Vernunft kann warten? Streit um SUVs nach Todesfahrt

Symbolbild - Porsche Macan
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Von Sigrid Ulrich mit dpa, Reuters
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Bei der Fahrt eines Porsche Macan auf einen Berliner Bürgersteig hat vier Menschenleben gekostet. Die Autoindustrie will bei SUVs und Geländewagen dieses Jahr bei den Neuzulassungen die Millionenschwelle packen - viele Bürger sind empört

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Der Sportgeländewagen vom Typ Porsche Macan war in Berlin-Mitte nach links von der Fahrbahn abgekommen und überfuhr vier Menschen, dazu mehrere Poller und einen Ampelmast.

Die tödliche Karambolage hat eine hochemotionale Debatte ausgelöst: Braucht der Stadtbewohner wirklich einen SUV (Sport Utility Vehicle), knapp 2 Tonnen schwer (Leergewicht Macan 1770–1925 kg, VW Golf/Rabbit 1155–1590 kg)? Sollten SUV-Fahrer nicht wenigstens mehr Steuern zahlen für ihr Gefährt, das meist mehr Platz und Sprit verbraucht als ein herkömmlicher Mittelklassewagen?

"WACHSEN, WACHSEN, WACHSEN"

„Wenn Sie sich anschauen, wohin die Trends in der Automobilindustrie gehen, da sehen Sie: SUVs wachsen, wachsen, wachsen, wachsen“, dozierte Opel-Chef Michael Lohscheller Ende August im Werk Eisenach – hier werden statt sparsamer Kleinwagen nun SUVs der Mittelklasse gebaut. Allein bei Opel stehen die wuchtige Karossen bereits für 30 Prozent des Gesamtabsatzes. Bei Volkswagen, Daimler und BMW sieht es ähnlich aus. Laut Kraftfahrtbundesamt und CAR, Uni Duisburg-Essen, hat sich der SUV-Anteil an den Zulassungen in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt etwa vervierfacht. Statt einer Million Elektroautos (aktuell 100.000) auf den Straßen im Jahr 2020, wie von der Bundesregierung gewollt, dürften die SUVs und Geländewagen dieses Jahr die Millionenschwelle packen, und zwar allein bei den Neuzulassungen.

Während Klimaikone Greta Thunberg zum Spritsparen nach New York segelt, werben die Autohersteller deshalb mit Slogans wie „Vernunft kann warten“ (Audi TTS Roadster 2015), „Denken Sie einmal nicht an Ihre Kinder“ (Ford Mustang 2019) oder „gebaut, um den Atem zu rauben“ (BMW 8er Reihe 2018) mehr oder weniger offen für die rollende Unvernunft – kurz vor dem erwarteten Klima-Countdown.

Und ein Grund für die Empörung von Grünen-Politikern wie Stephan von Dassel, Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte: „Solche panzerähnlichen Autos gehören nicht in die Stadt“, sagte er nach dem SUV-Unfall von Berlin, bei dem vier Fußgänger starben und fünf Menschen verletzt wurden.

"SUVs haben in unseren Städten nichts zu suchen!" so die Deutsche Umwelthilfe nach dem Unfall, die Autoindustrie peile SUVs als einen von zwei Neuwagen an. „Wir kämpfen dagegen an."

"SUV-WAHNSINN"

Die Zeit läuft: Wenn die EU ihre Umweltziele einhält, könnte der „SUV-Wahnsinn“ (Handelsblatt-Titel 06/09/2019) schon im kommenden Jahr die Hersteller zu Rückstellungen zwingen, für drohende Bußgelder. Denn ab 2020 müssen die Autohersteller den durchschnittlichen Verbrauch aller ihrer in Europa verkauften Autos auf 95 Gramm CO2-Emissionen pro Kilometer drücken.

Laut dem New Yorker Analysehaus Evercore drohen drastische Konsequenzen: Wenn Europas Autohersteller die CO2-Emissionen jetzt nicht entscheidend reduzierten und in Richtung der neuen 95-Gramm-Grenze drückten, dann drohten der gesamten Branche EU-Bußgelder von mehr als 30 Milliarden Euro.

su mit dpa

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