Coronakrise: Hilfe für den Mittelstand muss europaweit schnell und einfach erfolgen

Coronakrise: Hilfe für den Mittelstand muss europaweit schnell und einfach erfolgen
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Von Hans von der BrelieAsim Bešlija, Gábor Kiss, Damian Vodénitcharov, Sabine Sans
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Unreported Europe berichtet über die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise in Bosnien Herzegowina, Ungarn und Bulgarien.

Die Coronakrise wird zur Belastungsprobe für Europa. Die Pandemie trifft alle EU-Mitgliedstaaten schwer, die Wirtschaft ist am Boden. Was sind die Folgen für kleine und mittlere Unternehmen, auch in den Nachbarländern? Euronews-Reporter recherchieren für Unreported Europe in Bulgarien, Ungarn und Bosnien-Herzegowina.

Das Coronavirus hat auch vor euronews nicht Halt gemacht. Reisebeschränkungen und Grenzschließungen machen die Arbeit schwieriger. Doch keine Sorge: Unsere Reporter sind auch weiterhin vor Ort - überall in Europa.

"Die Epidemie ist eine Katastrophe für kleine und mittlere Unternehmen in ganz Europa, insbesondere im Süden und Osten, auch in den Nachbarländern der EU", meint euronews-Reporter Hans von der Brelie in der Lyoner Sendezentrale. "In dieser Folge von Unreported Europe berichten wir aus Ungarn und Bulgarien. Doch zunächst übergebe ich an meinen Kollegen Asim Bešlija in Bosnien-Herzegowina."

Die Lage in Bosnien-Herzegowina

Lopare, eine kleine Stadt im Nordosten des südosteuropäischen Landes. Die Straßenverbindungen des Ortes im Landesteil Republika Srpska mit dem Rest von Bosnien-Herzegowina sind nicht die allerbesten. Die geografische Lage macht es exportorientierten Unternehmen schwer, ihre Logistik zu organisieren. Etwa 5000 Menschen aus Lopare sind bereits weggezogen in die Großstädte oder nach Westeuropa abgewandert, um dort zu arbeiten. Bei einem wirtschaftlichen Niedergang der Stadt aufgrund der Coronakrise besteht die Befürchtung, dass weitere Arbeitnehmer das Gleiche tun könnten. Dann wird der Ort zur Geisterstadt.

Lopare hat noch rund 10.000 Einwohner, etwa 1.300 sind in kleinen und mittleren Industriebetrieben beschäftigt. In der gegenwärtigen Krise läuft fast die Hälfte von ihnen Gefahr, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Etwa zehn Unternehmen beschäftigen einen Großteil der Arbeitnehmer. Die meisten Firmen sind exportorientiert und produzieren hauptsächlich für EU-Länder wie Frankreich, Österreich, Schweiz, Deutschland und die Niederlande. In Lopare werden unter anderem Yachten, Textilien, Heizkörper und Heizsysteme hergestellt.

Hilferuf an die Regierung

Der Bürgermeister hat eine Krisensitzung einberufen: Das Coronavirus bedroht den Mittelstand, Industriebetriebe stellen die Produktion ein. Die Stadträte schicken einen Hilferuf an die Regierung: Der Staat solle Kurzarbeitergeld zahlen. Notfalls müsse ein Sonderhaushalt verabschiedet werden:

"Der Staat muss eingreifen und einen Hilfsfonds für Unternehmer einrichten, damit die ihre Arbeiter behalten können", fordert Bürgermeister Rado Savi´´c. "Der Staat sollte die Unternehmer von Sozialversicherungsbeiträgen befreien, für die Dauer der Krise."

Die Gemeinde selbst verfügt über ein sehr bescheidenes Budget. Sie kann der örtlichen Wirtschaft nicht direkt helfen: Es gibt kein Budget für Finanzspritzen. Aber wenn staatliche Behörden keine Unterstützung leisten, ist die Gemeinde bereit, etwas zur Rettung von Arbeitsplätzen zu tun, wie z.B. einen Bankkredit aufzunehmen oder den lokalen Haushalt bis zu einem gewissen Grad umzustrukturieren, sagt der Bürgermeister von Lopare gegenüber Euronews.

90 Prozent der Wirtschaft in Lopare ist exportorientiert und hängt von Komponenten und Rohstoffen ab, die importiert werden. Viele Endprodukte sind für den EU-Markt bestimmt.

Die Menschen machen sich Sorgen, manche verlieren ihre Arbeit

Zvjezdan Maksimovic und seine Frau machen sich Sorgen, ob sie den Bankkredit für ihre bescheidene Wohnung in Lopare weiterhin werden bedienen können. Eigentlich arbeitet Maksimovic in einer Heizkörperfabrik Doch jetzt ist er arbeitslos.

Der 34-Jährige arbeitete in den vergangenen zwei Jahren in der Termal-Fabrik, seit der Wiedereröffnung der Fabrik. Als Arbeiter war Maksimovic am Bau großer Heizsysteme beteiligt. Doch aufgrund der Coronakrise wurde er entlassen. Im vergangenen Jahr kaufte er eine Wohnung in Lopare, wo er zusammen mit seiner Frau lebt. Ihr Bankdarlehen läuft über 15 Jahre. Er sagt, es sei jetzt unmöglich, eine Arbeit zu finden, nicht einmal einen Gelegenheitsjob. Sein Gehalt war seine einzige Einkommensquelle. Wenn die Krise anhält, überlegt er, Arbeit in der Landwirtschaft zu suchen, als Tagelöhner.

Das Corona-Virus hat den Betrieb zum Erliegen gebracht. Maksimovic und 66 Fabrikarbeiter von Termal stehen nun auf der Straße:

"Wir müssen uns beim Arbeitsamt melden. Ich weiß nicht, ob wir sofort Geld bekommen, das muss alles erst offiziell geregelt werden", erzählt Zvjezdan Maksimovic. "Glücklicherweise arbeitet meine Frau und bekommt ihr Gehalt. Noch haben wir Geld für das Nötigste."

Die Landesregierung der Republika Srpska will entlassenen Arbeitern mit monatlich bis zu 200 Euro helfen, je nach Gehaltsstufe. Das wäre eine konkrete, äußerst willkommene Stütze für viele Menschen hier. Allerdings fehlt es auch in den Kassen der regionalen Gebietskörperschaften an Geld. Deshalb ist derzeit nicht absehbar, ob es sich hierbei um eine folgenlose Ankündigung oder um einen konkreten Plan handelt, der zeitnah umgesetzt werden soll.

Die Europäische Union macht sich Sorgen um die Stabilität in der Region, seit Jahren schon. Nach wie vor existieren immense politische Spannungen. Wenn sich nun, als Folge der Corona-Krise, auch noch die wirtschaftlichen Verhältnisse radikal verschlechtern, dann steht die Region erneut vor einer echten Zereißprobe. Wohl auch deshalb hat die EU nun im Rekordtempo ein 400-Millionen-Euro-Hilfspaket (!) für die Westbalkanstaaten geschnürt, davon gehen 80 Millionen nach Bosnien-Herzegowina.

Hilfsmaßnahmen greifen noch nicht

Aber im Moment gibt es keinen funktionalen Plan, bei dem irgendeine Behördenebene mit der Umsetzung konkreter Maßnahmen begonnen hat, beobachtet unser in Sarajewo lebender Kollege Asim, wie z.B. in Deutschland, wo der Staat sofort damit begann, an kleine oder große Unternehmen zu zahlen. "Bosnien ist ein kompliziertes Land mit vielen Verwaltungsebenen und jede von ihnen hat etwas versprochen und noch nichts getan", meint der bosnische Euronews-Reporter.

Im Norden von Bosnien-Herzegowina haben die Behörden der "Republika Srpska" zugesagt, dass sie einen Fonds von umgerechnet rund 250 Millionen Euro bereitstellen werden. Aber sie haben dieses Geld noch nicht. Außerdem wurde jedem Arbeiter, der seinen Arbeitsplatz verloren hat, zwischen 150 und 200 Euro pro Monat versprochen - als reguläre Leistungen des Arbeitsamtes, je nachdem, wie hoch sein Gehalt war.

In der anderen Hälfte von Bosnien-Herzegowina versprachen die Behörden, den Haushalt umzustrukturieren und sofort umgerechnet circa 125 Millionen Euro zur Unterstützung der Wirtschaft freizugeben. Aber auch hier gilt: viele Bürger sind misstrauisch und wollen der an und für sich guten Nachricht erst dann Glauben schenken, wenn sie das Geld tatsächlich auf dem Konto haben.

Auf staatlicher Ebene muss noch über die Behandlung der Mehrwertsteuerzahlung entschieden werden, ob sie auf das Monatsende verschoben werden soll oder nicht. Es gibt also praktisch noch keine Maßnahme, die tatsächlich Geld auf die Konten der Menschen gespült hat. Die konkreteste Maßnahme besteht darin, dass die Bedienung von Bankkrediten um mindestens drei Monate verzögert wird, für Einzelpersonen und Unternehmen, für diejenigen, die entweder im Moment nicht arbeiten, ihre Arbeit verloren haben oder für Unternehmen, die ihre Produktion drosseln oder ganz einstellen mussten.

Auf der anderen Seite hat die EU mehr als 80 Millionen Euro für Bosnien als Teil des gesamten westbalkanischen C19-Nothilfepakets im Wert von 410 Millionen Euro zugesagt. Dieses Geld wird durch verschiedene internationale Organisationen wie das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen umgesetzt und deckt den Gesundheits- und sozioökonomischen Sektor ab: etwa 7 Millionen für C19-Gesundheitsfragen und etwa 73 Millionen für sozioökonomische C19-Unterstützungsprogramme.

Interview mit einem betroffenen Fabrikdirektor

Der Termal-Fabrikdirektor spricht fließend Deutsch. Täglich bekommt er besorgte Anrufe seiner Kunden aus der EU. Vor dem Krieg war Termal der größte und bekannteste Hersteller von Heizkörpern und Heizsystemen in ganz Jugoslawien. Videokonferenz mit der Euronews-Sendezentrale in Lyon.

Euronews-Reporter Hans von der Brelie:

"Herr Hamzic, können Sie nachts überhaupt noch ruhig schlafen?"

Mahir Hamzić, Termal-Fabrikdirektor:

"Heute Morgen als ich aufgewacht bin, dachte ich: Ist das Wirklichkeit oder nur ein Traum? Es dauerte ein, zwei Minuten, bis ich wieder in der Realität war. Also es ist ganz schlimm."

Euronews:

"Was ist denn ganz konkret das Problem?"

Mahir Hamzić:

"Die meisten Zusatzteile, die wir benötigen, bekommen wir aus Italien, das ist eigentlich das grösste Problem, warum unsere Produktion stockt."

Euronews:

"Haben Sie Angst, dass die Firma pleitegehen könnte?"

Mahir Hamzić:
"Nein, das auf keinen Fall. Wir sind Leute, die vor 20 Jahren aus dem Krieg gekommen sind, wir wissen schon, wie man Dampf gibt."

Euronews:

"Welche Hilfe erwarten Sie?"

Mahir Hamzić:

"Da geht es eigentlich nur um das Geld: Wir brauchen Förderungen vom Staat, von der Europäischen Union, von der Regierung."

Hilfsmaßnahmen der Länder bzw. der EU

Die meisten EU-Länder haben inzwischen irgendeine Form von Maßnahmen ergriffen, um Unternehmen vor den Auswirkungen der Coronavirus-Krise zu schützen. Die am weitesten verbreitete Maßnahme ist die Stundung oder Reduzierung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Mindestens 23 Mitgliedstaaten haben irgendeine Form von Steuerstundung eingeführt oder frühere Rückzahlungen von Steuerrückzahlungen vereinbart. Die genaue Anwendung dieser Maßnahmen ist unterschiedlich. Die meisten Mitgliedstaaten bieten die Steuerstundungen für alle Unternehmen an, obwohl einige Regelungen speziell auf KMU, Selbständige oder Unternehmen abzielen, die alle ihre Mitarbeiter behalten.

Eine weitere weit verbreitete Maßnahme sind finanzielle Garantien. Bis zum 24. März haben mindestens 22 Mitgliedstaaten entweder neue Garantiesysteme eingeführt oder angekündigt, um Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten weiterhin Zugang zu Finanzmitteln zu ermöglichen. Einige dieser Maßnahmen zielen speziell auf KMU ab (z.B. Dänemark, Österreich), während andere von jedem von der Krise betroffenen Unternehmen genutzt werden können.

Auch Direktkredite sind üblich, wobei mindestens 15 Länder neue Kreditprogramme einrichten oder mit Banken zusammenarbeiten, um neue Kredite zu erleichtern. Die meisten zielen darauf ab, den Cashflow der KMU zu sichern. Die Reaktionen der kleinen und mittleren Unternehmen zeigen jedoch, dass rückzahlbare Kredite vor allem für die kleinsten Unternehmen eine schwierige Wahl sein können, da sie derzeit ihre Einnahmen für den Rest des Jahres nicht vorhersagen können. Eine nützliche zusätzliche Maßnahme ist daher der Aufschub der Rückzahlung von Darlehen, die mindestens 11 EU-Länder angekündigt haben, wobei sich einige von ihnen auf den Aufschub der Rückzahlung bestehender Darlehen konzentrieren und andere neue Darlehen mit großzügigen Rückzahlungsbedingungen vergeben.

Direkte Zuschüsse/Zuschüsse für Kleinstunternehmen und Selbständige werden von mindestens 10 EU-Mitgliedstaaten angeboten. Häufig hängt die Summe von der Größe (Anzahl der Beschäftigten) ab. Sie decken in der Regel den Zeitraum der nächsten ein bis drei Monate ab. Die Situation der Gig-Arbeiter (Gelegenheitsjobs wie Fahrer bei Uber) ist in vielen Ländern noch ein offenes Thema.

Lohnsubventionen, insbesondere zur Subventionierung der Löhne von Beschäftigten mit Kurzarbeit, gibt es in den meisten Mitgliedstaaten ebenfalls. Mindestens 20 Länder haben sie bisher angewandt. Eine der derzeit beliebtesten Maßnahmen, die vom Mittelstand in Anspruch genommen wird. In den meisten Ländern, in denen diese Möglichkeit besteht, haben die Unternehmen sie bereits genutzt.

Aus der Sicht der KMU sind all diese Maßnahmen zu begrüßen, aber es ist wichtig, dass sie durch ein einfaches Verwaltungsverfahren zugänglich sind. Das bayerische Soforthilfeprogramm in Höhe von 5000 bis 30.000 Euro für betroffene Unternehmen wurde von den KMUs dafür gelobt, dass sie das Geld zunächst auszahlen und später die Förderfähigkeit prüfen. Wenn Darlehen, Zuschüsse und Bürgschaften aufwendige Anträge erfordern, könnte dies vor allem die kleinsten Unternehmen abschrecken, die am stärksten betroffen sind.

Einige Länder haben auch weitere Verwaltungslasten reduziert, wie z.B. die Aussetzung von Vertragsstrafen bei öffentlichen Aufträgen. Dies ist sicherlich eine willkommene Nachricht für KMU, die nicht in der Lage sind, die vertraglichen Spezifikationen rechtzeitig zu liefern, aber es geht nicht speziell auf Fragen des Cashflows und der Liquidität ein.

Die Lage in Ungarn

Nächste Station Ungarn. Stürmische Zeiten für das Auto-Land, in den großen Auto-Fabriken von Audi, Opel, Daimler-Benz und Suzuki stehen alle Räder still. Autos machen ein Drittel der ungarischen Industrieproduktion aus, sowie ein Fünftel der ungarischen Exporte, der Anteil am ungarischen Bruttosozialprodukt beträgt vier Prozent.

Euronews-Reporter Gábor Kiss ist vor Ort in Kecskemét. Die Mercedes-Fabrik steht still, die 4000 Arbeiter bekommen Lohnfortzahlungen:

"Wegen der Coronavirus-Epidemie hat der Daimlerkonzern seine Produktion fast überall in Europa eingestellt", sagt euronews-Reporter Gábor Kiss. "Jetzt kommen die tariflich ausgehandelten Gleitzeitregeln zur Anwendung und viele Arbeiter wurden angewiesen, in bezahlten Urlaub zu gehen."

Autohersteller sind in hohem Maße auf Zeitarbeitskräfte angewiesen. Was ist mit ihnen? Aushilfskräfte haben weniger Rechte als Festangestellte. Das rächt sich nun: Suzuki Ungarn feuerte kurzerhand alle Zeitarbeitnehmer. Kurze Ansage am Freitag, gefilmt von einem Arbeiter mit seinem Smartphone: Ab Montag brauchen wir Euch nicht mehr.

"Der (Suzuki-) Konzern wird Eure Dienste nicht länger in Anspruch nehmen, das gilt ab 23. März und für die gesamte Dauer der Produktionseinstellung", so eine Sprecherin zu den besorgten Zeitarbeitnehmern vor dem Fabriktor.

Zeitarbeiter schauen in die Röhre

Der euronews-Reporter trifft die Personalchefin der Zeitarbeitsfirma. Einige der sogenannten Aushilfskräfte arbeiten seit Jahren für Suzuki. Nun wurden alle 600 Zeitarbeitnehmer gefeuert. Und was ist mit Kurzarbeitergeld?

"Das ist Teil der Verhandlungen (die wir mit Suzuki führen). Natürlich werden wir jedem das zahlen, was ihm laut ungarischer Rechtslage zusteht", versichert Nagy Mihályné, Personalchefin der Arbeitskräfteverleihfirma Livita-Dorta KFT.

Einige Tage später können wir Verbindung aufnehmen mit der Konzernsprecherin von Suzuki Ungarn. Auch sie arbeitet nun - bedingt durch die Corona-Epidemie - von zu Hause aus.

Euronews-Reporter Hans von der Brelie fragt aus der euronews-Zentrale in Lyon per Skype: "Sie haben von einem Tag auf den anderen 600 Zeitarbeitnehmer gefeuert. Bekommen diese Menschen Lohnfortzahlungen?"

Die Sprecherin von Suzuki Ungarn, Zsuzsanna Bonnar-Csonka, antwortet: "Die bei uns fest angestellten Arbeiter bekommen weiterhin ihr Gehalt. Die angemieteten Arbeitskräfte haben keinen (Fest-)vertrag mit unserem Konzern. Suzuki Ungarn zahlt ihnen nichts."

Allerdings möchte Suzuki nach Ende der Krise gerne wieder auf die teilweise sehr erfahrenen Zeitarbeitnehmer zugreifen können, weshalb mit der Verleihfirma ´über Boni-Zahlungen zum Zeitpunkt des Wiedereinstiegs geredet wird.

Auch viele kleine Zulieferbetriebe sind abhängig von Suzuki, so wie der Schraubenhersteller Szatyina. In Ungarn arbeiten etwa 170.000 Menschen in der Zulieferindustrie für die großen Autofirmen.

Hilferuf des Szatyina-Direktors Attila Szatyina, nun solle die Regierung den Mittelstand retten:

„Ich denke, dass kleine und mittlere Betriebe hier bei uns in Ungarn höchstens noch einen Monat überleben können. Ohne Hilfe wird sich ein normaler Betrieb nicht länger als einen Monat weiter finanzieren können."

Schwarze Aussichten für die Automobilwirtschaft weltweit

Die Coronakrise trifft die Automobilbranche an ihrer verwundbarsten Stelle, der Lieferkette: Ein Auto aus deutscher Produktion wird beispielsweise aus rund 10.000 Einzelteilen aus der ganzen Welt zusammengebaut. Die Produktion erfolgt "just-in-time", d.h. viele Teile erreichen das Werk erst kurz bevor sie gebraucht werden, um die Lagerkosten niedrig zu halten.

Laut Expertenschätzungen könnte der weltweite Absatz von Automobilen aufgrund der Coronakrise 2020 zwischen 15 (Standard & Poor's) und 25 (AlixPartners) Prozent zurückgehen. Die Experten von AlixPartners gehen von drei möglichen Szenarien aus: Erstens könnte es eine "schnelle Erholung" nach einem weltweiten Absatz-Einbruch 2020 von 8 bis 12 Prozent geben. Das zweite Szenario geht von einem weltweiten Rückgang von 14 bis 18 Prozent aus und das dritte und schlimmste Szenario geht von einer "globalen Rezession" aus, einem Rückgang von 20 bis 25 Prozent in diesem Jahr, der anhalten wird.

In Europa stehen viele Produktionen seit Mitte März still. Um schwere Folge zu vermeiden, müssen alle nicht überlebenswichtigen Ausgaben der Unternehmen gesenkt werden.

Die Lage in Bulgarien

Welchen Schaden richtet Covid-19 in Bulgarien an, dem ärmsten Mitgliedsland der Europäischen Union?

Alle Arbeitgeber in Bulgarien sind, je nach den Besonderheiten und Möglichkeiten des jeweiligen Unternehmens, verpflichtet, Telearbeit für ihre Mitarbeiter einzuführen. Wo das nicht möglich ist, müssen die Arbeitgeber die Anti-Epidemie-Maßnahmen am Arbeitsplatz verschärfen: Desinfektion, Coaching für die persönliche Hygiene des Personals, Aushändigung von Masken, wo nötig. Hinzu kommt: Schließung aller Restaurants, Einkaufszentren, Bars, Schulen, Kindergärten, Kindertagesstätten sowie ein Verbot für alle Arten von Massenveranstaltungen, einschließlich Sport-, Kultur-, Unterhaltungs- und Wissenschaftsveranstaltungen. Kinos, Theater, Museen, Sporthallen sind geschlossen.

Euronws-Reporter Damian Vodénitcharov hat sich in Sofia umgesehen. Wie ist es um die Werbe-Industrie bestellt? Boyan Banov ist einer von zehn Angestellten eines kleinen Marketing-Unternehmens. Üblicherweise plakatiert er Werbung für angeblich tolle Autos und billige Bankkredite. Das ist nun vorbei, er meint: "Klar, ich mache mir Sorgen. Unmöglich, sich keine Sorgen zu machen. Hoffentlich wird es bald besser." Auf die Frage, ob es jetzt weniger Arbeit gibt, sagt er: "Ja. Seit einigen Wochen befinden wir uns in freiem Fall."

Werbewirtschaft zieht die Notbremse

Die Werbewirtschaft hat die Notbremse gezogen. Fast alle Kampagnen wurden eingestellt: Werbestopp bis September erzählt Maya Solakova. Von ihrem Home-Office aus versucht die Managerin mit der Stadtverwaltung Sonderkonditionen für das Anmieten von Werbeflächen auszuhandeln, Kosten zu drücken.

Noch will das Unternehmen alle Angestellten behalten, doch anderswo in Bulgarien rollt bereits die Entlassungswelle.

Auch hier hakt euronews-Reporter Hans von der Brelie aus Lyon per Skype nach: "Viele Arbeiter haben nun keine Arbeit mehr. Was macht die bulgarische Regierung?"

Maya Solakova, Managerin bei Outdoor Network sagt: "Es wurde ein Kurzarbeiter-Gesetz verabschiedet, in dem die Regierung zusagt, bis zu 60 Prozent des Gehaltes zu übernehmen, die privaten Arbeitgeber zahlen die restlichen 40 Prozent. Allerdings ist noch unklar, welche Unternehmen und Branchen diese Hilfe in Anspruch nehmen können."

Lichtblick in all dem Chaos: zumindest haben jetzt Eltern etwas mehr von ihren Kindern, so wie Maya in Bulgarien.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen gleichermaßen: Regierungen und Europäische Union müssen helfen, um die schwierigen Zeiten einigermaßen glimpflich überstehen zu können.

Maßnahmen in Bulgarien

Vertragsstrafen bei Zahlungsverzug werden vorübergehend abgeschafft.

Es gibt eine 500 Millionen Euro hohe Liquiditätshilfe nach der Kapitalerhöhung der Bulgarischen Entwicklungsbank, die den Geschäftsbanken Portfolio-Garantien gewährt, um den Zugang von KMU zu Finanzierungen aufrechtzuerhalten.

Darüber hinaus kündigte die Bulgarische Nationalbank Mitte März ein Maßnahmenpaket von 4,76 Milliarden Euro an, dass die Widerstandsfähigkeit des Bankensystems in Bulgarien erhalten soll.

Um die Belastung für kleine und mittlere Unternehmen zu verringern, wird zudem der Termin für die Jahresabschlüsse vom Frühjahr auf den Sommer verschoben. Und die Frist für die jährlichen Steuererklärungen und Steuerzahlungen kann von Ende April auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

Das Wiener Wirtschaftsinstitut senkte die BIP-Prognose Bulgariens auf 1,4 Prozent gegenüber der bisherigen Prognose von 2,8 Prozent. Nach Angaben des bulgarischen Finanzministers wird der Rückgang der Haushaltseinnahmen auf etwa 2,5 Prozent des BIP geschätzt, aber diese Zahl dürfte sich noch verschlechtern.

Die Wirtschaftsanalysten der Raiffeisen Bank International haben die Aussichten für das BIP-Wachstum im Jahr 2020 für Bulgarien stark nach unten revidiert und prognostizieren für das laufende Jahr einen Wirtschaftsabschwung von 3,9 Prozent.

Die bulgarischen Unternehmen drängen auf die Schaffung eines Krisenstabs, um den Schaden für die Wirtschaft zu überwinden.

Beispiele für Maßnahmen, die (bisher) nur von ausgewählten EU-Ländern ergriffen wurden

Die Einrichtung einer Stiftung zur direkten Kapitalbeteiligung der öffentlichen Hand an betroffenen Unternehmen. Varianten dieser Maßnahme wurden in Deutschland und Spanien mit dem Ziel beschlossen, sicherzustellen, dass Unternehmen von strategischer Bedeutung für die Gesamtwirtschaft nicht Gegenstand feindlicher Übernahmen durch ausländische Firmen werden, (angesichts der gesunkenen Börsenwerte ein echtes Risiko).

Lockerung der Nebeneinkommensgrenzen für diejenigen Beschäftigten, die von Lohnsubventionsprogrammen profitieren. Diese Maßnahme wurde in Deutschland beschlossen, um denjenigen Arbeitnehmern, die in ihrem normalen Beruf zu kürzeren Arbeitszeiten gezwungen sind, einen größeren Anreiz zu geben, eine Arbeit in einem Beruf aufzunehmen, in dem ihre Fähigkeiten während der Krise besonders benötigt werden (z.B. im Gesundheitssektor).

Die Bereitstellung zusätzlicher Einkommensunterstützung für medizinisches Personal. Diese Maßnahme wurde in Bulgarien mit umgerechnet 10 Millionen Euro aus dem operationellen Programm "Entwicklung der Humanressourcen" angenommen. Sie dient dazu, allen medizinischen Mitarbeitern, die mit Coronaviren in Kontakt kommen könnten, eine monatliche Prämie von umgerechnet 500 Euro zu gewähren.

Unterstützung bei der Neuverhandlung der Kreditbedingungen. Diese Maßnahme wurde in Frankreich beschlossen, um eine Kreditvermittlung einzurichten, um KMUs zu helfen, die Kreditbedingungen neu verhandeln wollen.

Zusätzliche Informationen der Europäischen Kommission (Stand: Anfang April)

Die Europäische Kommission schlägt die neue Kurzarbeitsregelung SURE vor, um den am stärksten betroffenen EU-Ländern wie Italien und Spanien zu helfen. Das könnte während der Krise Millionen von Arbeitsplätzen retten. Und sie soll helfen, Europas Wirtschaftsmotor schnell wieder in Gang zu bringen.

Journalist • Hans von der Brelie

Cutter • William Vadon

Weitere Quellen • Produktion: Céline Guillermin, Schnitt: William Vadon; Kamera: Elmir Mulić (Bosnien Herzegowina), János Hajdu (Ungarn), Damian Vodénitcharov (Bulgarien)

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