Maradona-Kult in Neapel: "Er wird weiterleben"

Ein überlebensgroßes Abbbilddes argentinischen Volkshelden Diego Maradona im italienischen Nationaltrikot - diesen Affront auf einer Hauswand darf sich wohl nur Neapel erlauben.
Die süditalienische Hafenstadt ist für den Ex-Weltmeister an einem kritischen Punkt seiner Karriere zu einer zweiten Heimat geworden. Und er zahlte die gottgleiche Verehrung der Fans zurück. Maradona führte die SSC Neapel 1987 zur ersten nationalen Meisterschaft in Italien und machte sich damit für die Tifosi in der Stadt unsterblich.
Gekrönt wurde seine erfolgreichste Zeit auf Vereinsebene vom Gewinn des UEFA-Pokals 1989.
Maradonas Trikot mit der Nummer zehn wird seitdem nicht mehr vergeben. Daran konnte auch sein sportlicher Niedergang nichts ändern.
Maradona versank durch Kontakte zur Unterwelt mehr und mehr im neapolitanischen Drogensumpf. Das ließ sein Leistungsniveau teilweise ins Bodenlose abrutschen.
Doch selbst eine 15-monatige Sperre konnte die bis heute anhaltende Zuneigung der Tifosi nicht schmälern.
"Wie ein Vater für mich"
Ein Neapolitaner sagte im Zentrum der Stadt, wo eine Art Open-Air-Gedenkstätte entstanden ist: "Ich bin hierhergekommen, weil mein Vater gestorben ist. Maradona war wie ein Vater für mich."
Unter den Trauernden war auch eine junge Frau: "Ich bin Argentinierin. In diesem schrecklichen Moment erfahre ich hier auch etwas Gutes, Schönes. Man kann die Liebe der Neapolitaner zu diesem Argentinier spüren, die enge Verbindung mit der Heimat. Ich glaube, der Schmerz schweißt uns noch mehr zusammen. Obwohl er tot ist, wird er weiterleben."
Ein Mann meinte überschwänglich: "Ich leiste meinen Tribut an einen Gott. Maradona kommt gleich hinter San Gennaro (Märtyrer und Bischof von Neapel; die Redaktion) Er hat uns so viel gegeben, stolz gemacht und wir sind weltweit bewundert worden."
Ganz Neapel im Schockzustand
Euronews-Korrespondent Luca Calamara kommentierte vor Ort: "Die ganze Stadt Neapel steht nach dem plötzlichen Tod unter Schock. Viele sind hier im historischen Zentrum an dieser tempelartigen Gedenkstätte zusammengekommen. Die gibt es schon seit Jahren und sie war nicht für den Todesfall gedacht, sondern um die große Liebe der Stadt zu ihrem Idol aufzuzeigen."
Auch das leere, aber flutlichterfüllte Stadio San Paolo der SSC Neapel wurde zum Anlaufpunkt für Trauernde. Umgeben von fast andächtiger Stille versammelten sich Maradona-Fans aller Altersgruppen.
Nur einzelne Tifosi ließen ihren Gefühlen mit "Diego, Diego"-Rufen freien Lauf. Die Menschen spüren: Mit dem Verlust von Diego Maradona hat Neapel auch einen Teil seiner Identität verloren.