Warum die extrem hohen Zahlen der Coronavirus-Neuinfektionen und Covid19-Patientinnen und -Patienten in Frankreich? Das fragen sich viele - wir auch. Szenen aus dem Alltag in Lyon.
Die Stadt Lyon ist zur Zeit besonders stark vom Anstieg der Neuinfektionen mit dem Coronavirus betroffen. Die 14-Tage-Inzidenz liegt in mehreren Stadtteilen bei über 600 pro 100.000 Einwohner. Am Freitag mussten die ersten Covid-19-Patientinnen und -Patienten in andere Regionen verlegt werden. Doch am Samstag war es - wie immer - sehr belebt in der Innenstadt, junge Leute saßen eng gedrängt auf den Bänken der Café-Terrassen.
Nach Paris ist Lyon die Stadt mit den meisten Studierenden in Frankreich. Mehr als 150.000 Studentinnen und Studenten leben in der etwas kleineren und kostengünstigeren Metropole. Anders als in Deutschland fahren die meisten Studierenden zumindest in den ersten Semestern aber am Wochenende zurück zu ihren Eltern.
Junge Leute feiern weiter
Viele Studentenfeten finden deshalb normalerweise schon am Donnerstag statt. Jetzt soll die nächtliche Ausgangssperre dem fröhlichen Treiben ein Ende bereiten. Die Diskotheken sind ohnehin seit Monaten geschlossen. Private Partys finden aber weiterhin statt. Die Inhaber kleiner Lebensmittelläden berichten, dass junge Leute jetzt sogar noch mehr alkoholische Getränke konsumieren als vorher. Seit Wochen darf nach 20 Uhr kein Alkohol verkauft werden. Vorher kamen die Kids kurz vor Mitternacht noch mal in den Laden, um Nachschub zu besorgen. Weil das nun nicht mehr geht, decken sie sich um 19 Uhr mit Vorrat ein - oft halt ein bisschen mehr.
Eine Hypothese, warum sich das Coronavirus in Südeuropa stärker ausbreitet als im Norden, ist die engere Verbindung zwischen den Generationen. In Italien können es sich viele junge Leute nicht leisten, von zu Hause auszuziehen.
Wer will es den jungen Leuten verdenken, dass sie weiter feiern? Sie sind besonders hart von der Coronakrise betroffen. Es gibt kaum Jobmöglichkeiten, viele Praktika wurden abgesagt, weil die Unternehmen in Corona-Zeiten möglichst wenige Beschäftigte in den Büros haben wollen.
Ältere Leute beim Tanztee
Dabei sind es keineswegs nur die jungen Französinnen und Franzosen, die sich nicht an die geltenden Corona-Regeln halten. France 2 zeigte in einer Reportage, wie viele ältere Paare entgegen aller Abstandsgebote in einem Restaurant ausgelassen tanzten. Die Betreiberin sagte, sie kämpfe ums Überleben ihrer Gaststätte und brauche den Tanztee, um Gäste anzulocken. Eine ältere Frau meinte, nach der Ausgangssperre vom Frühjahr habe sie genug von den Einschrânkungen.
Gedränge in der Innenstadt
In ganz Frankreich sind noch bis zum 2. November Herbstferien. Da viel weniger Leute als sonst Urlaub im Ausland machen, zieht es viele Familien am Wochenende in die Innenstadt. Vor dem Luxus-Label Louis Vuitton stehen die Kundinnen und Kunden in einer langen Schlange. Touristinnen und Touristen aus Asien, die ansonsten hier in Gruppen einkaufen, sind keine mehr da.
Demonstrationen finden eingeschränkt weiter statt. So wurde des ermodeten Lehrers Samuel Paty gedacht. Und es gab statt des bunten Pride-Umzugs durch die ganze Stadt eine kleinere Versammlung mit Abstand und Masken auf dem zentralen Place Bellecour.
Hochzeitsgesellschaft ohne Masken
Schon im September hatte Lyon den kritischen Wert an Neuinfektionen überschritten. Doch vor der Basilique d'Ainay standen die Gäste einer Hochzeitsfeier nach der kirchlichen Trauung eng beieinander. Kaum jemand trug Maske, auch der Priester nicht.
Da im Zentrum von Lyon bereits Maskenpflicht herrschte, setzten die meisten den Mund-Nase-Schutz beim Weggehen auf. Eine etwa 60-Jährige meinte: "Die Masken sind schon störend. Die Tante von Emilie habe ich in der Kirche gar nicht erkannt."
Immerhin hatte die sicher schon etwas ältere Tante eine Maske auf.
Inzwischen müssen die Restaurants um 21 Uhr dicht machen. Viele, die nicht gleich geschlossen bleiben, öffnen statt wie bisher um 19 Uhr schon um 18 Uhr (und zusätzlich zum Mittagessen).
Die Zahl der Gäste, die an Feiern teilnehmen dürfen, wurde weiter reduziert. Vor der Kirche spielen kleinere Kinder nach der Kita oder nach der Schule. Doch abends vor der nächtlichen Ausgangssperre ist es leerer geworden in Lyon.