Frauenrechtlerin: Wegfall von Berufsverboten für Frauen hat pragmatische Gründe

Erst seit wenigen Wochen erlaubt: Frauen, die U-Bahn fahren
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Von euronews
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Seit Jahresanfang dürfen Frauen in Russland mehr Berufe ausüben als zuvor. Dahinter steckt nicht unbedingt der Wille zu mehr Gleichberechtigung.

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Irina Dolgikh arbeitet seit 20 Jahren für die Moskauer U-Bahn, einen Zug lenken durfte sie bisher nicht, denn Metro-Fahrerin war einer von 456 Berufen, die für Frauen in Russland fast 50 Jahre lang verboten waren, weil sie als zu gefährlich galten. 

Im vergangenen Sommer wurde das Gesetz geändert, seit dem 1. Januar ist es in Kraft und damit darf sich Doligkh auch hinters Steuer setzen. Für sie wird ein Kindheitstraum wahr: "Als Kind habe ich es geliebt, mit Spielzeugflugzeugen, Zügen und Autos und mit Jungs zu spielen."

"Fräulein, haben Sie sich vielleicht in der Tür geirrt?"

Auch Katerina Muradova ist eine der Pionierinnen. Doch nur weil sie jetzt offiziell hinter das Steuer eines LKW darf, heißt es nicht, dass es keine Vorurteile mehr gibt, erzählt sie. Fehler würden ihr weniger verziehen als ihren männlichen Kollegen und oft werde sie nicht ernst genommen. "Ich wurde zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, nur, weil sie wissen wollten, ob es wirklich stimmt, dass ich einen LKW fahren will", so die junge Frau. "Viele haben es für einen Scherz gehalten und mich gefragt, 'Fräulein, haben Sie sich vielleicht in der Tür geirrt? Wissen Sie, dass es um schwere Fahrzeuge geht?' und haben sich geweigert, mich einzustellen."

Frauenrechtlerinnen fühlen sich an die Kriegszeit erinnert, als Frauen aus reiner Notwendigkeit in typische Männerberufe in Fabriken gelassen wurden. Auch heute stecke hinter der Öffnung nicht unbedingt der Wille zu mehr Gleichberechtigung, sagt Alyona Popova, Anwältin für Frauenrecht: "Das Land hat wegen der Corona-Pandemie einen wirtschaftlichen Kollaps erlitten und es ist einfacher, Frauen arbeiten zu schicken, als ihnen Sozialleistungen zu zahlen."

100 Berufe bleiben verboten

Durch das neue Gesetz wurden aber nicht alle Berufsverbote für Frauen aufgehoben: 100 Tätigkeiten, zum Beispiel in der chemischen Produktion oder im Bergbau, sind für sie weiter Tabu.

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