Polen schickt oberste Richter in Zwangsruhestand

Malgorzata Gersdorf in Warschau
Malgorzata Gersdorf in Warschau Copyright Agencja Gazeta/Dawid Zuchowicz via REUTERS
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Von Christoph Wiesel mit DPA
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Kritiker befürchten, dass Polens Regierung durch die Justizreform missliebige Richter entfernen lässt.

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Am Vorabend der Reform gab noch einmal Proteste in Polens Hauptstadt: Tausende Demonstranten forderten in Warschau "Freie Gerichte!" und "Nieder mit der Diktatur!". Sie machten mobil gegen den Umbau der polnischen Justiz.

Doch schon wenige Stunden später tritt die umstrittene Reform über Nacht in Kraft. Ab sofort müssen Richter des Obersten Gerichts bereits mit 65, statt bisher 70 Jahren, in den Ruhestand. Wer dennoch im Amt bleiben wollte, musste das bei der polnischen Regierung beantragen.

Bis zu 40 Prozent der Richter werden durch die Reform zwangspensioniert, darunter auch die Vorsitzende Malgorzata Gersdorf.

"Für mich - als Präsidentin des Obersten Gerichts - ist es ein trauriger Tag“, sagte Gersdorf. "Die Ära der Justiz, des Obersten Gerichts und dessen organisatorischer Unabhängigkeit und Kompetenz endet."

Kritiker wie Gersdorf befürchten, dass Polens Regierung durch die Reform missliebige Richter entfernen lässt. Die Vorsitzende hat angekündigt, trotz der Reform wie gewohnt zur Arbeit zu erscheinen.

"Die gegenwärtige Situation bestätigt die Gründe für die Justizreform“, sagte Stanislaw Piotrowicz, Abgeordneter der Regierungspartei PiS. "Einige Richter stellen sich über das Gesetz, über die Bürger und über andere Behörden."

Aus Sicht der Regierungspartei steigert der Justizumbau die Effizienz des Gerichts und hilft gegen Korruption. Ein Widerstand der Richter sei zum "desaströsen" Scheitern verurteilt, so Parteichef Jaroslaw Kaczynski.

Die EU-Kommission beobachtet die Reform mit Sorge. Sie hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet.

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