"Ist es nicht illusorisch zu glauben, dass man Migration stoppen kann?"

"Ist es nicht illusorisch zu glauben, dass man Migration stoppen kann?"
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Von Sophie ClaudetValérie Gauriat
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Die aktuelle Insiders-Reportage berichtet über das Schleusergeschäft im Niger.

Niger ist eines der wichtigsten Transitländer für Migranten, die nach Europa wollen. Mit Unterstützung der EU versucht das westafrikanische Land, die illegale Migration einzudämmen, obwohl es wirtschaftlich seit Langem vom Schleusergeschäft abhängig ist. Funktioniert das? Und zu welchem Preis? Euronews-Reporterin Valérie Gauriat hat vor Ort recherchiert und stellte sich danach den Fragen im euronews-Studio in Lyon.

Euronews-Reporterin Sophie Claudet:"Valérie, danke, dass Sie bei uns sind."

Euronews-Reporterin Valérie Gauriat: "Danke Ihnen."

Sophie Claudet:"Ihre Reportage zeigt, dass das Hilfspaket der EU nicht genügend Menschen erreicht und schon gar nicht alle Schlepper davon abhält, weiterhin ihr Geschäft zu verfolgen. Ist Ihrer Meinung nach, die Strategie der EU im Niger gescheitert?"

Valérie Gauriat:"Sicherlich ist die EU-Strategie gescheitert. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Zum einen sind die Mittel zur Bekämpfung der Migration auf verschiedene Projekte ausgerichtet. Eines davon ist die Reform und Stärkung der inneren Sicherheit, des Grenzschutzes und der Unterstützung Nigers bei der Bekämpfung des Schleppergeschäfts. Das sogenannte Umstellungspaket, das den Menschen helfen soll, neue Arbeit zu finden, macht nur einen kleinen Teil der Unterstützung aus. Und viele Leute haben uns berichtet, dass diese Mittel oft von Hilfsorganisationen verwaltet werden, die nicht immer über das nötige Know-how verfügen, und so gibt es viel Bürokratie und viele Verzögerungen."

Sophie Claudet:"Aber ist es nicht eine Illusion, zu glauben, dass man Migration stoppen kann? Seit jeher zogen Menschen umher und überschritten Grenzen."

Valérie Gauriat:"Ja, es ist eine Illusion und ich glaube nicht, dass jemand ernsthaft glaubt, dass es aufhören wird. Das Hauptproblem besteht darin, die Probleme an ihrem Ursprung in den Herkunftsländern anzugehen, und genau das ist es, was die EU seit geraumer Zeit anstrebt. Aber es stimmt, der größte Teil der Ausgaben zur Bekämpfung der Migration wird für die Stärkung der Sicherheit ausgegeben."

Sophie Claudet: _"Aber ist das Ihrer Meinung nach nicht ein gutes Beispiel für die Mängel der europäischen Migrationspolitik, es gibt zwar eine Gesamtstrategie in Europa, aber dann muss man den Willen der jeweiligen nationalen Regierung berücksichtigen, und viele nationalen Regierungen sind von Sicherheit und Migration besessen."
_

Valérie Gauriat:"Das stimmt. Man sieht, populistische Bewegungen in ganz Europa sind im Aufwind. Der Kampf gegen Migration und das Abschotten gegen Flüchtlinge ist eines der großen Wahlargumente für all diese populistischen Regierungen."

Sophie Claudet:"Diese 300.000 Migranten, Flüchtlinge, Rückkehrer aus Libyen, die jetzt im Niger festsitzen, belasten sie nicht die Wirtschaft des Landes?"

Valérie Gauriat:"Sie belasten die Wirtschaft, insbesondere in der Region Agadez, die stark vom Schleppergeschäft abhing."

Sophie Claudet:"Was ist mit der lokalen Bevölkerung, vor allem junge Menschen haben keine Perspektiven in einem Land, das lange vom Schleppergeschäft abhängig war. Werden einige von ihnen Ihrer Meinung nach versuchen, sich bewaffneten Gruppen anzuschließen? Es ist bekannt, dass es in Afrika südlich der Sahara viele bewaffnete Banden gibt, zum Beispiel islamistische Gruppen."

Valérie Gauriat:"Vor Ort sagen uns die Leute, dass es nicht so sehr die größte Befürchtung ist, dass Jugendliche sich terroristischen Gruppen anschließen, sondern dass sie einfach nur Kriminelle werden und sich ..."

Sophie Claudet:"Passiert das bereits?"

Valérie Gauriat:"Ja, es gibt Raubüberfälle, Drogen- und Waffenschmuggel, aber auf der anderen Seite gehen die beiden Dinge manchmal zusammen, das Schleppergeschäft ist auch eine Finanzierungsquelle für terroristische Gruppen."

Sophie Claudet:"Sie machen in Ihrer Reportage auf einen sehr wichtigen Punkt aufmerksam: Heute sterben mehr Migranten in der Wüste, als bei dem Versuch, Europa über das Mittelmeer zu erreichen. Warum ist das so?"

Valérie Gauriat:"Zum einen gibt es in der Wüste tausend Wege, wie man uns oft erzählte, da die Hauptroute gesperrt wurde, um die illegale Einwanderung einzudämmen. Jetzt nehmen die Menschen alle möglichen Routen. Und sie kennen diese Wege nicht so gut wie die Hauptroute. Dazu kommt, dass es Neueinsteiger bei den Schleppern gibt, die vielleicht weniger Skrupel haben als die sogenannten alteingesessenen Schlepper, die die Wege kannten und eigentlich auch einen Verhaltenskodex haben."

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