Sommer-Lüge: Hat Deutschland die WM 2006 gekauft?

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Von Euronews
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(dpa) Die hochbrisanten Vorwürfe zu einem angeblichen Kauf
von Stimmen bei der Vergabe der WM 2006 beschäftigen den Deutschen
Fußball-Bund. Der Verband weist die vom «Spiegel» erhobenen
Anschuldigungen mit Macht zurück und droht mit juristischen
Gegenmaßnahmen. Sowohl beim DFB als auch bei der FIFA werden sich
dennoch interne Ermittler der Aufklärung der Sache annehmen. Im Fokus
dürften dabei auch die Macher des Sommermärchens stehen – und ein
ehemaliger Adidas-Chef.

Franz BECKENBAUER: Seine Weltreisen als Chef der deutschen
WM-Bewerbung sind längst legendär. Der Fußball-Kaiser jettete schier
unermüdlich um den Globus und warb sogar in der Südsee charmant für
eine Weltmeisterschaft in Deutschland. Vor allem wegen dieser perfekt
inszenierten PR-Tournee gilt Beckenbauer als der Mann, der die WM in
seine Heimat holte. Es war seine Krönung als Sportfunktionär. Nach
der WM war der Weltmeister von 1974 noch vier Jahre Mitglied der
FIFA-Exekutive. Im Sommer 2014 war er dann kurz von der
FIFA gesperrt, weil er den Ermittlern zunächst keine Auskunft zur
umstrittenen Vergabe der WM-Turniere 2018 und 2022 an Russland und
Katar gab. Heute hat der 70-Jährige kein Spitzenamt mehr.

Wolfgang NIERSBACH: Als Mediendirektor und Vizepräsident des
Organisationskomitees machte Niersbach Karriere beim DFB. «Von der
ersten Minute an» sei er bei der WM-Bewerbung dabei gewesen,
versicherte der heutige Präsident des größten Sportfachverbandes der
Welt gern. Niersbach koordinierte damals die Öffentlichkeitsarbeit,
prägte also das Bild von der WM 2006 entscheidend mit. Ein Skandal um
die Vergabe des Turniers käme Niersbach heute mindestens genauso
ungelegen wie damals. Der DFB-Chef wäre damit wohl auch aus dem
Rennen um die Chefposten bei FIFA und UEFA. Sein Verband bezeichnet
die Enthüllungen des «Spiegel» als haltlos.

Fedor RADMANN: Wo Beckenbauer auf seiner WM-Werbetour auftauchte, war
Radmann zumeist nicht weit. Der umtriebige Berater war hinter den
Kulissen als Strippenzieher wohl eine entscheidende Figur vor der
WM-Vergabe an Deutschland. Danach gehörte der gebürtige
Berchtesgadener dem WM-Organisationskomitee zunächst als
Vizepräsident an, musste aber wegen seiner diversen Beraterverträge
das Amt aufgeben. Mit wenig Glück engagierte er sich später als
Geschäftsführer der Salzburger Bewerbung um Winter-Olympia 2014 und
Australiens Kandidatur um die WM 2022. Beide Anläufe scheiterten.

Theo ZWANZIGER: Der spätere DFB-Chef rückte für Radmann als
Vizepräsident ins Organisationskomitee nach. Dort war der Jurist für
Finanzen, Personal und Recht verantwortlich. 2011 übernahm Zwanziger
den Platz von Beckenbauer in der FIFA-Regierung. Mit seinem
Nachfolger Niersbach hat Zwanziger sich inzwischen überworfen. Auch
den Weltverband und dessen skandalumwitterten Präsidenten Joseph
Blatter griff Zwanziger zuletzt vehement an. Dabei kritisierte der
70-Jährige auch die dubiose Vergabe der WM 2022 an Katar.

Horst R. SCHMIDT: Der damalige DFB-Generalsekretär war eine der
zentralen Figuren für WM-Bewerbung und Organisation. Er galt als
rechte Hand Beckenbauers, als Hirn der deutschen Weltmeisterschaft.
Schon 1974 hatte er die WM in Deutschland mitorganisiert, vor der
WM 2010 holte ihn die FIFA als Nothelfer nach Südafrika. Als
Ehrenmitglied des DFB wurde er 2013 in den Ruhestand verabschiedet.
Zur Vergabe der WM 2006 sagte er bei Sky: «Mir war von einer
schwarzen Kasse nichts bekannt. Die Stimmen sind nicht gekauft
worden.»

Robert LOUIS-DREYFUS: Der frühere Adidas-Chef galt bis zu seinem Tod
im Juli 2009 als eine der schillerndsten Figuren der europäischen
Sportszene. Der Franzose entstammt einer milliardenschweren
Unternehmer-Familie und bezeichnete sich als «fußballverrückt». Der
«Spiegel» berichtet nun, Louis-Dreyfus habe dem deutschen
Bewerbungskomitee privat 13 Millionen Mark geliehen. Dieses Geld
könne möglicherweise dafür eingesetzt worden sein, entscheidende
Stimmen in der FIFA-Regierung für die Wahl des Gastgebers der WM 2006
zu kaufen. Der DFB räumt zwar Ungereimtheiten um eine Summe in der
vergleichbaren Höhe von 6,7 Millionen Euro ein, bestreitet aber
schwarze Kassen und den Kauf von Voten. Adidas äußerte sich nicht.

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