Amtsenthebung von Dilma Rousseff: "Dies ist ein Putsch!"

Amtsenthebung von Dilma Rousseff: "Dies ist ein Putsch!"
Von Euronews
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Brasilien erlebt einen einzigartigen Moment in seiner Geschichte.

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Brasilien erlebt einen einzigartigen Moment in seiner Geschichte. Nach der Suspendierung von Präsidentin Dilma Rousseff ist jetzt vorläufig der frühere Vize-Präsident Michel Temer am Ruder. Wir haben mit Jacques Wagner gesprochen. Er ist die rechte Hand von Rousseff und er verließ einst die Regierung um Platz für Ex-Präsident Lula zu machen.

Michel Santos, euronews:
“Gab es in Brasilien einen Putsch?”

Jacques Wagner:
“In der Tat, das was wir in Brasilien erleben, ist ein Putsch. Für mich ist es ein Putsch, denn die Opposition hat die von der Verfassung vorgesehene Möglichkeit einer Amtsenthebung für eine indirekte Wahl benutzt. Die ganze Welt verfolgte die Sitzung des Parlaments und die Abstimmung im Senat. Niemand oder nur sehr wenige sprachen bei diesen Gelegenheiten von Verbrechen, denn die Präsidentin hat nichts verbrochen.
Die Konservativen haben also eine Regel in der Verfassung für etwas genutzt, das in einer Demokratie heilig ist, nämlich der Wahlprozess. Sie haben sich die Macht einer Präsidentin angeeignet, die von 54 Millionen Menschen gewählt worden ist.
Seit den Wahlen haben sie ständig nach Möglichkeiten gesucht, um die Entscheidung für ungültig zu erklären oder um eine dritte Runde zu veranstalten. Sie haben die Abstimmung in Frage gestellt, sie haben die Legalität der Kampagne der Präsidentin vor dem Obersten Gericht angezweifelt. 18 Monaten haben sie gebraucht, um diese Amtsenthebungs-Strategie auszuklügeln. Sie haben nach einem Grund gesucht, um ihr ihre Macht zu entreißen. Dafür gibt es aber keinen Grund.

euronews:
“Stecken geostrategische Interessen dahinter? Haben auch Kräfte aus dem Ausland an diesem sogenannten Coup mitgewirkt?”

Jacques Wagner:
“Die Konservativen unterstützen ohne jeden Zweifel diesen Putsch. Er ist in ihrem Interesse. Diese Strategie wurde schon in mehreren Ländern angewandt. Man beruft sich auf die Moral, meist nur zum Schein, um zu versuchen, Regierungen zu stürzen, die vom Volk gewählt worden sind und von daher legitim sind.”

euronews:
“Wer sind diese konservativen Bewegungen? Gibt es da einen Staat, der sich besonders hervortut?”

Jacques Wagner:
“Es gibt konservative Kräfte in den USA, in Europa und auch in Asien, die sich andere Regierungen in Lateinamerika wünschen. Denn in Lateinamerika sind in mehreren Ländern linke Parteien an die Macht gewählt worden. Es gab also systematische Angriffe. Der konservative Sektor des Finanzmarktes geht auf der ganzen Welt gegen soziale Bewegungen und gegen vom Volk gewählte und fortschrittliche Regierungen vor.”

euronews:
“Kann sich die Situation im Senat noch ändern?”

Jacques Wagner:
“Ja, es ist möglich die Situation im Senat zu wenden. Daran habe ich keinen Zweifel. Nur 55 Mitglieder haben für das Verfahren zur Amtsenthebung gestimmt. Wenn wir noch zwei dieser Stimmen für uns gewinnen könnten, wären wir in der Lage das Amtsenthebungsverfahren zu stoppen. Wir haben bereits 22 bis 24 Stimmen, die sind uns sicher. Jetzt, während dieser Interimszeit, werden Widersprüche zu Tage treten. Angesichts der Proteste auf der Straße und der Bewegung im Kongress ist alles vereint, um einen Sieg der Demokratie und Rousseffs Rückkehr ins Amt zu ermöglichen.”

Kommentar: #DilmaRousseff muss einpacken – und nun? #Brasilienhttps://t.co/o7Lm4sfiu5pic.twitter.com/P2ZznGT2kN

— DW (Deutsch) (@dw_deutsch) 12. Mai 2016

euronews:
“Mehrere südamerikanische Länder und Organisationen sind gegen die Amtsenthebung von Dilma Rousseff. Sollte die Europäische Union die gleiche Einstellung haben?”

Jacques Wagner:
“Alle Demokraten, sei es in der Europäischen Union oder im Rest der Welt, sollten sich um Länder wie Brasilien sorgen, wenn es dort einen Prozess gibt, der nicht transparent ist. Wenn es dort ein künstliches Amtsenthebungsverfahren gibt, dann geht das alle etwas an. Im Land werden wir weiter Widerstand leisten, aber wir zählen auch auf die internationale Solidarität.”

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