Fleur Pellerin: Internetfirmen sollen fairen Steueranteil zahlen

Fleur Pellerin: Internetfirmen sollen fairen Steueranteil zahlen
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Von Euronews
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Fleur Pellerin ist Beigeordnete Ministerin für kleine und mittelständische Unternehmen, Innovation und digitale Wirtschaft im französischen Ministerium für industriellen Wiederaufbau. Mit Euronews sprach sie über gerechtere Steuern für Internet-Unternehmen.

euronews:
Der französische Präsident hat verkündet, dass das Internet zu den vier wichtigen Säulen des Investitionsplans für die nächsten zehn Jahre zählt. Was bedeutet das für Sie?

Fleur Pellerin:
François Hollande hat das Internet bereits zur Priorität gemacht, als er noch Präsidenschaftskandidat war. Damals verfolgte er mit einer Kampagne das Ziel, allen Franzosen innerhalb von zehn Jahren Zugang zum Highspeed-Internet zu ermöglichen. Das war ein wichtiger Schritt, wir haben den Plan weiterentwickelt und arbeiten derzeit an der Umsetzung.
Die Investitionsstrategie, die die Regierung in den nächsten Wochen vorstellen wird, hat vier Schwerpunkte: den digitalen Sektor, die Infrastruktur, das Gesundheitswesen und die Energiewende. Das sind natürlich gute Perspektiven, und ich habe dem Premierminister bereits Vorschläge zur Umsetzung gemacht, etwa zu digitalen Lösungen für das Gesundheitswesen oder Online-Bildung.
Ich denke, wir haben in Frankreich in vielen Bereichen gute Voraussetzungen, aber wir brauchen mehr öffentliches Interesse. Nur so können wir die Pläne weiter vorantreiben, die für unsere Wirtschaft in der Zukunft eine bedeutende Rolle spielen werden.

euronews:
Was halten Sie von den Vorschlägen, mit der die Kommission “Lescure” die französische Kultur im digitalen Zeitalter schützen möchte? Sind Sie zum Beispiel für eine Besteuerung von Smartphones?

Fleur Pellerin:
Heutzutage gibt es viele Gebiete: das Urheberrecht und das geistige Eigentum, Produzenten, Herausgeber, Plattformen und Materialhersteller Die Wertschöpfungskette zwischen diesen Akteuren ist gestört, und diese Misstände werfen Fragen auf. Die Steuer auf internetfähige Geräte muss also in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Es geht vor allem um Downloads, und darum, den Schaden für Autoren, Herausgeber und Produzenten zu minimieren, wenn Musik oder Filme für den privaten Gebrauch kopiert werden.
Neuerdings gibt es immer mehr Streaming-Angebote im Netz, bei Deezer oder Spotify kann man Musik online hören, für Filme funktioniert das genau so. Da machen Downloads also nicht mehr viel Sinn.
Wir brauchen also ein neues System, und darum geht es in den Plänen der Kommission Lescure. Es geht nicht darum, den Franzosen neue Steuern aufzudrängen.

euronews:
Sie setzen sich derzeit dafür ein, dass große amerikanische Unternehmen sich an die Regeln des französischen Staates halten. Ist das gerechtfertigt, in einer Zeit der Globalisierung, da nationale Grenzen praktisch nicht mehr existieren?

Fleur Pellerin:
Ich halte das für einen richtigen Schritt. Unternehmen, die in anderen Ländern große Gewinne machen, sollten die Gesetze und die Philosophie dieser Länder respektieren, und es spielt keine Rolle, ob sie in dem Land einen Firmensitz mit einer rechtlichen Vertretung haben oder nicht. Unternehmen sollten sich in das System des jeweiligen Landes integrieren, auch wenn es sich um Unternehmen handelt, die grenzenlos arbeiten.

euronews:
Doch wenn jetzt neue Steuern eingeführt werden, etwa eine Klick-Steuer, besteht dann nicht das Risiko, dass die Kosten auf den Nutzer zurückfallen?

Fleur Pellerin:
Ich denke, es ist anderen Unternehmen, aber auch der Bevölkerung gegenüber nur schwer zu verantworten, dass einige Internetfirmen praktisch keine Steuern zahlen. Diese Unternehmen machen hunderte Milliarden Euro Reingewinn, und zahlen nur zwei bis fünf Prozent Steuern.
Andere Unternehmen müssen 30 oder 35 Prozent Gewinnsteuern zahlen, in den USA sogar 38 Prozent.
Deshalb müssen wir so schnell wir möglich für mehr steuerliche Gerechtigkeit sorgen, zwischen diesen Unternehmen, die ihre Steuern optimieren, und allen anderen.

euronews:
Sie befassen sich derzeit mit mehreren Akteuren auf dem Markt: Google, Apple, Amazon… Welche sind am wichtigsten?

Pellerin:
Alle sind wichtig. Ich führe aber keinen Kampf gegen amerikanische Unternehmen, darum geht es nicht.
Vielmehr müssen wir versuchen, Gerechtigkeit zwischen allen Unternehmen herzustellen. Wenn die Firmen aus anderen Ländern wären, wäre das genau dasselbe. Unser dringendstes Anliegen muss es sein, ein Gleichgewicht herzustellen, eine neue gerechte steuerliche Regulierung. Gleichzeitig darf diese die Innovationsfähigkeit der Unternehmen nicht beeinträchtigen.

euronews:
Frankreich ist immer noch ein attraktives Land für ausländische Investoren. Die Regierung hat jedoch den Verkauf von Dailymotion verhindert. Haben Sie nicht Angst, dass Fälle wie diese Frankreich als Standort schaden?

Pellerin:
Nein. Ich denke, was wirklich zählt, sind die Mittel, die wir einsetzen, um die Attraktivität des Landes zu wahren.
Im letzten Jahr haben 700 Investoren aus dem Ausland Arbeitsplätze in Frankreich geschaffen, das ist eine stolze Zahl. 20.000 ausländische Unternehmen sind in Frankreich vertreten. Doch es ist wichtig, dass wir in Krisenzeiten wie jetzt weiterhin zeigen, welche Trümpfe wir in der Hand halten. Wir bieten strukturelle Vorteile, ein hohes Bildungsniveau, sehr gute Ingenieure und relativ niedrige Energiekosten. Wir haben ein gutes Transport- und ein gutes Kommunikationsnetz, die Betriebskosten für Unternehmen sind gering, selbst wenn man die Steuern berücksichtigt.

euronews:
Derzeit wird über eine mögliche Regierungsumbildung gemunkelt. Glauben Sie, dass Sie langfristig in Ihrem Ministerium bleiben?

Pellerin:
Selbstverständlich arbeite ich langfristig. Ich habe Projekte, die über einem langen Zeitraum angelegt sind: Innovation, kleine und mittelständische Unternehmen, die digitale Wirtschaft. Das sind meine Baustellen. Auf einigen bin ich bereits vorangekommen, auf anderen dauert die Arbeit sehr viel länger. Die Investitionsstrategie zum Beispiel ist ein sehr langfristig angelegtes Vorhaben, im digitalen Bereich muss man sich das Land in 20 oder 30 Jahren vorstellen. Wenn Sie in der Politik sind, müssen Sie die Ungewissheit der Dinge akzeptieren, das gehört dazu.

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