Spendenfreude: Tabakindustrie wehrt sich gegen Vorwurf, sie habe die Krise "ausgenutzt"

Warum die Spenden der Tabakindustrie an Rumänien, die Ukraine und Griechenland?
Warum die Spenden der Tabakindustrie an Rumänien, die Ukraine und Griechenland? Copyright AP Photo
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Von Emil Filtenborg und Stefan Weichert
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Warum die Spenden an die Ukraine, Rumänien und Griechenland? Die Tabakindustrie wehrt sich gegen Vorwurf, sie habe die Covid-Krise "ausgenutzt".

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Zwei Tabak-Giganten haben auf Vorwürfe zurückgeworfen, sie würden die COVID-19-Gesundheitskrise nutzen, um ihr öffentliches Image zu verbessern und Zugang zu Politikern zu gewinnen.

Die Tochtergesellschaft von Philip Morris International, Papastratos, gab 50 Beatmungsgeräte an griechische Krankenhäuser, um ihnen bei der Bewältigung der Pandemie zu helfen.

Das rumänische Rote Kreuz erhielt von Philip Morris International eine finanzielle Spende in Höhe von angeblich 1 Million Dollar.

Und Philip Morris International und Imperial Tobacco haben beide in der Ukraine Geld gespendet.

Kritiker sagen, es sei Teil einer PR-Bemühung, bei Regierungen Lobbyarbeit zur Lockerung der Tabakkontrollen zu betreiben.

Our deepest appreciation to those contributing during these difficult times as we multiply our efforts to stave off the...

Publiée par American-Hellenic Chamber of Commerce sur Jeudi 19 mars 2020

Sie weisen auch darauf hin, dass der Tabakkonsum das Risiko einer schweren Erkrankung oder des Todes durch COVID-19 signifikant erhöht.

"Wir haben keine Publicity angestrebt"

Andere wiederum behaupten, die Spenden verstoßen gegen das Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC). Das ist ein Vertrag, der 2005 in Kraft trat, um die Menschen vor den Auswirkungen des Tabakkonsums zu schützen.

Sowohl Philip Morris International als auch Imperial Tobacco bestritten jegliches Fehlverhalten und sagten, die Behörden hätten um ihre Hilfe gebeten.

"Imperial Tobacco Ukraine, als ein prominenter Arbeitgeber in Kiew, wurde von regionalen Behörden und anderen lokalen Gruppen gebeten, dem Krankenhaus ein Beatmungsgerät zu spenden", sagte das Unternehmen in einer Erklärung gegenüber Euronews.

"Das Unternehmen tat dies gerne und will dafür kein Rampenlicht. Es wurden keine Vorschriften verletzt, und es ist eine Schande, dafür kritisiert zu werden, dass man sich bereit erklärt hat, die Kiewer Gemeinschaft in diesen herausfordernden und beispiellosen Zeiten zu unterstützen", sagte das Unternehmen in einer Erklärung gegenüber Euronews.

Auch Nataliya Bondarenko, Direktorin für auswärtige Angelegenheiten bei Philip Morris Ukraine, bestritt, dass die Spenden des Unternehmens gegen die FCTC verstoßen hätten.

Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, habe während des COVID-19 Wirtschaftsführer um Hilfe gebeten habe, erklärte sie.

"Die FCTC verbietet keine Interaktionen zwischen kommerziellen Betreibern und Regierungsorganisationen", sagte sie Euronews und bezog sich dabei auf die Aktionen des Unternehmens in der Ukraine, Rumänien und Griechenland.

"Sie empfiehlt den Parteien der FCTC jedoch, in Übereinstimmung mit dem nationalen Gesetz zu handeln, um die Politik der öffentlichen Gesundheit in Bezug auf die Tabakkontrolle vor kommerziellen und anderen Interessen der Tabakindustrie zu schützen."

"Diese Bestimmung impliziert, dass die Regulierungsbehörden unparteiisch und transparent handeln sollten. Unsere Spende wurde in voller Übereinstimmung mit dem Gesetz getätigt, was unsere Integrität und Transparenz beweist."

'Die üblichen Tricks'

Dr. Mary Assunta, Leiterin der globalen Forschung und Interessenvertretung am Global Center for Good Governance in Tobacco Control, kennt sich in der internationalen Politik zur Eindämmung des Tabakkonsums gut aus. Sie sagte, die Spenden verstießen gegen zwei Bestimmungen des FCTC.

"Das FCTC ist ein rechtsverbindlicher Vertrag, und obwohl fast alle Länder ihn ratifiziert haben, sehen sich viele von der Tabakindustrie vor Herausforderungen gestellt, wenn sie ihn umsetzen. Etwa 60 Länder haben jedoch tabakbezogene Spenden verboten oder eingeschränkt."

"Gegenwärtig sind viele Regierungen verwundbar, weil ihnen die Mittel zur Bekämpfung der Pandemie fehlen. Unternehmen wie Philip Morris nutzen die Pandemie, um Geld an Organisationen und Regierungen zu spenden. Es ist Teil ihrer Strategie, ihr Image zu verbessern und Zugang zu Politikern zu bekommen".

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Dr. Mateusz Zatoński, von der Forschungsgruppe für Tabakkontrolle (TCRG) der Universität Bath, sagte, dass die Tabakfirmen während der COVID-19-Pandemie besonders aktiv mit Spenden waren.

Philanthropische Aktivitäten tragen dazu bei, solchen irreführenden Behauptungen ein Gütesiegel der Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Dr. Mateusz Zatoński
Forscher im Bereich Tabakkontrollen (TCRG) der Universität Bath

"Die Tabakindustrie führt ihre üblichen Tricks aus, indem sie behauptet, sie unterstütze die Regierungen während der Pandemie und mische sich gleichzeitig in das ein, was diese Regierungen tun, um die Eindämmung des Tabakkonsums zu verstärken", sagte Zatoński, der kürzlich in der internationalen medizinischen Fachzeitschrift Tobacco Control zu diesem Thema veröffentlichte.

"Diese Spenden sind eine Gelegenheit für die Tabakindustrie, sich als vorbildliche Unternehmen und legitime Partner der politischen Entscheidungsträger zu präsentieren", sagte Zatoński. "Während sie gleichzeitig irreführende Behauptungen aufstellen, dass neue Richtlinien zur Eindämmung des Tabakkonsums oder alles, was ihrem Geschäft schaden kann, negative soziale und wirtschaftliche Folgen haben. Philanthropische Aktivitäten tragen dazu bei, solchen irreführenden Behauptungen ein Gütesiegel der Glaubwürdigkeit zu verleihen."

"Wir sehen oft, dass Tabakunternehmen Geld an Organisationen mit politischen Verbindungen geben, weil dies für sie eine Möglichkeit sein kann, den Kontakt mit politischen Entscheidungsträgern in der Zukunft zu erleichtern", sagte er.

Was steht im Kleingedruckten?

Das Konventionssekretariat der FCTC - ein von der WHO getrennter Wächter des Abkommens - sagte, solche Spenden verstießen gegen das Abkommen, das weltweit von mehr als 180 Ländern ratifiziert wurde.

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"Dem Sekretariat der Konvention sind die Spenden der Tabakindustrie bekannt, um ihre 'Aktivitäten im Bereich der sozialen Verantwortung der Unternehmen' hervorzuheben."

"Tatsächlich verstoßen diese Spenden gegen zwei Artikel des WHO FCTC: 13 und 5.3.".

Artikel 13 der FCTC besagt, dass Tabakspenden an "Organisationen, wie z.B. Gemeinde-, Gesundheits-, Wohlfahrts- oder Umweltorganisationen, entweder direkt oder über andere Einrichtungen" verboten werden sollten, weil solche Spenden darauf abzielen, "ein Tabakprodukt oder den Tabakkonsum entweder direkt oder indirekt zu fördern".

Das Sekretariat führt weiter aus und sagte, Spenden "die auf die Förderung des Tabakkonsums abzielen, sind sowohl eine Marketing- als auch eine PR-Strategie".

"Heute nutzt die Tabakindustrie wieder einmal die prekäre Lage vieler unserer Parteien und bietet ihre 'philanthropische Hilfe' durch Spenden von Geld, persönlicher Schutzausrüstung, Beatmungsgeräten und anderen Ressourcen an, um die Industrie gut aussehen zu lassen und ihren Ruf zu verbessern."

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Der Zusammenhang zwischen Rauchen und COVID-19

Über die Einzelheiten des Vertrags hinaus heben andere die Tatsache hervor, dass die Tabakfirmen Hilfe im Kampf gegen eine Krankheit leisten, von der vermutet wird, dass sie durch das Rauchen verschlimmert wird.

Zwei Experten sagten Euronews, dass mehr Forschung notwendig sei, dass es aber einen Zusammenhang zwischen Rauchen und einem schwerem Krankheitsverlauf von COVID-19 gebe.

Efrem Lukatsky/AP
In der Ukraine sind EInkaufszentren und Fitnesstudios wieder geöffnet, der öffentliche Nahverkehr hat seinen Betrieb aufgenommen. Kiew, 9. Juni 2020Efrem Lukatsky/AP

"Tabakkonsum, wie COPD (chronische obstruktive Lungenerkrankung), Bluthochdruck, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen alle das Risiko einer kritischen Erkrankung und des Todes bei COVID-19 erheblich", schrieb Henry Brandon, der kürzlich eine Studie über COPD und den schweren Krankheitsverlauf nach Infektion mit dem Coronavirus in der Fachzeitschrift Respiratory Medicine veröffentlichte.

"Rauchen in allen Formen kann auch zu direkten Lungenentzündungen und -schäden führen, die für eine schwere COVID-19-Erkrankung besonders anfällig machen können."

"Daher ist es dringend ratsam, den Tabakkonsum einzuschränken, einschliesslich Vaping". Damit meint der Forscher E-Zigaretten.

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Russell G. Buhr, Assistenzprofessor für Medizin an der Abteilung für Lungenheilkunde und Intensivmedizin der University of California Los Angeles, bestätigte ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Rauchen und schwerem COVID-19.

Die 'mächtige Tabaklobby' der Ukraine

Philip Morris International spendete rund 350.000 Euro an die privat finanzierte Wohltätigkeitsorganisation Health for All in der Ukraine zur Bekämpfung des Virus. Imperial Tobacco half bei der Finanzierung eines Lungenbeatmungsgeräts in Kiew.

Die Raucherraten und die Tabakherstellung in der Ukraine gehen zurück. Laut dem NGO Advocacy Center LIFE haben die Tabakunternehmen jedoch nach wie vor eine mächtige Tabaklobby im Parlament und in der Regierung.

Demnach werden Spenden nicht nur während COVID-19 geleistet.

Lilia Olefir, Exekutivdirektorin von LIFE, sagte Euronews, dass Tabakfirmen wie Philip Morris einen erheblichen Einfluss auf das Land haben.

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Sie nutzten dies oft, um Druck auf die Regierung auszuüben. Ein Tabakkonzern habe letztes Jahr gedroht, seine Produktion in der Ukraine aufgrund eines neuen Gesetzes zur Erhöhung der Tabakbesteuerung einzustellen.

Selenskyi habe schließlich sein Veto gegen das Gesetz eingelegt. Dies sei ein Beispiel dafür, wie die Unternehmen in der Ukraine arbeiten, sagte Olefir.

Sie ist besorgt, dass die Spenden während der COVID-19-Pandemie nicht nur dazu beitragen, dass die Tabakunternehmen ihre Marke ändern, sondern ihnen auch politischen 'guten Willen' und Einfluss verschaffen.

Olefir sagte, dass privat finanzierte Wohltätigkeitsorganisationen wie Health for All ein Bindeglied zwischen den Tabakunternehmen und der Regierung sein können, was vermieden werden sollte.

Sergej Schewtschuk, der Leiter der Organisation, der zuvor Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit, Mutterschaft und Kindheit der ukrainischen Regierung war, hat sich für die Spende von Philip Morris Ukraine bedankt.

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Olefir ist der Meinung, die Spende verstoße gegen ukrainische Gesetze.

"Aber die Behörden hier in der Ukraine setzen sie nicht durch", sagte sie. "Diese Tabakunternehmen werden unser schwaches System in der Ukraine weiter ausnutzen, solange sie können", sagte sie.

Philip Morris wehrte sich mit Gegenvorwürfen, wonach "ideologisch getriebene Gruppen" die Krise benutzten, um "ihre Rhetorik zu fördern".

"Unsere Spende an Health for All wird für die Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung für die medizinischen Fachkräfte verwendet, die unerbittlich gegen die Verbreitung von COVID-19 in der Ukraine kämpfen", sagte Bondarenko von Philip Morris Ukraine.

"Der Schutz von Menschen, Familien und Gemeinschaften ist das, worauf es in dieser Zeit ankommt. Philip Morris Ukraine hat sich nicht um Werbung für diese Spenden bemüht."

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"Es ist schade, dass ideologisch geprägte Gruppen die gegenwärtige globale Pandemie nutzen, um ihre Rhetorik zu propagieren und dadurch möglicherweise verhindern, dass die ukrainischen Gesundheitsstrukturen lebenswichtige Unterstützung erhalten."

Euronews bat die Gesundheitsministerien der Ukraine und Griechenlands, zu diesem Artikel Stellung zu nehmen. Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hatten die Behörden nicht geantwortet. Rumänien antwortete nicht auf unsere spezifischen Fragen, sagte aber, es habe während der COVID-19-Pandemie keine Spenden von Tabakfirmen registriert.

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