer verlesen.

Zwei Familien haben Cowdfunding-Aktionen gestartet, um die Getöteten in die Türkei überführen und dort beerdigen zu lassen.

Ein junger Mann unter den Toten war erst vor Kurzem von Regensburg nach Hessen gezogen, um sich dort selbständig zu machen. Seine Familie möchte den 34-Jährigen in der Türkei beerdigen lassen und sammelt dafür Spenden.

Offenbar war es der schlimmste rechtsextremistische Angriff seit den neun sogenannten "NSU-Morden" - begangen von den die Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zwischen 2000 und 2006. Doch in Hanau wurden neun Menschen in einer Nacht umgebracht.

Nicht nur in Hanau haben viele jetzt Angst und fordern mehr Sicherheit vor rechtsextremen Angriffen.

In der kurdischen Gemeinde in Hanau kannten viele mehrere der Opfer. Angehörige und Freunde zeigen Fotos von einigen, die getötet wurden. Darunter der 23 Jahre alte Ferhad.

Der mutmaßliche Täter: Tobias R.

Was wusste der Vater?

Laut Generalstaatsanwalt ist aus den Veröffentlichungen des mutmaßlichen Todesschützen von Hanau zu schließen, dass der 43-Jährige "von zutiefst rassistischer Gesinnung" war. Inzwischen sollte der 72-j¨ährige Vater befragt werden. Ein früherer Freund hat laut BILD berichtet, dass der Vater dem Sohn verboten habe, sich mit Kindern mit Migrationshintergrund zu befreunden. Der Vater sei zudem wegen falscher Verdächtigung, übler Nachrede, Falschaussage und Erpressung polizeibekannt.

Fühlte sich von Geheimdiensten verfolgt

Im vergangenen November hatte sich der mutmaßliche Täter an die Staatsanwaltschaft gewandt, er habe eine Anzeige gegen eine unbekannte geheimdienstliche Organisation gestellt, von der er sich überwacht fühlte, weil diese "sich in die Gehirne der Menschen einklinkt und dort bestimmte Dinge abgreift, um dann das Weltgeschehen zu steuern". Das das Generalstaatsanwalt Frank an diesem Freitag bestätigt. Als rechtsextrem sei der mutmaßliche Täter damals nicht aufgefallen.

Tobias R. hinterließ ein Bekennerschreiben und ein Video, in dem er wirre Ansichten von rechtsradikaler Natur äußert. Auch laut dem Video fühlte der 43-Jährige sich verfolgt und beobachtet. Er sprach auch davon, dass der Geheimdienst seine Gedanken lesen könne.

Wenige Tage vor der Tat soll Tobias R. ein YouTube-Video veröffentlicht haben, in dem er in fließendem Englisch von einer "persönlichen Botschaft an alle Amerikaner" spricht. Das Video war bis Donnerstagmorgen im Internet zu sehen. Es wurde offensichtlich in einer Privatwohnung aufgenommen und war bereits seit einigen Tagen im Netz.

In dem YouTube-Video sagt Tobias R., in den USA würden "unterirdische Militäreinrichtungen" existierten, in denen Kinder misshandelt und getötet würden. Amerikanische Staatsbürger sollten aufwachen und gegen diese Zustände kämpfen. Einen Hinweis auf eine geplante Gewalttat in Deutschland enthielt das Video nicht.

Tobias R. wohl zuletzt arbeitslos

Zu den Bluttaten war Tobias R. im schwarzen BMW unterwegs. Er lebte nicht weit von einem seiner Anschlagsziele entfernt im Reihenhaus seiner Eltern in Hanau-Kesselstadt. Der Ortsteil gilt als "sozialer Brennpunkt".

Der mutmaßlicheTäter war Sportschütze in einem Verein in Frankfurt und besaß legal zwei Waffen. Andere Mitglieder des Schützenvereins erklärten, Tobias R. sei nicht durch fremdenfeindliche Sprüche aufgefallen.

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Er hatte eine Banklehre und ein BWL-Studium absolviert. Danach habe Tobias R., der in Hanau geboren und aufgewachsen ist, in München gelebt und gearbeitet. Auch dort war er Mitglied in einem Schützenverein.

Nachdem der 43-Jährige in München zur Untermiete gewohnt habe, sei er laut Medienberichten zuletzt arbeitslos gewesen und habe wieder bei seinen Eltern in Hanau gelebt.

Schon am frühen Donnerstagmorgen sagte Hessens Innenminister zum Tatmotiv, es könne "ein fremdenfeindliches Motiv durchaus geben".

Täter leblos im Reihenhaus gefunden

Der Täter flüchtete nach der Schießerei zunächst. Nach Zeugenaussagen erhielt die Polizei Hinweise auf ein flüchtendes Fahrzeug, das im Rahmen der Großfahndung im Ortsteil Kesselstadt ermittelt werden konnte. Die Suche nach dem Täter endete erst nach Stunden: Am frühen Donnerstagmorgen hat die Polizei Tobias R. leblos an seiner Wohnanschrift in Hanau aufgefunden.

Zudem entdeckten Spezialkräfte der Polizei dort eine weitere Leiche, es handelt sich um die 72-jährige Mutter des mutmaßlichen Todesschützen. Der gleichaltrige Vater sollte vernommen werden.

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In dem Fahrzeug von Tobias R. - offenbar einem schwarzen BMW - fand die Polizei Schusswaffen.

Offenbar hatte Tobias R. zumindest einen der Tatorte vorher aufgesucht.. Ein Video einer Überwachungskamera zeigt einen wie der Täter gekleideten Mann vor den Anschlägen.

Nach den ersten Schüssen in der Hanauer Innenstadt fuhr der Täter mit einem dunklen BMW in den rund zwei Kilometer entfernten Stadtteil Kesselstadt in die Karlsbader Straße und drang dort in eine weitere Shisha-Bar, die „Arena Bar & Café“ ein. Amateuraufnahmen aus dem Internet zeigen Szenen vor der Shisha-Bar.

Beamte mit Maschinenpistolen sicherten die Tatorte und Umgebungen ab. Später in der Nacht kreiste ein Polizeihubschrauber über Hanau. Die Polizei war auch im Hanauer Stadtteil Lamboy mit einem Großaufgebot vor Ort, eine Schießerei hat es dort aber - wie sich später herausstellte - nicht gegeben.

Die Hanauer Bundestagsabgeordnete Katja Leikert (CDU) sagte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sie sei erschüttert darüber, was passiert ist. Regierungssprecher Steffen Seibert twitterte, die Gedanken seien bei den Menschen in Hanau, in deren Mitte ein entsetzliches Verbrechen begangen wurde.

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