Rettet mich vor der Bürokratie!

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Von Euronews
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euronews-Reporter Seamus Kearney:

“Es gehört zu den Dingen, die einem den Verstand rauben können: wenn man in das Mühlwerk der Bürokratie gerät. Ein offizielles Dokument wie diese Geburtsurkunde hier kann leicht zum riesengroßen Problem werden, denn man braucht sie, um die eigene Existenz nachzuweisen. Noch viel nervenaufreibender kann diese Prozedur im Ausland sein”.

Sophie Piel: “Es hat ewig gedauert, herauszufinden, was die österreichischen Behörden alles haben wollten.”

Seamus Kearney: “Es war ein Kampf?”

Sophie Piel: “Genau, es war ein täglicher Kampf.”

Blockiert die Bürokratie das Recht auf Freizügigkeit in Europa?

Mit einer neuen Verordnung will die Europäische Kommission dem Verwaltungsaufwand in den Mitgliedstaaten zu Leibe rücken und kostspielige und bürokratische Stempel für öffentliche Urkunden abschaffen. Davon würden viele Privatpersonen und Unternehmen profitieren. Wir schauen uns ein Beispiel in Österreich an.

Diese französische Familie kennt den Stress mit der Bürokratie. Sie lebt seit fünf Jahren in Wien. Sie mussten ihre Krankenversicherung und die Geburt von zwei ihrer drei Kinder in Österreich registrieren lassen. Aber als unverheiratetes Paar ihre Papiere in Ordnung zu bringen, war nicht so einfach.

Sophie Piel:

“Bei jedem Behördengang waren wir unsicher, ob das auch alles rechtens war, denn wir sind Ausländer. Auch wenn wir natürlich die gleichen Rechte wie die Österreicher haben. Aber wir waren verunsichert, wir sprechen die Sprache nicht gut genug, um uns richtig verständlich zu machen. Wir hatten auch den Eindruck, den Betrieb aufzuhalten, entweder, weil sich hinter uns eine Warteschlange bildete oder die Kinder so laut waren, oder weil wir nicht die Einzigen mit Anliegen waren, aber wir die Beamten länger in Anspruch genommen haben. Am Ende haben wir gesagt: ‘Wir haben sie genervt, wir waren eine echte Plage.’ Eigentlich müssen sie nicht uns, sondern den Österreichern helfen.”

Vincent Mazel:

“Es war sehr beunruhigend, denn uns wurde klar, wenn wir einen Fehler beim Ausfüllen einer Geburtsurkunde machen, begleitet dieser Fehler unser Kind ein Leben lang. Also haben wir wirklich versucht, so genau wie möglich zu verstehen, was wir in Bezug auf Dokumente alles brauchen und nachweisen müssen. Wir haben den Beamten hundertprozentig vertraut. Aber man hatte den Eindruck, dass sie auch nicht hundertprozentig von dem überzeugt waren, was sie taten. Das nährte unsere Zweifel und unsere Angst und wir fragten uns, an wen sollen wir uns wenden, wer ist für dieses Verfahren verantwortlich?”

Brüssel will kostspielige und aufwendige Stempelformalitäten, sowie den Echtheitsnachweis oder die Beglaubigung von Dokumenten abschaffen. Außerdem soll es mehrsprachige Formulare in allen EU-Amtssprachen geben. Dazu soll die administrative Zusammenarbeit zwischen den Staaten verbessert werden.

euronews-Reporter Seamus Kearney:

“Die neue europäische Verordnung gilt für Dokumente in bestimmten Bereichen, wie: Geburt, Tod, Heirat und Personenstand, Partnerschaft, Elternschaft und Adoption,
Wohnsitz, Staatsbürgerschaft, Nationalität sowie
Angaben zu Unternehmen, Rechte an geistigem Eigentum und zu Immobilien.”

Ebenfalls eingeschlossen: Der Nachweis, keine Vorstrafe zu haben.

Die Paneuropa-Union, eine der ältesten europäischen
Vereinigungsbewegungen, reagierte verhalten positiv auf die neue Verordnung.

Rainhard Kloucek, Paneuropa-Union:

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“Es kommt immer drauf an, was man exakt unter Vereinfachung versteht. Es sollte darum gehen, dass man die Dinge möglichst einfach erkennen kann, sodass ich das Dokument nicht extra übersetzen lassen muss, zum Beispiel. Das ist eine Vereinfachung. Vereinfachung kann aber nicht so gehen, dass wenn es unterschiedliche gesetzliche Normen gibt, alles automatisch anerkannt werden muss.”

Aber die EU-Verordnung zwingt die Länder nicht dazu, den Inhalt eines Dokuments anzuerkennen. Zum Beispiel muss die in einem EU-Land ausgestellte Beurkundung einer homosexuellen Ehe nicht unbedingt in einem anderen EU-Land anerkannt werden.

Sophie Piel:

“Oft verunsichern uns die Situationen, mit denen wir konfrontiert sind. Man verliert dann wirklich sein Selbstvertrauen. Wenn das passiert, weiß ich nicht, ob das, was ich verlange, auch mein Recht ist. Man hat immer im Kopf ‘vielleicht haben sie ja recht und es ist mein Fehler, ich bin eine Ausländerin, was mache ich hier überhaupt, ich habe hier nichts zu suchen.’ Man muss wirklich stark sein, um sich mit diesem System auseinanderzusetzen, mit dieser administrativen Dampfwalze.”

Die neue Verordnung muss noch vom Europäischen Parlament und vom Ministerrat gebilligt werden. Alles was mit Bildung und der Anerkennung von Diplomen und beruflichen Qualifikationen zu tun hat, wird in einem separaten Gesetz geregelt werden.

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